Dienstag, 9. Dezember 2014

Hinter die Welt, bis ans Ende der Zeit.

aus derStandard, 7. Dezember 2014, 18:00

Das große Knirschen zwischen Urknall und Urknall
Das Ende der Zeit aus physikalischer Sicht

von Tanja Traxler

Am Anfang war der Urknall. Darüber, wie das Universum und damit die Zeit ihren Anfang genommen haben, gibt es in der Wissenschaft mit der Big-Bang-Theorie eine recht unwidersprochene Ansicht. Wie die Zeit möglicherweise zu Ende geht, ist dagegen umstritten.

Mindestens sieben Thesen versuchen, den Untergang des Universums physikalisch zu fassen. Und die klingen alle ziemlich groß: Big Crunch, Big Whimper, Big Rip, Big Freeze, Big Brake, Big Lurch und Big Bounce.

All diese Theorien haben viel mit dem Urknall zu tun: dass sich das Universum seit dem Big Bang ausdehnt - und zwar mit wachsender Geschwindigkeit -, scheint durch Messungen kosmischer Strahlung gesichert. 2011 wurde dafür der Nobelpreis für Physik vergeben. Der Schwung des Urknalls treibt das Universum also auseinander. Die Schwerkraft, die auf die Materie wirkt, hält es aber zusammen - je nachdem, welche dieser Kräfte als die stärkere hervorgeht, entscheidet, wie sich das Universum entwickelt und ob und wie die Zeit zu Ende geht.

Glaubt man der Relativitätstheorie, siegt die Schwerkraft und hält das Universum schließlich davon ab, sich weiter auszudehnen. Die Zeit endet dann in sogenannten Singularitäten. Das sind Momente, in denen die Materie das Zentrum eines Schwarzen Loches erreicht oder das Universum in einem Big Crunch kollabiert.

Beliebtes Wimmern

Diese Theorie des großen "Knirschens" verliert aber zunehmend an Anhängern. Jochen Schieck, Direktor des ÖAW-Instituts für Hochenergiephysik, geht davon aus, dass die sogenannte Dunkle Energie eine entscheidende Rolle spielen könnte. Es handelt sich dabei um eine hypothetische Form der Energie, mit der die beschleunigte Ausdehnung des Universums erklärt werden soll.

Auf die Hypothese der Dunklen Energie gestützt, herrscht momentan unter Physikern die Meinung vor, dass sich das Universum weiter ausdehnt - vorerst zumindest.

Der Untergang mit den meisten Anhängern ist derzeit wohl Big Whimper. In diesem "Großen Wimmern" stirbt das Universum einen Kältetod: In seiner ständigen Ausdehnung verliert es zunehmend Energie. Was bleibt, klingt ernüchternd: Schwarze Löcher, Kälte und Dunkelheit. Dabei gibt es kein scharfes Ende der Zeit, aber sie wird zunehmend bedeutungslos - das Universum verändert sich derart, dass eine Definition von Zeit nicht mehr sinnvoll möglich ist.

Am Ende fliegen die Fetzen

Spektakulärer ist der Big Rip: Das Universum dehnt sich weiter aus und reißt sich schließlich selbst in Stücke. Selbst Atome werden dabei zerfetzt, und so hört auch die Zeit auf - in schätzungsweise 20 Milliarden Jahren.

Wesentlich früher könnte uns allerdings der Big Lurch bevorstehen: Schon in neun Millionen Jahren könnte sich die Materie in einem enormen "Taumel" verlieren, der möglicherweise auch das Ende der Zeit bedeutet.

Eine gemäßigtere Form des Untergangs ist der Big Freeze. Dabei füllt sich das Universum mit einer Phantomenergie und erreicht unendliche Dichte, auch wenn es nur endlich ausgedehnt ist. Die zurückbleibende Materie steckt fest und die Zeit steht still.

Zum Stillstand kommt es auch im Big Brake: Die Dunkle Energie könnte aufhören, das Universum in seiner Ausdehnung anzutreiben, sondern es im Gegenteil abbremsen. Obwohl dabei einige physikalische Größen erhalten bleiben könnten, hätte das "Große Bremsen" "unglückliche Konsequenzen für die Zeit", schreibt der Wissenschaftsredakteur George Musser in seinem 2010 im Scientific American erschienenen Artikel "Could Time End?".

Statt eines natürlichen Todes könnte unser Universum auch einem Unfall zum Opfer fallen, wenn sich Paul Steinhardts Modell eines "ekpyrotischen Universums" bewahrheitet: Was wir als Urknall deuten, war demnach eine Kollision mit einem Nachbaruniversum - und Derartiges könnte sich demnächst wiederholen.

Eine gewisse Hoffnung im Moment der Apokalypse verheißt der Big Bounce. Sobald das Universum eine finale Ausdehnung erreicht hat, könnte die Schwerkraft überhandnehmen und dazu führen, dass sich das Universum wieder zusammenzieht - bis zum nächsten Urknall. 

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