Geheimnis des Quantensprungs gelüftet?
Mit
einem ausgeklügelten Experiment nähern sich Physiker einem 100 Jahre
alten Rätsel: Was passiert vor einem Quantensprung? Und lässt sich
dieser wirklich nicht stoppen?
von Robert Gast
Der Quantensprung ist ein ewiges Missverständnis: Immer wieder taucht er in den Reden von Politikern und Unternehmern auf und dient dort als Metapher für eine gewaltige Veränderung. Physiker zucken in solchen Situationen für gewöhnlich zusammen, denn Quantensprünge sind eigentlich bloß winzige Hüpfer von Elektronen zwischen verschiedenen Schalen eines Atoms.
Besonders an ihnen sind drei Dinge: Erstens sind die Sprünge nur zwischen bestimmten Energieniveaus möglich. Zweitens scheinen die Hüpfer zufällig zu erfolgen. Und drittens kann man die Elektronen während des Kunststücks nicht beobachten oder beeinflussen. So sah es zumindest der berühmte Physiker Niels Bohr, der sich das Konzept 1913 ausdachte.
Doch dieses traditionelle Bild könnte nicht ganz stimmen, berichtet nun ein Team um Zlatko Minev von der Yale University im Fachmagazin »Nature«. Den Forschern zufolge könnte es einerseits Indizien geben, dass ein Quantensprung unmittelbar bevorsteht. Andererseits lasse sich dieser sogar stoppen, wenn man genau zur richtigen Zeit einschreitet.
Diese Erkenntnisse ziehen die Physiker aus einem ausgeklügelten Experiment, das sie in einem supraleitenden Schaltkreis durchgeführt haben. In diesem gibt es drei Energieniveaus, zwischen denen ein künstliches Atom hin- und herwechseln kann. Zwei davon sollen das Grundniveau und einen angeregten Zustand in einem gewöhnlichen Atom repräsentieren. Das dritte Level in dem Schaltkreis dient zur Kontrolle.
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In ihrem Versuch feuerten die Forscher einen Strahl aus
Mikrowellen in den Schaltkreis, worauf das System zunächst schnell
zwischen dem Grundzustand und dem Kontrollzustand hin- und hersprang.
Über eine an den Kontrollzustand angeschlossene Leitung gab es bei jedem
dieser Sprünge ein kleines Energiepäckchen ab, was zu einem stetig
oszillierenden Signal in dem angeschlossenen Messgerät führte.
Hin
und wieder absorbierte das künstliche Atom jedoch eine Mikrowelle mit
anderer Energie, wodurch es in den dritten Zustand des Systems springen
konnte, der für längere Zeit Bestand hatte. In diesem Fall schlug das an
den Kontrollzustand angeschlossene Messgerät nicht aus.
Zur Überraschung der Forscher blieb der Kanal jedoch bereits in den Mikrosekunden vor dem Sprung stumm. Das Team um Minev interpretiert dies so, dass sich das Versuchsatom gewissermaßen auf den anstehenden Hüpfer vorbereitet. Der Gruppe will es anschließend sogar gelungen sein, einen bereits begonnenen Quantensprung umzukehren: Wenn sie genau zum richtigen Zeitpunkt ein elektrisches Signal in den Schaltkreis einspeisten, machte das System kurzerhand kehrt und fiel in den Grundzustand zurück.
Noch muss sich zeigen, ob die Arbeit und ihre spektakuläre Interpretation dauerhaft Bestand haben wird. Sie wurde zwar von Gutachtern geprüft. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Quantenphysiker den Aufsatz in den kommenden Wochen und Monaten kontrovers diskutieren werden.
Nota. - Sensation machte der Quantensprung seinerzeit, weil er das Kausalitätsgesetz durchbrach: Er schien zufällig stattzufinden, ohne 'hinreichenden Grund'. Wenn das Prinzip von Ursache und Wirkung schon ganz unten in der physischen Welt ausfiel - wie dürfte man glauben, dass es weiter oben im Rest der Wirklich- keit wieder zuträfe?
Sollte es nun so sein, dass sich ein vorbereitender Zustand vor dem Quantensprung beobachten lässt, dann wäre der Quantensprung selbst nicht mehr 'zufällig', sondern sachlich bedingt.
Wie 'notwendig' allerdings der vorbreitende Zustand war, ist die nächste Frage. Wurde er von außen indu- ziert, kann man ihn jedenfalls nicht 'der Natur' anlasten.
JE
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