Freitag, 13. Januar 2017

Emotionen und Gedächtnisleistung.


Carpeaux, Ugolino
 aus derStandard.at, 12. Jänner 2017, 18:26


Mit Langzeitwirkung: 
Starke Gefühle verbessern das Gedächtnis
Erkenntnisse könnten auch für Behandlung von psychischen Problemen nützlich sein

Genf – Stark emotionale Ereignisse wirken sich relativ lange auf das Gedächtnisvermögen aus, berichten Wissenschafter aus Genf und New York. Selbst noch eine halbe Stunde nach dem Ereignis werden Dinge ohne direkten Zusammenhang dazu besser gespeichert.

Die meisten erinnern sich wohl, wo sie am 11. September 2001 waren, als sie von den Anschlägen in den USA hörten. Was sie zwei Wochen vor diesem prägenden Ereignis gemacht haben, wissen hingegen die wenigsten noch. Emotionale Erfahrungen bleiben besser im Gedächtnis als Dinge, die nicht mit starken Gefühlen behaftet sind. Soviel ist bekannt.

Auch neutrale Ereignisse bleiben haften

Wie langfristig solch starke Gefühle das Abspeichern auch alltäglicher Ereignisse verbessern, die nachher passieren, sei aber noch kaum bekannt, schreiben die Wissenschafter der Universitäten Genf und New York im Fachblatt "Nature Neuroscience". Genau dieser Frage hat sich das internationale Forscherteam gewidmet. "In unserer Studie haben wir gezeigt, dass auch nicht-emotionale Erfahrungen besser im Gehirn gespeichert werden, wenn sie auf ein emotionales Ereignis folgen", erklärte Studienautorin Ulrike Rimmele von der Universität Genf.

Für die Studie ließen die Forschenden 44 Studienteilnehmer Bilder betrachten, an die sie sich sechs Stunden später in einem unangekündigten Gedächtnistest erinnern sollten. Eine Gruppe sah zunächst szenische Bilder mit emotionalem Gehalt, zehn bis 30 Minuten später dann neutrale Bilder. Die zweite Gruppe betrachtete zuerst die neutralen Bilder, dann die emotionalen.

Veränderte Hirnaktivität

Das Ergebnis: Die Probanden, die zunächst die gefühlsgeladenen Bilder gesehen hatten, konnten sich später besser an die neutralen Bilder erinnern als die zweite Gruppe. Während des Versuchs maßen die Forscher auch die Hirnaktivität der Probanden, sowie ihre emotionale Erregung, die sich aus der Hautleitfähigkeit ablesen lässt. Dabei zeigte sich, dass die veränderte Hirnaktivität beim Betrachten der emotionalen Bilder auch später wieder auftauchte, als die neutralen Bilder im Gedächtnis abgespeichert wurden. Nicht so jedoch bei den Probanden, die zuerst die neutralen Bilder gesehen hatten.

"Diese Studie wird es uns ermöglichen, wesentliche Aspekte der Mechanismen aufzuklären, die unser Erinnerungsvermögen steuern", so Rimmele. Diese Erkenntnisse könnten in vielerlei Hinsicht nützlich sein, nicht nur für neue Lehrmethoden im Bildungswesen, sondern auch, um psychische Probleme wie Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen besser zu verstehen und zu behandeln, sagte die Forscherin. (APA, 12.1.2017)


Abstract
Nature Neuroscience: "Emotional brain states carry over and enhance future memory formation."


Nota. - An sich ist das trivial. Im Zusammenhang mit dem gestrigen Eintrag erinnert es aber daran, dass die Unterscheidung zwischen kognitiven und emotiven Leistungen eine rein pragmatische, auf ihre Lebensfunktion bezogene ist, nichts aber über Herkunft und "Wesen" aussagt. Wenn auch in der Hirnforschung mancherlei umstritten ist, in einem sind sich doch alle einig: Das Gehirn ist ein System, in dem sich die Funktionen zwar begrifflich, nicht aber empirisch von einander scheiden lassen.
JE





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