von Philipp Hummel
Warum man auf der Erde noch nie von Ausserirdischen Notiz genommen habe, fragte sich der Physiker Enrico Fermi schon 1950. In Anbetracht der unfassbaren Grösse des Weltalls und dessen Alter von 13,8 Milliarden Jahren müsste das Leben doch Raum und Zeit genug gehabt haben, um sich auch woanders zu entwickeln, argumentierte Fermi. Verschiedene Theorien haben seither versucht, dieses «Fermi-Parado- xon» genannte Rätsel aufzulösen. Eine davon hat nun wissenschaftlichen Auftrieb bekommen. Die beiden Astrophysiker Tsvi Piran von der Hebrew University in Jerusalem und Raul Jimenez von der Universität Barcelona begründen das Fehlen von Ausserirdischen mit starken Gammastrahlenausbrüchen, die die Entwicklung von Leben im All bedrohen
Reset-Knopf für Lebewesen
So treten diese ungeheuren Blitze elektromagnetischer Strahlung so häufig auf, dass sie die Entwicklung komplexer Organismen beinahe unmöglich machen. Sie zerstörten die Ozonschicht von Planeten und setzten Lebewesen gefährlicher UV-Strahlung aus, schreiben die Autoren. Die Entwicklung von höherer Intelligenz, wie wir sie auf der Erde kennen, würde dadurch äusserst unwahrscheinlich.
Gammastrahlenausbrüche (oder kurz Gammablitze) gehören zu den energiereichsten bekannten Phänomenen. Im Verlauf einiger Sekunden bis Minuten entsenden sie so viel Strahlung ins All wie unsere Sonne während ihrer gesamten, mehrere Milliarden Jahre dauernden Existenz. Die Ursache der Gammablitze ist noch nicht einwandfrei geklärt. Man vermutet, dass die Verschmelzung Schwarzer Löcher oder Neutronensterne oder der Kollaps besonders massiver Sterne dahintersteckt.
Für ihre Studie zogen Piran und Jimenez die Leuchtkraft und die Häufigkeit solcher Gammablitze heran, wobei Letztere von der «Metallizität» (das heisst, der Häufigkeit chemischer Elemente, die schwerer sind als Helium) der jeweiligen Galaxie abhängt. Daraus berechneten die Forscher die Wahrscheinlichkeit für die Auslöschung des Lebens an einem beliebigen Ort im Universum.
Sie fanden heraus, dass unsere Erde im Lauf ihrer 4,6 Milliarden Jahre langen Geschichte mit mehr als 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit von einem Gammablitz getroffen werden müsste. Noch dazu bezieht sich diese Berechnung auf den heutigen Zustand des Universums – vor etwa 5 Milliarden Jahren waren Gammablitze noch so häufig, dass sie nirgends im Universum die Entstehung von komplexem Leben zugelassen hätten. Aber auch heute noch könne sich nur in einer von zehn Galaxien Leben ausreichend lange ungestört entwickeln.
Reichen 10 Prozent?
Seth Shostak, der als leitender Astronom am Seti Institute in Kalifornien selbst nach ausserirdischer Intelligenz sucht, sieht diese Ergebnisse kritisch. Selbst wenn die Berechnungen stimmten, verblieben bei 10 Prozent lebensfreundlicher Galaxien immer noch etwa 100 Milliarden Planetensysteme, die «gut genug» seien, um Leben entwickeln zu können, so Shostak.
Piran räumt ein, dass er und Jimenez sich auf die Entwicklung komplexen und intelligenten Lebens beschränkt hätten. Es sei beinahe sicher, dass Bakterien und andere niedere Lebensformen einen Gammablitz überstehen könnten. Für höheres Leben hingegen sei ein heftiger Strahlungsausbruch, als würde man einen Reset-Knopf drücken.
1 Physical Review Letters 113, 231102 (2014).
Nota. - Der gesunde Menschenverstand sagt: Die Entstehung des Lebens auf der Erde ist durch so viele ganz unwahrscheinliche Zufälle - womöglich durch Niederschläge aus dem All - möglich geworden, dass man es aus mathematischer Sicht ganz dicht an der Grenze zum Unmöglichen ansiedeln müsste. (Weiter kann die Mathematik nicht gehen.)
Und er sagt: Die Anzahl der Himmelskörper ist so unermesslich groß, dass es an ein Wunder grenzte, wenn das Leben - oder wenigstens seine Voraussetzungen - nicht wenigstens an einem zweiten Ort im Universum entstanden wäre.
Der gesunde Menschenverstand - das, was sich ein normal begabtes Exemplar von Homo sapiens vorstellen kann - hat sich einige Milliarden Jahre lang durch Selektion und Anpassung auf einer Erde entwickelt, wo es drei Dimensionen gibt und den Raum und die Zeit, wo tags die Sonne scheint und nachts nicht, wo es eine Schwerkraft gibt und oben und unten; und eine Ozonschicht und eine Atmosphäre. Das sind alles Voraussetzungen, von denen er in seinen Vorstellungen nicht abstrahieren kann. In seinem begrifflichen Denken kann er über lange Strecken so tun, als ob (und so reden wir unbefangen über Unend- lichkeit). Aber letzten Endes hängen die Begriffe doch an evolutionär selbstverständlich gewordenen Vorstellungen, und im äußersten Fall ergeben sie Paradoxien, die alle Vorstellungskraft überschreiten (- fast immer, wenn mann mit der Unendlichkeit operiert.)
JE
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