Sonntag, 19. April 2015

Nicht ganz so dunkel wie man dachte.

aus derStandard.at, 18.4.2015

Dunkle Materie womöglich doch nicht so "dunkel" wie gedacht 
Astronomen finden Hinweis darauf, dass Dunkle Materie mit sich selbst wechselwirkt

Durham - Sie macht den überwiegenden Teil der Masse im Universum aus, und doch ist Dunkle Materie unsichtbar und allenfalls durch ihre gravitative Wirkungen nachzuweisen - zumindest war dies die bislang gängige Annahme. Nun aber haben britische Astrophysiker bei einer Kollision von vier Galaxien Hinweise darauf entdeckt, dass Dunkle-Materie-Teilchen einander auch durch eine andere schwachen Kraft beeinflusst.

Nach dem gegenwärtigen Verständnis befinden sich alle Galaxien innerhalb von Klumpen Dunkler Materie. Ohne die anziehende und somit zusammenhaltende Wirkung der Schwerkraft der Dunklen Materie würden Galaxien wie die Milchstraße auseinandergerissen, während sie rotieren. Um dies zu verhindern, müssen 85 Prozent der Masse des Universums als Dunkle Materie existieren. Dennoch bleibt deren wahre Natur ein Geheimnis.

Kollision von vier Galaxien

Ein Team von Astronomen um Richard Massey von der Durham University in Großbritannien hat nun mit dem MUSE-Instrument am VLT der ESO in Chile zusammen mit "Hubble"-Bildern die Kollision von vier Galaxien im Galaxienhaufen Abell 3927 untersucht. So konnten die Wissenschafter die Lage der Masse innerhalb des Systems bestimmen und die Verteilung der Dunklen Materie mit den Positionen der hell leuchtenden Galaxien vergleichen.

Obwohl man die Dunkle Materie nicht sehen kann, war das Team in der Lage, ihre Verteilung aufgrund des Gravitationslinseneffekts abzuleiten, den ihre Masse auf das Licht von Hintergrundgalaxien ausübt. Die Kollision ereignete sich geradewegs vor einer fünften Hintergrundgalaxie, deren Abbild von der Kollision im Vordergrund verzerrt wird. Die Masse der Dunklen Materie um die wechselwirkenden Galaxien verändert die Raumzeit und erzeugt charakteristische bogenförmige Strukturen.

Im Rahmen ihrer in den "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" veröffentlichten Studie beobachteten die Forscher die vier kollidierenden Galaxien und fanden heraus, dass ein Klumpen Dunkler Materie rund 5.000 Lichtjahre hinter der Galaxie zurückzubleiben scheint, zu der er gehört.

Rätselhafte Verzögerung

Solche Verzögerungen in der Bewegung von Dunkler Materie und im Vergleich zur assoziierten Galaxie, sollten bei Kollisionen auftreten, wenn die Dunkle Materie über andere Kräfte als die Gravitation mit sich selbst wechselwirkt, wenn auch sehr gering. Nie zuvor ist Dunkle Materie dabei beobachtet worden, in irgendeiner anderen Weise als über die Schwerkraft zu interagieren.
"Wir dachten bislang immer, dass Dunkle Materie einfach da ist und abgesehen von ihrer gravitativen Anziehung nichts tut. Aber wenn Dunkle Materie durch diese Kollision verlangsamt worden ist, könnte es der erste Hinweis für eine reichhaltige Physik im dunklen Sektor sein – das verborgene Universum überall um uns herum", meint Massey.

Die Wissenschafter merken allerdings an, dass weitere Studien zu anderen Effekten durchgeführt werden müssen, die ebenfalls die Ausbildung eines Abstands zwischen Galaxie und dazugehöriger Dunkler Materie bewirken könnten. Ähnliche Beobachtungen von weiteren Galaxien und Computersimulationen von Galaxienkollisionen wären sehr hilfreich. (red.)

Abstract
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society: "The behaviour of dark matter associated with 4 bright cluster galaxies located in the 10 kpc core of Abell 3827"

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