Mittwoch, 20. November 2013

Dein trügerisches Gedächtnis

aus derStandard.at, 19. November 2013, 14:38                                       berggeist007  / pixelio.de


Selbst ein herausragendes autobiographisches Gedächtnis lässt sich täuschen
US-Studie belegt, wie leicht sich das Erinnerungsvermögen in die Irre führen lässt

Washington/USA/Irvine - Wie leicht sich unser Gedächtnis in die Irre führen lässt, ist bereits mehrfach mit Untersuchungen belegt worden. Nun haben US-Wissenschafter in einer aktuellen Studie nachgewiesen, dass auch Menschen mit außergewöhnlich gutem Erinnerungsvermögen auf Gedächtnis-verfälschende Tricks herein fallen. Schon geringfügige Suggestionen reichen aus, um die Erinnerungen durcheinander zubringen, berichtet eine Forschergruppe um Lawrence Patihis von der Universität von Kalifornien im Fachjournal "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften ("PNAS").

Die Psychologen untersuchten für ihre Studie 38 Menschen mit einem normalen Gedächtnis und 20 Personen mit dem sogenannten hyperthymestischen Syndrom (kurz HSAM). Menschen mit HSAM haben ein besonders ausgeprägtes episodisches Gedächtnis. Dieses ist im Gehirn für das Erinnern an persönliche Erlebnisse und Erfahrungen verantwortlich. Problemlos können sich Menschen mit HSAM an kleine Details - etwa an das Wetter an einem beliebigen Tag vor Jahren - erinnern.

Gezielte Fehlinformationen und Lockworte

Die Forscher testeten mit mehreren Aufgaben das Erinnerungsmögen der beiden Gruppen - und zwar mit gezielten Fehlinformationen. Beispielsweise sprachen sie mit den Teilnehmern über einen fiktiven Flugzeugabsturz und baten sie, sich selbst an diese Geschichte zu erinnern. In einem anderen Teil führten sie die Teilnehmer mit einem falschen Lockwort in einer assoziativen Wortkette in die Irre.


"Wir haben festgestellt, dass Menschen mit einem ausgeprägten episodischen Gedächtnis genauso anfällig für die Erinnerungsverfälschungen sind wie die Kontrollgruppe mit dem normalen Gedächtnis", schreiben die Forscher.

Anfälliger Mechanismus

Die Schwachstelle liegt nach Angaben der Forscher in dem Rekonstruktionsmechanismus. Das menschliche Gedächtnis setze Erinnerungen aus Informationsbruchstücken und Indizien zusammen. Dabei könne es durch fremde Einflüsse und eigene Idealvorstellungen zur Neuinterpretation der Szenen kommen. Lange hatte man in der Psychologie angenommen, dass Menschen mit dem hyperthymestischen Syndrom weniger anfällig für diese Verfehlungen des Gedächtnis sind.

Ihre Beobachtungen sehen die US-Forscher als ein Indiz dafür, dass Erinnerungsverfälschungen ein weit verbreitetes Phänomen sind. "Unsere Erkenntnisse sind für die klinische Psychologie und für die Justiz von großem Wert, gerade wenn es um die Bewertung von Falschaussagen geht", schreiben die Wissenschafter. (APA/red)
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen