Bewusstsein?

 
Unsere nächstliegende Vorstellung vom Bewusstsein ist die von einem Korpus aus mehreren Schichten, von mehreren aufeinander folgenden und aufbauenden Graden von Bewusstheit, die ein substanzieller Subjektkern oder Seelenfünklein mehr oder minder willkürlich durchläuft. 

So anschaulich die Vorstellung auch ist - sie ist absurd. Denn sie impliziert, dass der Homunculus ...kein Bewusstsein hat. Ein Bewusstsein ohne Bewusstseienden? Nun ja. Aber ein Unbewusster, der bewusstwird - wie das? Er kommt ins Bewusstsein hinein, aber das Bewusstsein nicht in ihn!

Anschaunng ohne Begriff sei blind, hat mal einer gesagt. 

Gibt es einen Begriff vom Bewusstsein?

Im Folgenden einige meiner Kommentare zu Beiträgen zum Thema; eine Abhandlung ergeben sie nicht, eher eine Art Lesefibel.



Das Wort Bewusstsein ist eine gedankliche Bananenschale. Nicht an sich; es ist dazu erst geworden. In der Umgangssprache bezeichnet es den Moment, in dem ich bei Bewusstsein bin. Bewusstes Sein, in jedermanns Alltagserfahrung kein immerwährender Zustand, sondern nur ein paar Momente im Tagesverlauf, unter- brochen von vielen langen Phasen, in denen ich mehr oder minder 'außer mir' bin.

Doch wenn ich's recht bedenke, bin ich gerade dann, wenn ich mir meiner bewusst werde, außer mir, denn dazu muss ich einen Standpunkt einnehmen, als wäre ich ein anderer, der 'mir' neugierig zuschaut: re-flektieren. 'Bei mir selbst' wäre ich dann eher, wenn ich mich achtlos gehen ließe, 'spontan', 'echt', 'authentisch'.

In der empirischen Psychologie mag es zweckmäßig sein, den Ausdruck im Sinne eines definierten Begriffs zu verwenden (sofern man die Definition im gegebenen Fall ausdrücklich mitliefert). Die empirische Psychologie hat es mit den wirklich unter uns lebenden Menschen zu tun, und eines von deren hervorstechenden Merkma- len ist in den modernen westlichen Gesellschaften ihr Auftreten als Person - gedacht als Träger eines freien Wil- lens, der sie für sich selbst verantwortlich und zu Subjekten der Volkssouveränität macht: Auch das eine empi- risch gesetzte, gesellschaftlich wirksame Fiktion, die im Deteil immer wieder in Spannung gerät zu dem tat- sächlichen Walten intrinsischer und extrinsischer Motive, die dem 'Bewusstsein' notorisch verborgen bleiben und es auf Abwege leiten. In diesem kritischen, problematischen Sinn hat der Begriff oder besser: das Wort ein Platz auch in den Wissenschaften.

Problematisch wurde es durch den mystifizierenden Gebrauch, der bei Hegel und seiner Schule damit getrieben wurde. In deren System erscheint das Bewusstsein als eine Stufe in der Selbstentfaltung des Geistes, die, einmal errreicht, nicht wieder unterschritten werden darf. Bei Kant und den andern kritischen Philosophen, die sich mit den Wissensvermögen des Menschen beschäftigt hatten, war 'das Bewusstsein' nur gelegentlich und un- thematisch vorgekommen, denn sie waren phänomenologisch orientiert und nicht metaphysisch systembauend. Phänomenal ist der Mensch und sind seine Vermögen eins, und nur von außen, in Hinblick auf die jeweiligen Leistungen, sind Unterscheidungen objektivierbar; so dass von 'dem Bewusstsein' wie einer Substanz zu reden im Sinne einer kritischen Philosophie irreführend und falsch ist. Denn eben das Ich, das transzendentale oder absolute, dem das Bewusstsein als seine auszeichnende Eigenschaft zugerechnet werden soll, ist selber nur der gedachte Träger dieser gedachten Vermögen und ist der empirischen Person so fern wie ein praller Fußball der Zahl Pi.



Bei der Rekonstruktion des menschlichen Bewusstseins durch die Transzendentalphilosophie fand sich am "Grunde" - als die Bedingung alles Weiteren - das Wollen; eine intellektive Fähigkeit, die nicht psychologisch misszuverstehen ist. Es ist das Vermögen, die eigne Aufmerksamkeit zu richten und über Qualitäten zu urteilen; nämlich aus eignem Antrieb und nicht als Ausführung eines Programms. Denn nur so ist es möglich, aufs eigene Wollen zu reflektieren und die 'richtige Wahl' zu treffen. Das alles zusammen macht das aus, was man landläufig Vernunft nennt und worüber sich heute nicht einmal mehr die Philoso- phen zu reden trauen.

Weil nämlich die Vernunft scheinbar noch ungreifbarer ist als die 'Intelligenz'. Darum sind die intelligenten Maschinen eine eigenes Erkenntnisinstrument: Vernunft ist das, was die Maschinen nicht können.



Empirische Befunde, egal in welchem Fach, können die Schemata der Transzendentalphilosophie nicht bewei- sen - weil die keine Tatsachenbehauptungen sind, sondern Sinnbestimmungen. Könnten sie aber die sinnhaften Modelle der Transzendentalphilosophie widerlegen? Auch das nicht unmittelbar. Aber in Verlegenheit käme die Transzendentalphilosophie schon, wenn ihren Sinnbehauptungen der Augenschein direkt widerspräche. Da müsste sie eine Menge Dialektik aufbieten, um den schlechten Eindruck wieder zu zerstreuen. eshalb sage ich das an dieser Stelle? Weil aus der Sicht des Transzendentalphilosophen das bewusst-Sein kein Zustand ist, sondern ein Akt, durch den sich das Ich bewusst macht. 

Würde nun der Hirnforscher eine Stelle im Gehirn finden, wo das Bewusstsein "sitzt" und womöglich selbst im Schlaf noch blinzelt, oder eine Verschaltung mehrerer Zentren, die eine dauerhafte 'höhere Ebene' bildete - dann würde das noch nichts beweisen und die Befunden wären immer noch erst sinnhaft zu interpretieren; aber man müsste sich schon einiges einfallen lassen, um glaubhaft zu machen, dass 'der Augenschein trügt'.
 

PS. Und dies noch zum Libet -Experiment: Nach Libet beträgt der Intervall zwischen Eintreten der Hand- lungsbereitschaft und der Möglichkeit, ja oder nein dazu zu sagen, 0,2 Sekunden. Nach dem vorliegenden Test beträgt die Gesamtzeit der 'bewussten' Verarbeitung der vorangegangenen unbewussten Vorgänge 0,4 Sekun- den: doppelt so lang. Man könnte folgern, dass nach den ersten 0,2 Sekunden die Alternativen so klar und deutlich sind, dass sie 'repräsentiert' und mit Ja oder Nein beantwortet werden können; danach blieben 0,2 Sekunden fürs Überlegen.



Es ist zu begrüßen, dass durch solche Forschungen das "Bewusstsein" aus seinem metaphysischen Dunst her- ausgeholt wird. Bewusstsein ist kein Zustand, keine 'Schicht', keine Seinsweise, die 'es' auch dann gäbe, wenn ich nicht 'bei Bewusstsein' wäre. 'Es gibt' mein sein, und dabei bin ich mal bewusster, mal weniger bewusst, in zahllosen StufenEs ist zu begrüßen, dass durch solche Forschungen das "Bewusstsein" aus seinem metaphysi- schen Dunst herausgeholt wird. Bewusstsein ist kein Zustand, keine 'Schicht', keine Seinsweise, die 'es' auch dann gäbe, wenn ich nicht 'bei Bewusstsein' wäre. 'Es gibt' mein sein, und dabei bin ich mal bewusster, mal weniger bewusst, in zahllosen Stufen, oder richtiger: in stetem Gleiten. 'Stufen' unterscheiden 'sich' nicht in meinem Kopf, sondern allenfalls auf dem Schreibpapier der Forscher, oder richtiger: in stetem Gleiten. 'Stufen' unterscheiden 'sich' nicht in meinem Kopf, sondern allenfalls auf dem Schreibpapier der Forscher.  



Also nicht im Moment des Kontakts mit der Sinneszelle geschieht die Unterscheidung [zwischen 'der Speicherung wert' und 'der Speicherung nicht wert'], sondern erst auf dem Weg nach vorn in den Stirnbereich, wo die Aufmerk- samkeit sitzt. Als nächstes wüsste man gern: Wer macht die Unterscheidung - wer scheidet, und warum? Auf den ersten Blick möchte man meinen, es müsse mit der Aufmerksamkeit zu tun haben. Die Aufmerksamkeit verstärkt die Scheidung - oder besser gesagt: Sie ist die Scheidung. - Mit Wörtern kommt man offenbar nicht weiter. Was muss man sich vorstellen?



Die Conditio humana beruht auf diesem einen: Der Mensch muss urteilen. Urteilen heißt, über die Bedeutun- gen befinden. Einem Ding eine Bedeutung zuerkennen ist: urteilen, dass eines, das erscheint, einem unterliegt, das gilt. Geltung ist dasjenige 'an' den Erscheinungen, das zum Bestimmungsgrund für mein Handeln wird. Handeln und Urteilen sind Wechselbegriffe. Handeln heißt nicht bloß; etwas tun - das tut das Tier auch; sondern: einen Grund dafür haben. Der Mensch muss handeln und Der Mensch muss urteilen bedeuten dasselbe.  aus e. Notizbuch, 9. 9. 2003



Wie immer man Intelligenz definiert - die intellektiven, "durchblickenden" Fähigkeiten der Bienen und Hum- meln dürften in die Definition passen.

Aber philosophisch und gar transzendental philosophisch sind sie doch. In der Vernunftkritik ist stets ein- schränkend die Rede von unserer "endlichen"  Intelligenz - im Unterschied zu einer möglichen 'höheren', unendlichen Intelligenz (die nur die Intelligenz des Schöpfers sein könte, der selbst noch das Ding an sich durchschaut, weil er es ja erschaffen hat). 

Die auch nur hypothetische Annahme einer solchen höheren Intelligenz ist aber theoretisch gar nicht zulässig. Es bliebe der Reflexion also nur 'unsere endliche' Intelligenz ohne eine sie spezifizierenden Gegensatz. Da kommen Bienen und Hummeln gerade recht. Während man die intellektiven Fertigkeit der Säuge- tiere* noch weitgehend unter Bezug auf die menschlichen beschreiben kann, und zwar durch mehr oder we- niger, leben die Bienen (Insekten) "in einer anderen Welt", und das ist der springende Punkt: Die Intelli- genz ist, nach Form und Gehalt, eine andere, weil die Welt, der sie gilt, eine andere ist. Oder umgekehrt? Aber das wäre ja dasselbe. 

Eins bleibt aber übrig: Unsere Intelligenz entspricht nach Form und Gehalt unserer Welt, oder umgekehrt. Einen andern Gegensatz, der sie bestimmen könnte, braucht sie gar nicht.

*) Fledermäuse und Meeressäuger fielen schon ein bisschen aus dem Rahmen.



Was ist an der Studie interessant? - Will man wissen, was Bewusstsein ist, knipst man es am besten aus und sieht zu, was dann passiert.


Rationalistisch nennt man Theorien, die auf der Vorstellung beruhen, die Wirklichkeit sei nach denselben Regeln gestaltet wie das vernünftige Denken. Wie anders wäre denn zu verstehen, dass das vernünftige Denken die Wirklichkeit begreifen kann? Rational nennen wir das Denken, das sich in eindeutigen Zeichen darstellen lässt, die durch feste Verfahrensregeln operativ miteinander verknüpft sind. 

Ein solches Denken lässt sich digital darstellen. Sowohl die Begriffe als auch die Operationsregeln können durch digits repräsentiert werden. Trifft die rationalistische Prämisse zu, dann ist das Computermodell des Geistes richtig: denn unser wirkliches Denken ist Teil der Wirklichkeit, die sich nach der Voraussetzung digital erfassen lässt. Doch für die Annahme, die Wirklichkeit sei nach vernünftigen Regeln gestaltet, gibt es keinen Grund. Manch einer möchte es gerne glauben - mehr nicht. 


Vermuten ließe sich allenfalls, unser vernünftiges Denken habe sich im Lauf der Evolution so gut es eben ging den Gesetzen der Wirklichkeit angepasst. Das setzte aber voraus, dass in unsern denkenden Köpfen tatsächlich die Wirklichkeit vorkäme. 

Was in unsern Köpfen vorkommt, ist vielmehr das Bild, das wir uns aufgrund der Meldungen, die unsere Sinnesorgane an unser Gehirn senden, von der Wirklichkeit machen; selber machen. Wenn unsere Begriffe und Verfahrensregeln irgendetwas darstellen könnten, dann doch allenfalls die Bilder, die wir uns machen, und nicht die Art und Weise, wie wir sie machen! Und sogleich springt das Paradox ins Auge: Bilder in 'Begriffen' und 'Regeln'! Das ist wie Feuerwasser auf einem Grill.

Aber auch empirisch lässt sich beobachten, dass unser wirkliches Denken, nämlich Vorstellen durchaus nicht digital und algorithmisch vonstatten geht, sondern in wilden Kaskaden und Kapriolen. Und es geschieht nicht zuständlich, sondern in Spasmen.Das lässt sich feststellen bei ganz nüchternem Verstand, dafür braucht man keinen tiefenpsychologischen Schamanen und keinen begeisterten Sänger. Was die Logik und die Begriffe tun, ist ganz bescheiden dies: Sie bringen Ordnung in dieses Tohuwabohu, aber nicht, weil es selbst nach einer Ordnung ruft, sondern weil wir anders unsere Vorstellungen keinem andern mitteilen könnten - und nicht einma behalten, genau besehen. 
 

Doch was die Ordnung an Deutlichkeit in die Bilderwelt bringt, das scheidet sie an Farben und Formen aus. Die Begriffe mag man schärfen, so viel man will: Den Reichtum der Vorstellungen werden sie niemals fassen. Und da sind Kunst und Dichtung eher am Platz, da hat Gelernter Recht.



Damit er Annahmen über die psychischen Zustände Anderer machen kann, wird man ihm die möglichen psy- chischen Zustände ins Programm schreiben müssen. Darauf kann er dann re agieren. Wo und wie bekommt er dabei aber sich selbst in den Blick? Dazu müsste er mindestens dieses Programm selbst erarbeitet haben, indem er die möglichen psychischen Zustände selber erlebt hätte: Dann könnte er etwas 'wieder erkennen' und womög- lich 'sich' dahinter spüren. Ohne dies erkennt er nicht 'sich', sondern bloß - das Programm.



Was ist Moral, "wenn nicht eine aus der eigenen Geschichte angelernte Vorstellung?"

Uff. Nein, nicht Computer sind eine Gefahr, sondern die Leute, die sie bauen. Sie haben keinen andern Hori- zont als die technische Machbarkeit. Welche "Moral" kann man sich denn wohl aus seiner eigenen Geschichte anlernen? Eine Schaden-Nutzen-Rechnung, was andres kommt mir nicht in den Sinn. Und wenn man selbst das größte Glück der größten Zahl noch draufsattelt (im verbindlichen schulischen Ethik-Unterricht angelernt), wird doch bestenfalls eine soziale Klugheitslehre daraus, aber nie ein Unterscheid von gut und böse.

Und wisst ihr, warum? Weil Computer niemals Kinder waren und daher auch nicht wieder werden können. "Kindsein heißt, gut und böse unterscheiden können, ohne nachdenken zu müssen", sagt Erich Kästner. Und wer da nicht hindurchgegangen ist, der kann sich später auch an nichts erinnern. (Dem Herrn Dietrich von der TU Wien haben sie die Kindheit offenbar gestohlen, und die kann man sich nicht ergaukeln.)

Zum Unter scheiden von gut und böse muss man sich selber ent scheiden, das lässt sich nicht "anlernen".



Wenzels wie immer kluge Überlegungen erlaube ich mir zu ergänzen durch einen Gesichtspunkt, den ich selber entwickelt zu haben mich rühmen darf – die Unterscheidung zwischen ‘unserer’ Welt und  ‘meiner’ Welt.

Das Internet und alle materielle wie menschliche Hard- und Software, die daran hängen, entstammt nicht nur ‘unserer’ Welt – es wir dort auch bleiben. Es greift zwar tiefer als jedes andere Medium zuvor – sofern wir die Sprache selbst einmal ausnehmen – in ‘meine’ Welt hinein: weil es zwar der digitaler Technik entstammt, in der ‘unsere’ Welt womöglich ihren endgültigen Daseinsmodus gefunden hat; aber seine mächtigste Wirkung auf ‘analogem’ Weg erzielt – in der Macht der virtuellen Bilder! (Man möchte sagen, digitale Revolution und Iconic Turn sind Wechselbegriffe.) Die gehen tiefer und fester in ‘meine’ Welt ein, als es Begriffe und logisches Denken je vermocht haben. Aber Leben erhalten sie erst dort. Ihre Macht über mich ist die Macht meiner Einbildungskraft über sie. Und ob sie meine Einbildungskraft herausfordern und ihre Virtuosität ausbilden, oder ob sie sie überschwemmen und ersäufen, das… kommt ganz drauf an.

Die Einführung des ersten Digits ins Gemütsleben der Menschen, des gesprochenen Wortes, hat die ihre bildhafte Einbildungskraft nicht verödet, nein, ganz gewiss nicht. Auch nicht der Untergang Ende des mythologischen Zeitalters in der Verwissenschaftlichung der Welt (wie man das nannte). Sonst hätten sie die digitale Technologie ja nicht erfinden können.

Der Quell des tatsächlichen und produktiven Denkens ist das Sprudeln anschaulicher Bilder. Die Reflexion tritt hinzu und ‘macht was draus’, aber erfinden kann sie nichts. Die virtuellen Bilder können meine Einbildungskraft nur zupappen, wenn ihr zuvor im Korsett des diskursiven Regelmaßes die Luft genommen wurde. Wie und womit, und vor allem: von wem Kinder “beschult” werden – das spielt allerdings eine Rolle! Die Bildung sollte sich schon darauf besinnen, dass der Ursprung der Vernunft nicht logisch (‘digital’), sondern ästhetisch (‘analog’) ist. Wenn alles, was irgend digitalisierbar ist, erst seinen gehörigen Platz in den Diskursen gefunden haben wird, dann bekommt die Einbildungskraft wieder freies Spiel.




Die Hirnforscher haben keine Stelle im Gehirn auffinden können, die das Oberkommando führt, wo alle Informationsstränge zusammenlaufen und wo die Entscheidungen fallen. Ein Ich, von dem die Philosophie so viel Aufhebens macht, gäbe es daher gar nicht, war ihre Schlussfolgerung,

Und unser sogenanntes Bewusstsein sei nur ein evolutionär eingeübter Spiegelungseffekt ohne eine Spur von Freiheit. Und ist im Prinzip nichts anderes als was die Tiere auch haben, kann man hinzufügen. Plausibel, wenigstens auf den ersten Blick, wäre das aber nur, solange es sich um das schlichte Wissen von diesem oder von jenem handelt - so etwas haben die Tiere offenkundig ja auch. Aber was wir unser Bewusstsein nennen, ist ja das Wissen, dass wir wissen. Es ist die Fähigkeit der Reflexion oder, richtiger gesagt, die Unfähigkeit, nicht zu reflektieren. 

An der Stelle hatte sich Wolf Singer in seinen besseren Tagen schon früher die Zähne ausgebissen und entschuldigte sich mit einem verlegenen Hinweis auf die "Iteration", die rasche häufige Wiederholung Desselben, als ob die Vorstellung dabei quasi über ihre eigenen Füße stolperte und es irgendwie fertig- brächte, sich gegen sich selbst zurückzuwenden. 

Metakognition - das ist der springende Punkt in Sachen Ich, Bewusstsein und der Freiheit, nein zu sagen. Wenn seine Kollegen nun doch noch ein Areal, ein Zentrum im Gehirn lokalisiert haben, wo diese stattfindet, dann sind alle früheren Auseinandersetzung mit Singers Angriff auf die Willensfreiheit überflüssig geworden; wir haben ein Oberste Instanz, die indessen nicht Substanz ist (was die Kritische Philosophie stets heftig bestritten hat), sondern Funktion - die nur "ist", wenn und indem sie wirkt.




'Gedächtnis' hat nicht immer, wie das Wort vermuten lässt, mit Denken zu tun, und von 'erinnern' kann offenbar auch nicht stets die Rede sein. Gedächtnis macht die 'eine Hälfte' der Intelligenz oder des 'Bewusstseins' aus - aber es macht noch weit mehr aus! 

Das wissen wir alle: Man könnte nie Autofahren lernen, wenn man sich stets jedes Hand- oder Fußgriffs bewusst werden müsste. Die Bewegungsabläufe werden automatisiert und geschehen 'von allein'. Das Bewusstsein steht als Wächter immer nur im Hintergrund - um gegebenfalls nein sagen zu können. 'Bewusst' wird mir mein mehr oder minder automatisiertes Tun erst durch die Reflexion - die Frage Soll ich oder soll ich nicht? Reflektiert habe ich auch, wenn ich darauf verzichte, nein zu sagen; von 'unbewusst' mag man reden, wenn ich gar nicht erst gefragt habe.

Da handelt es sich nicht um Schichten, Ebenen, Zustände, Register, sondern alles konstelliert sich in jedem Moment neu. Reflektieren geschieht immer hier und jetzt.  


Dem Bewusstsein auf der Spur.
Gehirn
aus scinexx

Blick ins bewusstlose Gehirn 
Aktivitätsmuster ermöglichen Unterscheidung zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit

Wach oder bewusstlos? Dies sicher festzustellen, ist schwieriger als man meinen könnte. Nun haben Forscher jedoch Gehirnmuster identifiziert, die für Menschen mit und ohne Bewusstsein charakteristisch sind. Demnach unterscheidet sich die Aktivität und Verknüpfung einzelner Hirnregionen bei diesen beiden Zuständen deutlich. Die nun identifizierten Muster könnten daher in Zukunft als eine Art Fingerabdruck fungieren, um zu erkennen, ob beispielsweise Patienten mit Hirnverletzungen noch bei Bewusstsein sind oder nicht.

Jeden Tag aufs Neue gleiten wir in einen Zustand der Bewusstlosigkeit: Wir schlafen – und bekommen dann nichts mehr von unserer Umgebung mit. Doch nicht nur der Schlaf kann uns das Bewusstsein rauben. Etwas ganz Ähnliches passiert, wenn wir Narkosemittel verabreicht bekommen oder eine schwere Hirnverletzung erleiden.



Gerade in einer solchen Situation ist es häufig allerdings schwierig zu beurteilen, ob ein Patient wirklich vollständig bewusstlos ist, oder doch noch etwas von seiner Umwelt wahrnimmt. So gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle, bei denen Menschen bei vollem Bewusstsein in ihrem Körper gefangen waren – von Außenstehenden aber für bewusstlos gehalten wurden.

Fahndung nach eindeutigen Signalen

Wie also lässt sich verlässlich zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit unterscheiden? Athena Demertzi von der Universität Lüttich und ihre Kollegen haben sich nun auf die Suche nach eindeutigen Signalen im Gehirn gemacht: Sie verglichen die Hirnaktivität von gesunden Menschen, narkotisierten Personen und Patienten im Wachkoma – von Forschern auch „Syndrom reaktionsloser Wachheit“ genannt.

Konkret untersuchten sie das Gehirn der insgesamt 159 Probanden mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Auf diese Weise konnten sie die Aktivität von 42 Schlüsselregionen im Gehirn nachvollziehen, die Teil von sechs Netzwerken sind, die eine wichtige Rolle für die Kognition spielen. Insbesondere interessierte das Wissenschaftlerteam dabei, wie stark die einzelnen Bereiche vernetzt waren und miteinander kommunizierten.


Hirnmuster
Aktivitätsmuster bei Bewusstsein und Bewusstlosigkeit 

Charakteristische Muster 

Bei der Analyse der Hirnaktivität zeichnete sich ab: Offenbar gibt es vier charakteristische Aktivitätsmuster, die immer wieder auftauchen und sich teils deutlich voneinander unterscheiden. Vor allem Muster 1 und Muster 4 schienen dabei aufschlussreich zu sein, wie Lüttich und ihre Kollegen berichten.

So tauchte Muster 1 am häufigsten bei Personen auf, die gesund und bei vollem Bewusstsein waren. Zwar waren bei ihnen von Zeit zu Zeit auch andere Muster zu sehen – doch ihr Gehirn kehrte immer wieder und über lange Zeiträume in diesen einen Zustand zurück. In diesem Modus kommunizierten einzelne Hirnbereiche dynamisch und auch über größere Distanzen miteinander und es waren komplexe Verknüpfungsmuster zu erkennen.

Weniger komplex und flexibel

Bei den nicht reagierenden Wachkoma-Patienten zeigte sich den Forschern zufolge dagegen ein anderes Bild: Das für sie typische Muster 4 zeichnete sich dadurch aus, dass zwischen den einzelnen Hirnbereichen nur eine geringe funktionelle Verkopplung bestand. Zudem blieb ihr Gehirn in der Regel in diesem Zustand und wechselte anders als das bewusste Gehirn nicht oder nur sehr selten zu anderen Hirnkonfigurationen. Kurzum: Es schien weniger flexibel zu sein.
Narkotisierte Probanden fielen ebenfalls häufiger in dieses weniger komplexe Aktivitätsmuster. Dies untermauere seine Bedeutung für die Bewusstlosigkeit, schreiben Demertzi und ihre Kollegen. Umgekehrt zeigten weitere Experimente, dass Muster 1 auch bei nur scheinbar bewusstlosen Patienten auftaucht, die nicht kommunizieren können, aber sehr wohl etwas von ihrer Umwelt mitbekommen. Lösten diese Personen mentale Aufgaben, fiel ihr Gehirn ebenfalls in diesen charakteristischen Modus.

Wie ein Fingerabdruck

Die Wissenschaftler hoffen nun, dass ihre Ergebnisse in Zukunft dazu beitragen, eindeutige Biomarker zu identifizieren, die die Unterscheidung zwischen bewusst und unbewusst ermöglichen. „Unsere Studie zeigt, dass Bewusstsein eng mit der Fähigkeit des Gehirns verknüpft ist, eine reiche Dynamik aufrechtzuerhalten. Zudem könnte sie den Weg ebnen, spezifische und allgemein gültige Fingerabdrücke bewusster und unbewusster Zustände zu identifizieren“, schreiben sie. (Science Advances, 2019; doi: 10.1126/sciadv.aat7603)

Quelle: AAAS




Nota. - Dass das Gehirn wie jeder Muskel unterschiedliche Aktivitätsgrade aufweist, versteht sich von selbst. Dass es dabei nicht nur quantiativ, sondern auch qualitativ unterschiedliche Aufgabe bewältigt, liegt angesichts seiner eigenen Komplexität nahe. Da wir es da mit Denken zu tun haben, wundert es nicht, dass die Menschheit hier ihr Fine fleur erkennt.

Das wäre alles kein Problem, wenn nicht die Philosophen seit gut zweihundert Jahren von dem Bewusstsein soviel Aufhebens gemacht hätten. Sie meinten damit nicht diesen oder jenen Aktivitätsgrad des Denkorgans, sondern eine besondere Qualität, eine Substanz, die im Hirn zwar gegebenenfalls Unterkunft findet, an sich aber geistiger Natur, und daher nicht messbar ist. 

In der Hirnforschung ist diese Vorstellung unbrauchbar. Doch in der Philosophie leider auch.
JE

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