aus nzz.ch, 23.2.2015, 05:30 Uhr
Aktien von Roboterherstellern
Die Maschinenmenschen kommen
von Michael Schäfer
Die Aktien von Roboterherstellern zählen an den Börsen zu den Gewinnern. Trotz anspruchsvollen Bewertungen deutet vieles darauf hin, dass das erst einmal so bleiben wird.
Was haben das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos und die weltgrösste Messe für Unterhaltungselektronik, die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas, gemeinsam? Nicht nur finden beide regelmässig im Januar statt, in diesem Jahr zählte ein Thema an beiden Anlässen zu denjenigen, über die dort von den Teilnehmern intensiv diskutiert wurde, nämlich Roboter.
China wird aufholen
Die zunehmende Automatisierung zählt zu den grossen Trends unserer Zeit. In immer mehr Bereichen des Lebens übernehmen Maschinen Aufgaben, die ursprünglich von Menschen ausgeführt wurden, und Roboter spielen dabei eine entscheidende Rolle. Ob in der Landwirtschaft, in der Medizin, in den Medien oder im Haushalt: Immer häufiger sind es Roboter, die Tiere melken, Menschen operieren, Artikel verfassen oder Wohnungen saugen und Rasen mähen. Die Liste liesse sich beträchtlich verlängern.
Ein besonders grosses Wachstumspotenzial wird Robotern jedoch dort attestiert, wo sie bereits vor rund 40 Jahren Einzug gehalten haben: in den Fabrikationshallen. Gemäss Zahlen des Industrieverbands International Federation of Robotics (IFR) wurden 2013 weltweit rund 180 000 Industrieroboter verkauft, so viele wie in keinem Jahr zuvor. Dahinter steckt ein Umsatzvolumen von 9,5 Mrd. $. Zählt man die Kosten für Software, Anlagentechnik und Peripherie hinzu, beläuft sich der Wert auf rund das Dreifache.
Für die kommenden Jahre erwartet die IFR eine deutliche Steigerung der Stückzahlen. Ausgehend von den Zahlen für 2013 sollen diese bis 2017 jährlich um durchschnittlich 12% auf dann knapp 300 000 wachsen. Beitragen zu diesem Schub dürften nach Ansicht der Experten von Citigroup verschiedene Treiber. Aus regionaler Perspektive sehen sie das grösste Potenzial in China, wo in zwei Jahren mehr als jeder dritte Roboter abgesetzt werden soll. Gegenüber den Zahlen von 2013 würde dies fast eine Verdreifachung bedeuten.
Die erwartete hohe Dynamik erklärt sich teils durch die niedrige Ausgangsbasis. China weist im Vergleich mit den Industrieländern noch immer eine sehr geringe Roboterdichte auf (vgl. Grafik). Diese dürfte sich künftig deutlich erhöhen, u. a., weil dort Roboter aufgrund der seit 2000 ununterbrochen gestiegenen Löhne (und zwar schneller als die Produktivität) im Vergleich zum Menschen immer konkurrenzfähiger werden. Zudem wird es angesichts der alternden Bevölkerung und des steigenden Bildungsniveaus schwieriger, genug Arbeitskräfte zu finden, die relativ schlecht bezahlte Tätigkeiten in der Fertigung übernehmen. Entsprechend wird der Automatisierung auch von Regierungsseite ein hoher Stellenwert eingeräumt, sie zählt zu den strategischen Zielen des zwölften Fünfjahreplans.
Nicht zuletzt dürfte der Roboterabsatz starke Impulse erhalten von der im Reich der Mitte schnell wachsenden Automobilindustrie, die global gesehen mit 40% der verkauften Einheiten den grössten Abnehmer darstellt. China sticht zwar bei den Wachstumsprognosen heraus, aber auch in Industrieländern dürfte die Roboterdichte weiter steigen. In den USA setzen laut einer Erhebung der Robot Industries Association erst 10% derjenigen Firmen Roboter ein, die davon profitieren würden. Auch für Japan wird eine deutliche Zunahme erwartet, wo sich die Autoindustrie – nicht zuletzt wegen des schwachen Yen – erholt.
Grosse Erwartungen setzen die Experten auch in eine beschleunigte Verbreitung von Robotern in anderen Industrien jenseits der Autoherstellung. Nicht nur werden die Maschinen immer günstiger, sie können vor allem immer mehr, und dies mit einer höheren Präzision. Letztere ist beispielsweise in der Elektronikindustrie besonders wichtig, die mit einem Viertel der verkauften Einheiten der zweitgrösste Abnehmer ist. Grosses Potenzial wird einer neuen Generation von Robotern eingeräumt, die zunehmend Daten untereinander austauschen, schneller lernen und dank verbesserten Sensoren in der Lage sind, gemeinsam mit Menschen an einem Produkt zu arbeiten.
Neue Roboter-Generation
Ken Goldberg, Professor für Robotik und Automatisierung an der Universität Berkeley, spricht in diesem Zusammenhang von einem Wendepunkt der Robotik. Bereits auf dem Markt mit einem «intelligenten Assistenten» ist der deutsche Anbieter Kuka, der kürzlich den Schweizer Hersteller für automatisierte Logistiklösungen Swisslog übernommen hat. Im April will ABB einen kollaborierenden Roboter lancieren, Epson einen solchen noch 2015.
Insgesamt ist der Markt für Industrieroboter sehr konzentriert, die vier Firmen Fanuc, Yaskawa (beide Japan), ABB und Kuka beherrschen rund zwei Drittel des Weltmarkts. Zugleich herrschen hohe Eintrittsbarrieren für neue Anbieter, denn Mitarbeiter müssen geschult und die Maschinen in die Produktionsabläufe eingepasst und laufend gewartet werden.
Nicht zuletzt aufgrund der überzeugenden Wachstumsperspektiven halten die Analytiker einer Reihe von Banken – wie Citigroup, JP Morgan oder UBS – die Papiere von Roboterherstellern für aussichtsreich. Bei der UBS betont man aber den langfristigen Charakter der Idee. Die Titel zählten zwar zu den Lichtblicken im Industriesegment, die hohen Erwartungen seien jedoch grossteils in den Kursen reflektiert. Bei Fanuc und Kuka beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis 23 bzw. 22, und auch bei den anderen Herstellern liegt es meist nicht weit unter 20. Allerdings gelte die Einschätzung, die Valoren seien anspruchsvoll bewertet, schon seit Jahren. Auf einen «günstigeren» Einstiegszeitpunkt zu warten, habe sich in der Regel nicht ausgezahlt, da die Unternehmen die Erwartungen nicht enttäuscht und oftmals sogar positiv überrascht hätten.
Nicht ganz einfach ist es schliesslich, gezielt in Roboterhersteller zu investieren. Dieses Geschäftsfeld stellt oft nur eines von mehreren in einem Konzern dar, so etwa bei ABB (5% Umsatzanteil) oder Yaskawa (34%). Die «reinsten» der grossen Roboterproduzenten sind Fanuc und Kuka.
Industrieautomatisierung
msf. ⋅ Die Industrieautomatisierung lässt sich in zwei Kategorien aufteilen, die Fabrikautomatisierung und die Prozessautomatisierung. Bei Ersterer handelt es sich um die Automatisierung von Fertigungsabläufen in der verarbeitenden Industrie. Wichtige Komponenten dafür sind unter anderem speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS), Sensoren und Roboter. In der Prozessautomatisierung werden Ausgangsstoffe in kontinuierlichen Produktionsprozessen zu Endprodukten verarbeitet. Beispiele sind die Erdöl- und -gasindustrie sowie die chemische Industrie. Den gesamten Markt für Industrieautomatisierungen schätzt die UBS auf 122 Mrd. $ pro Jahr.
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