Sonntag, 27. Oktober 2013

Wo die Reflexion sitzt.

aus derStandard.at, 26. Oktober 2013, 18:00                                           Peter Smola  / pixelio.de


Gehirnareale für die Selbstbeobachtung lokalisiert
Wahrnehmungs- und Erinnerungsreflexion sind zwei getrennte Fähigkeiten

Leipzig/Wien - Menschen können nicht nur Dinge wahrnehmen und Erfahrungen sammeln, sondern diese Wahrnehmung und Erinnerung auch reflektieren und beobachten. Diese allgemeine Fähigkeit zur Selbstbeobachtung (Metakognition) ist im Gehirn an den sogenannten anterioren präfrontalen Kortex (aPFC) geknüpft. Bisher war aber unklar, ob es sich hierbei um eine einzige oder zwei getrennte Fähigkeiten handelt.

Nun konnte ein Forschungsteam um Daniel Margulies vom Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI) die Gehirnareale für Wahrnehmungs- und Erinnerungsreflexion lokalisieren und damit zeigen, dass es sich bei den beiden Arten der Metakognition um zwei getrennte Fähigkeiten handelt. Die Forschungsergebnisse wurden im "Journal of Neuroscience" veröffentlicht.

Arten der Metakognition

Die Fähigkeit, eigene Gedanken, Meinungen und Erinnerungen zu reflektieren – sich quasi selbst zu beobachten –, lässt sich in verschiedene Kategorien einteilen. Eine Art der Metakognition ist beispielsweise das Nachdenken über die eigene Wahrnehmung. Diese kommt dann zum Einsatz, wenn wir Wahrnehmungen aus unserer Umgebung, die wir zum Beispiel beim Spaziergang machen, einschätzen. Eine andere Art ist die Reflexion unserer Erinnerung, die dann aktiv wird, wenn wir unsere Erinnerung bewerten. Bevor ich beispielsweise zum Telefonhörer greife, frage ich mich, ob ich die Telefonnummer auswendig weiß.

Der aPFC mit den lokalisierten Gebieten für Erinnerungs- und Wahrnehmungsreflexion

Die damit verknüpfte Gehirnregion an der Stirnseite ist "ein ungefähr kreditkartengroßer Bereich", sagte Daniel Margulies, Forschungsgruppenleiter am MPI. "Es gab bisher vielfältige Hinweise darauf, dass dieser Gehirnabschnitt wesentlich die Selbstbeobachtung unterstützt." Das Forschungsteam untersuchte an Probanden mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), ob der aPFC ein homogener Bereich ist, der ganz allgemein die metakognitiven Prozesse unterstützt, oder ob er sich in einzelne Gebiete unterteilen lässt, die bestimmten Arten der Metakognition zuordenbar sind.

Ergebnis: Unterschiedliche Bereiche

Die Forscher fanden heraus, dass beide Fähigkeiten nicht nur getrennt voneinander ablaufen, sondern auch von verschiedenen Netzwerken innerhalb des aPFC unterstützt werden: "Wir konnten zeigen, dass die Fähigkeiten, eigene Wahrnehmungen genau einzuschätzen und eigene Erinnerungen genau zu reflektieren, nicht miteinander korrelierten, sondern eigenständige Anlagen der Selbstbeobachtung sind", sagte Margulies – und fügte hinzu: "Wir hätten eigentlich eine Korrelation erwartet, das Ergebnis war für uns überraschend."


Abstract
Journal of Neuroscience: Medial and Lateral Networks in Anterior Prefrontal Cortex Support Metacognitive Ability for Memory and Perception


Nota.

Zu bedenken: Bei der Reflexion der eigenen Erinnerung handelt es sich um eine Metarepräsentation zweiten Grades: die Reflexion einer Reflexion. Da liegt es doch nahe, dass sie ihre eigene 'Stelle' hat, von  der aus die 'auf die andere blickt'.

Ich weiß nicht, ob Wolf Singer immer noch daran gelegen ist, den 'Sitz des Ich zu finden', oder ob er nichts mehr davon hören mag. Immer bedenkend, dass von einer koordinierenden, kommandierenden 'Zentrale' nicht die Rede ist, sondern nur von einer besonderen Instanz mit einer besonderen Perspektive... - wäre dies doch ein Kandidat, oder?
JE  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen