Donnerstag, 22. Januar 2015

Weniger ackern!

Eine tiefe Bearbeitung schadet dem Bodenleben.
aus nzz.ch, 22.1.2015, 05:30 Uhr                                                                 Eine tiefe Bearbeitung schadet dem Bodenleben

Pflügen oder nicht?
Die unscheinbaren Helfer im Untergrund

von Lukas Denzler

Weniger Bodenbearbeitung im Ackerbau schont die Böden und fördert die Bodenlebewesen. Das zahlt sich offenbar aus – ökonomisch wie ökologisch.

Ein biologisch aktiver Boden ist voller Leben: Bakterien, Pilze, Regenwürmer, Milben, Springschwänze, Asseln, Spinnen und Insekten tummeln sich darin – und sie zu pflegen und zu fördern, zahlt sich für die Landwirte offenbar messbar aus.

Hinweise hierauf ergab ein über zwei Jahre angelegter Versuch, dessen Ergebnisse Wissenschafter vom Agroscope-Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften in Zürich Reckenholz kürzlich veröffentlicht haben. Sie zeigen das grosse Potenzial der Bodenlebewesen deutlich auf.

Weideboden im Labor

Um die Effekte der Bodenlebewesen quantifizieren zu können, verfrachteten Marcel van der Heijden und Franz Bender von Agroscope sechs Kubikmeter Boden von einer Weide in eine sogenannte Lysimeter-Versuchsanlage. Sie bestand aus 16 zylinderförmigen Behältern von je 60 Zentimeter Durchmesser. Die Forscher sterilisierten die Proben und versetzten eine Hälfte dann mit einer hohen, die andere mit einer reduzierten Vielfalt an Bodenlebewesen. Zu den beigegebenen Organismen zählten auch die für die Pflanzenernährung wichtigen Mykorrhizapilze. Anschliessend pflanzten die Forscher zuerst Mais, dann eine Grasmischung und im zweiten Jahr erst Weizen und schliesslich eine Klee-Gras-Mischung in den Behältern an. Regen lieferte Feuchtigkeit. Das Bodenwasser, das durch die Lysimeter-Behälter sickerte, wurde in Kanistern gesammelt und ausgewertet.

Wie sich zeigte, waren Ertrag und Stickstoffgehalt der Maispflanzen in den Behältern mit der grösseren Vielfalt an Bodenlebewesen um einen Fünftel höher als in jenen mit dem geringeren Bodenleben. Der Gehalt an Phosphor erreichte sogar das Doppelte. Beim Weizen waren die Ergebnisse ähnlich. Daran dürften die Mykorrhizapilze grossen Anteil haben: Dass sie die Aufnahme von Phosphor erleichtern, ist bekannt. Man habe denn auch einen klaren Zusammenhang zwischen den Pilzen und dem Phosphorgehalt der Pflanzen zeigen können, sagt Bender. Eine Überraschung stellte jedoch die Auswaschung von Stickstoff dar. Beim Mais sei im ersten Jahr der Stickstoffverlust bei den angereicherten Proben um über die Hälfte geringer ausgefallen als bei denjenigen mit der reduzierten Vielfalt, erläutert Bender. Beim Phosphor, der besser an Bodenpartikeln haftet als Stickstoff, waren die Effekte bei der Auswaschung hingegen geringer.

Über den gesamten Versuch hinweg waren die Stickstoffverluste in den Proben mit der höheren Vielfalt an Bodenlebewesen um knapp einen Viertel geringer als in den Vergleichsproben. Dies entspricht 59 Kilogramm Stickstoff pro Hektare, also rund der Hälfte einer jährlichen Düngergabe bei Mais und Weizen. Für Landwirtschaft und Umwelt ist dies sehr relevant. Laut Schätzungen wird im globalen Durchschnitt nämlich nur rund die Hälfte des ausgebrachten Stickstoffdüngers von den Pflanzen aufgenommen. Der Rest gelangt entweder in die Atmosphäre und heizt das Klima an oder verbleibt im Boden und landet dann oft in den Gewässern – mit den seit langem bekannten negativen Folgen für die Umwelt. Nehmen die Pflanzen aufgrund einer gesunden Vielfalt an Bodenlebewesen mehr Stickstoff und Phosphor auf, so können diese Elemente nicht ausgewaschen werden.

Die Ergebnisse ihrer Studie seien allerdings nicht direkt in die Praxis übertragbar, sagt van der Heijden. Um reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten, hat man die Versuche in der Lysimeter-Anlage unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt. Untersuchungen unter Feldbedingungen müssten daher folgen. Es gehe dabei darum, das System des Ackerbaus nachhaltiger zu gestalten und die Nährstoffkreisläufe möglichst zu schliessen. Somit sind Anbaumethoden gefragt, die den Bodenlebewesen behagen und diese fördern.

Neben einer guten Fruchtfolge gehören dazu eine bodenschonende Bearbeitung der Äcker – im Fachjargon als reduzierte Bodenbearbeitung bezeichnet – oder gar ein Verzicht auf den Pflug (sogenannte No-Till-Verfahren). Die mechanische Belastung durch das Pflügen schadet nämlich den Regenwürmern und zerstört die fadenähnlichen Hyphen der Pilze. Doch in der Realität sei das gar nicht so einfach, erklärt van der Heijden. Denn ein regelmässiges Pflügen reduziere eben auch die unerwünschten Unkräuter. Aus diesem Grund werde gerade im Biolandbau, der ohne Herbizide auskommen müsse, fleissig gepflügt.

Dass die Unkrautkontrolle im Biolandbau eine Herausforderung darstellt, bestätigt Paul Mäder vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Mit seinem Team untersuchte er in einem Versuch die Ertrags- und Unkrautentwicklung bei biologisch bearbeiteten Parzellen, von denen einige konventionell und andere nur reduziert gepflügt wurden. Auf Letzteren habe man 2,3-mal mehr Unkräuter gehabt, sagt Mäder. Eine Zunahme über die Zeit sei aber nicht aufgetreten. Bei den Erträgen allerdings war im Schnitt kein Unterschied feststellbar, da die Vorteile der reduzierten Bearbeitung – wie die verbesserte Wasserspeicherkapazität – die Konkurrenz durch das Unkraut kompensierten.

Schwierige Wurzelunkräuter

Problematisch sind nicht die Sommerunkräuter auf dem Feld, denn diese lassen sich durch traktorengezogene mechanische Hacken relativ einfach in Schach halten. Kopfzerbrechen bereiten vor allem sogenannte Wurzelunkräuter wie Blacken, Disteln, Quecken und Winden. Laut Mäder besteht hier noch Forschungsbedarf. Wichtig ist zudem eine Gründüngung zwischen dem Anbau der Kulturpflanzen. So vermögen zum Beispiel Erdklee oder Wicken dank Wurzelknöllchen nicht nur Luftstickstoff zu binden, der dann für das Pflanzenwachstum zur Verfügung steht, sondern sie unterdrücken auch Unkräuter.

Von einer reduzierten Bodenbearbeitung profitieren auch die Regenwürmer. Diese schaffen Hohlräume und durchmischen den Boden – sie wirken quasi wie ein «biologischer» Pflug. Dadurch sickert Regenwasser besser in den Boden ein, und die Erosion wird reduziert. Zudem erzeugen sie Humus, durch den der Boden grössere Mengen Wasser speichern kann, das dann den Pflanzen zur Verfügung steht – ein Vorteil bei Trockenheit. Die Energiebilanz spricht ebenfalls für die reduzierte Bodenbearbeitung. Zur Unkrautkontrolle seien zwar eine bis zwei Traktorfahrten mehr nötig als bei der konventionellen Bodenbearbeitung, sagt Mäder. Doch die Bilanz falle insgesamt klar positiv aus, weil das tiefe Pflügen enorm viel Treibstoff benötige.

In der Schweiz verzichten bis jetzt lediglich etwa fünf Prozent der Bauern ganz auf den Pflug. Sie setzen aber fast ausnahmslos Herbizide ein. Zunehmend interessieren sich aber auch die Biobauern für Alternativen zum tiefen Pflügen.Seit diesem Jahr fördert der Bund eine reduzierte Bodenbearbeitung zudem im Rahmen der Direktzahlungen durch sogenannte Ressourceneffizienzbeiträge.Verzichtet ein Bauer auch noch auf Herbizide, wird dies zusätzlich honoriert.

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