aus scinexx
Können Tiere doch nicht planen?
Experiment weckt Zweifel an höheren geistigen Leistungen von Raben und Menschenaffen
Weniger schlau als gedacht? Raben und
Schimpansen können vielleicht doch nicht vorausschauend denken – auch
wenn bisherige Experimente dies nahelegten. Denn das vermeintlich
planende Verhalten kann auch durch assoziatives Lernen zustande kommen,
wie nun eine Wiederholung dieser Experimente mit einem lernfähigen
Computerprogamm belegt. Demnach reicht eine Kombination von Verstärkung
und Konditionierung aus, um die Aufgaben genauso gut zu lösen wie die
Tiere.
Das vorausschauende Planen galt lange als Domäne des Menschen –
und als fortgeschrittene geistige Leistung. Denn dafür muss man
verschiedene mögliche Zukunftsszenarien mental durchspielen. Eng damit
verknüpft ist die Fähigkeit zu erkennen, dass es manchmal lohnender ist,
auf eine sofortige Belohnung zugunsten eines späteren, größeren
Vorteils zu verzichten. Mit dieser Form der Impulskontrolle und
Vorausschau tuen sich selbst vierjährige Menschenkinder noch schwer.
Beweise für vorausschauendes Planen?
Doch in den letzten Jahren haben mehrere Studien Indizien dafür
geliefert, dass zumindest einige Tiere ebenfalls vorausschauend planen
können. So berücksichtigen Schimpansen bei der Wahl ihres Werkzeugs, wie lange sie dieses später tragen müssen und wählen ihre Schlafnester im Hinblick auf den Futterzugang am nächsten Tag. Raben und Papageien wiederum verschmähen bei Aussicht auf eine spätere Belohnung kleinere Futterstücke.
Aber steckt hinter diesem Verhalten tatsächlich die Fähigkeit, zu denken
und mental verschiedene Szenarien im Kopf durchzuspielen? Johan Lind
von der Universität Stockholm bezweifelt dies. Seiner Vermutung nach
könnte auch eine Kombination aus einfachem Lernen durch Verstärkung und
Konditionierung zu dem scheinbar planenden Verhalten dieser Tiere
führen. Sein Argument dafür: Künstliche Intelligenz funktioniert auch
nur Basis dieser Lernmechanismen – und erzielt damit erstaunliche
Erfolge.
Lernfähiger Computer als Testsubjekt
Um das zu überprüfen, hat Lind ein einfaches, lernfähiges
Computerprogramm vor die gleichen Aufgaben gestellt wie sie die
Schimpansen, Raben und Papageien in den früheren Experimenten
absolvieren mussten. Sie mussten beispielsweise erkennen, dass die Wahl
eines auf den ersten Blick nutzlosen Hakens gegenüber einem Futterstück
sich später auszahlen würde. Denn der Haken öffnete einen größeren
Futtertresor.
Der Clou dabei: Der Computer war so programmiert, dass er seine
Verhaltensentscheidungen nur auf Basis von Konditionierung und Lernen
durch Verstärkung trifft. "Wenn diese Prozesse des assoziativen Lernens
nicht ausreichen, um das Verhalten zu erklären, dann müssen in der Tat
alternative Mechanismen herhalten", so Lind. Würde das Programm dagegen
die Aufgaben genauso gut lösen wie die Tiere, dann muss auch bei diesen
kein höheres Denken im Spiel sein.
Lernen reicht
Und tatsächlich: Obwohl das Programm nur einfache Formen des
assoziativen Lernens beherrschte, bestand es die Tests genauso wie die
tierischen Probanden: "Unsere Simulation brachte die gleichen Ergebnisse
wie bei den Raben und den Menschenaffen", berichtet Lind. Hatte der
Computer einmal durch Versuch und Irrtum begriffen, dass anfängliche
Selbstkontrolle sich später auszahlt, plante er entsprechend vor.
"Das belegt, dass zwei Lernmechanismen zusammen zu dem scheinbar
vorausschauenden Verhalten führen können, das die Menschenaffen und
Raben zeigen", so Lind. Die Konditionierung sorge dafür, dass bestimmte
Werkzeuge durch das Vortraining und die Erfahrungen positiv besetzt
werden. Deshalb bevorzugt sie der Schimpanse oder Rabe dann sogar
gegenüber einem Futterstück. Die spätere Belohnung für eine korrekte
Wahl verstärke dann diesen Lerneffekt, erklärt der Forscher.
Können Tiere doch nicht denken?
Das aber bedeutet: Das vermeintlich vorausschauende Planen von Tieren
erfordert möglicherweise weit weniger geistige Leistungen als bisher
angenommen. Statt echtem, zukunftsorientiertem Denken könnte auch eine
Kombination einfacher Lernmechanismen hinter diesem Verhalten stecken.
"Verhalten, das bisher als Anzeichen für die Fähigkeit zu flexiblem
Planen gewertet wurde, kann demnach auf assoziatives Lernen
zurückgeführt werden", so Lind.
Allerdings: Damit ist nicht ausgeschlossen, dass Raben, Papageien und
Schimpansen nicht doch über höhere geistige Fähigkeiten verfügen. Nach
Ansicht des Forschers sind die bisherigen Experimente aber nicht dazu
geeignet, dies eindeutig nachzuweisen. (Journal Royal Society Open
Science, 2018; doi: 10.1098/rsos.180778)
(Universität Stockholm, 29.11.2018 - NPO)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen