Freitag, 9. Januar 2015

Sehen, bevor es was zu sehen gibt.

aus Die Presse, Wien, 10. 1. 2015

Gehirnentwicklung beim Fötus 
Forscher der Med–Uni Wien zeigten, dass das Sehzentrum im Gehirn schon beim Fötus aktiv ist, obwohl dieser noch gar nichts sieht.

Neugeborene müssen die „Verarbeitung“ des Gesehenen erst erlernen. Außerdem sehen sie zu Beginn noch sehr verschwommen und nur in einem Abstand von 20 bis 25 Zentimetern scharf. Dennoch beginnt das für das Sehen zuständige Gehirnareal bereits ab der 30. Schwangerschaftswoche im Fötus zu arbeiten. Das konnten Forscher des Computational Imaging Research Lab der Med-Uni Wien unter der Leitung von Veronika Schöpf und Georg Langs erstmals nachweisen. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten sie kürzlich im Fachjournal „Frontiers in Human Neuroscience“.

Die Netzwerke, die nach der Geburt für das Sehen zuständig sind, werden vom Ungeborenen bereits zu einem Entwicklungszeitpunkt genutzt, in dem der Fötus noch gar nichts sehen kann. Untersucht wurde der Zusammenhang von Augenbewegungen des Fötus mit den Gehirnaktivitäten. Dazu wurde bei schwangeren Frauen eine Magnetresonanztomografie durchgeführt, die eine In-vivo-Beobachtung der Ungeborenen erlaubt. Eine Hürde für die Berechnung der Ergebnisse waren die Bewegungen der Föten, die herausgerechnet werden mussten. 


Fazit: Zwischen der 30. und 36. Schwangerschaftswoche verknüpfen sich motorische Sehbewegungen mit den für die Verarbeitung der optischen Signale verantwortlichen Hirnregionen. „Der Zusammenhang zwischen Augenbewegungen und den zuständigen Gehirnarealen konnte somit erstmals in utero gezeigt werden“, erklärt Veronika Schöpf. Nach der Geburt werden die Netzwerke ausgebaut und verzweigt.

Die Entwicklung der funktionellen Netzwerke folgt dabei der evolutiven Entwicklung. Primäre Regionen, die für die basalen Grundlagen des Lebens wie das Sehen arbeiten und die bereits bei den Affen zu finden sind, werden früher in der Individualentwicklung ausgebaut als sekundäre Regionen, die evolutiv erst später ausgebildet wurden wie etwa das logische Denken. Die primären Bereiche sind bei den einzelnen Menschen sehr ähnlich aufgebaut, während die jüngeren Regionen der Individuen sehr variabel gestaltet sind.

In einer anderen Studie zur Gehirnentwicklung im Mutterleib unter der Leitung von Andras Jakab stellten die Forscher fest, dass insbesondere in der Mitte der Schwangerschaft die „Architektur“ des Gehirns entwickelt wird. Vor allem zwischen der 26. und 29. Woche werden kurze neuronale Verbindungen gebildet. Langstreckenverbindungen wachsen hingegen während der Schwangerschaft kontinuierlich. 
(pp)



Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.

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