aus derStandard.at,23. September 2018, 15:30 Unerwartete Widersprüche bei Gedankenexperiment Aktuelle Studie führt zu Diskussionen in der Fachwelt
Obwohl
die Quantenmechanik eine durch Experimente gut untermauerte Theorie
darstellt, gilt sie nur für einen Teil des Universums: Das Verhalten von
größeren Objekten kann sie nicht befriedigend beschreiben. Nun haben
Schweizer Physiker ein Gedankenexperiment vorgestellt, das zu
unerwarteten Widersprüchen führt. Der Befund wirft grundsätzliche Fragen
auf – und polarisiert auch die Fachwelt. Seit fast 100 Jahren
wird die Quantenmechanik stets aufs Neue mit hoher Präzision
experimentell bestätigt – und doch sind die Physiker nicht restlos
glücklich mit ihr. Denn die Quantenmechanik beschreibt zwar sehr genau
das Geschehen auf der mikroskopischen Ebene. Doch bei größeren Objekten
stößt sie an ihre Grenzen – insbesondere wenn es sich um Objekte
handelt, bei denen die Gravitationskraft eine Rolle spielt. So lässt
sich etwa das Verhalten von Planeten mit der Quantenmechanik nicht
beschreiben. Das ist nach wie vor die Domäne der allgemeinen
Relativitätstheorie, die wiederum die Vorgänge im Kleinen nicht richtig
zu beschreiben vermag. Viele Physiker träumen denn auch davon, die
Quantenmechanik mit der Relativitätstheorie zu einem schlüssigen Bild
unserer Welt zu verknüpfen. Die Grenzen quantenphysikalischer Experimente Doch
wie lassen sich zwei Theorien miteinander verbinden, die zwar beide in
ihren Domänen die physikalischen Vorgänge sehr treffend beschreiben,
aber eben doch sehr unterschiedlich sind? Ein möglicher Weg ist,
quantenphysikalische Experimente mit immer größeren Objekten
durchzuführen. Die Hoffnung dabei: Irgendwann tauchen Unstimmigkeiten
auf, die mögliche Lösungswege aufzeigen. Doch den Physikern sind dabei
enge Grenzen gesetzt. Das berühmte Doppelspaltexperiment etwa, mit dem
gezeigt werden kann, dass feste Partikel sich gleichzeitig wie Wellen
verhalten, lässt sich mit Alltagsgegenständen nicht durchführen. Mit
Gedankenexperimenten hingegen lassen sich die Grenzen zur
makroskopischen Welt überwinden. Genau das haben Renato Renner,
Professor für theoretische Physik
an der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), und
seine ehemalige Doktorandin Daniela Frauchiger in einer Publikation
gemacht, die nun im Fachjournal "Nature Communications" vorgestellt
wurde. Salopp gesagt betrachten die beiden in ihrem Gedankenexperiment
einen hypothetischen Physiker, der ein quantenmechanisches Objekt
untersucht, und berechnen dann mit Hilfe der Quantenmechanik, was der
Physiker feststellen wird. Gemäß unserem heute gültigen Weltbild sollte
diese indirekte Betrachtung zum gleichen Resultat führen wie die direkte
Beobachtung. Doch die Berechnungen der beiden zeigen, dass dies gerade
nicht der Fall ist: Die Voraussage, was der Physiker beobachten wird,
ist gerade das Gegenteil dessen, was man direkt messen würde – eine
paradoxe Situation. Problem, das sich nicht einfach knacken lässt Obwohl
das Gedankenexperiment erst jetzt offiziell publiziert wird, hat es in
der Fachwelt bereits für Gesprächsstoff gesorgt. Da sich der
Publikationsprozess immer wieder verzögerte, gibt es inzwischen bereits
verschiedene andere Arbeiten, die sich mit den Befunden befassen. Die
übliche erste Reaktion in der Fachwelt sei meistens, die Berechnungen
anzuzweifeln, berichtet Renner. Doch bisher ist es niemandem gelungen,
die Kalkulationen zu falsifizieren. Ein Gutachter räumte ein, er hätte
inzwischen fünf Mal erfolglos versucht, einen Fehler in den Berechnungen
zu finden. Andere Kollegen wiederum präsentierten konkrete Erklärungen,
wie das Paradox gelöst werden kann. Doch bei näherem Hinsehen zeigte
sich stets, dass es sich um Ad-hoc-Lösungen handelt, mit denen sich das
Problem nicht aus der Welt schaffen lässt. Bemerkenswert
findet Renner, dass das Thema offenbar polarisiert. Einige Kollegen
hätten auf seine Ergebnisse sehr emotional reagiert, stellt er erstaunt
fest. Das liegt wohl daran, dass die zwei naheliegenden
Schlussfolgerungen aus Renners und Frauchigers Befunden gleichermassen
irritierend sind. Die eine Erklärung ist, dass die Quantenmechanik
offensichtlich nicht wie bisher angenommen universell anwendbar ist und
demnach nicht auf größere Objekte angewendet werden kann. Doch wie kann
es sein, dass eine Theorie, die experimentell immer wieder so deutlich
bestätigt wurde, inkonsistent ist? Die andere Erklärung lautet, dass es
offenbar auch in der Physik keine klaren Fakten gibt und dass es neben
dem, was wir für wahr halten, auch noch andere Möglichkeiten gibt. Lösungen von unerwarteter Seite Mit
beiden Interpretationen tut sich Renner schwer. Er ist vielmehr
überzeugt, dass sich das Paradox auf andere Weise lösen wird: "Wenn man
in der Geschichte zurückblickt, dann kam die Lösung in solchen Momenten
oft von unerwarteter Seite", erklärt er. So basiert beispielsweise die
allgemeine Relativitätstheorie, mit der Widersprüche in der Newtonschen
Physik aufgelöst werden konnten, auf der Einsicht, dass das damals noch
gängige Konzept der Zeit falsch war. "Unsere Aufgabe besteht nun darin
zu prüfen, ob wir bei unserem Gedankenexperiment nicht Annahmen
getroffen haben, die wir in dieser Form nicht hätten treffen dürfen",
erklärt Renner. "Wer weiß, vielleicht müssen wir sogar unsere
Vorstellung von Raum und Zeit nochmals revidieren." Für Renner wäre das
durchaus eine reizvolle Option: "Nur wenn wir bisherige Theorien
fundamental überdenken, gelangen wir zu tieferen Einsichten, wie die
Natur wirklich funktioniert." (red.)
Nota. -Erkenntnislogisch ist es gar nicht vorstellbar, dass die Vorstellungsweisen von der Mikrowelt gleichermaßen auf Meso- und Makroshpäre passten. Es machte überdies nicht nur die Annahme eines intelligenten Designers wahrscheinlich, sondern auch die, dass seine Intelligenz die unsere durchflutet. JE
aus derStandard.at, 25. September 2018, 07:00 "Wir brauchen eine neue Theorie vom Urknall"
Thomas Hertog hat viele Jahre mit dem Physiker Stephen Hawking den Ursprung des Universums erforscht
Interview von Tanja Traxler
Thomas
Hertog hat keine Angst vor großen Fragen. Wie hat unser Universum
begonnen? Wie wird es enden? Ebensolchen Themen widmet sich der
belgische Astrophysiker in seiner Forschung. Einen kongenialen Partner
dafür hat er in Stephen Hawking gefunden. Kurz bevor der britische
Physiker im März dieses Jahres verstarb, ist Hertog mit ihm die letzten
Korrekturen einer gemeinsamen Publikation durchgegangen. Es geht dabei
um eine quantenphysikalische Annäherung an den Urknall. STANDARD: Als
langjähriger Kollege von Stephen Hawking waren Sie auch an dessen
letzter Publikation "A Smooth Exit from Eternal Inflation" beteiligt,
die einige Wochen nach seinem Tod im Frühjahr erschienen ist. Darin
schlagen Sie eine neue Theorie zum Ursprung des Universums vor. Was
stört Sie denn an der gängigen Urknalltheorie?
Hertog:
Die aktuelle Theorie des Urknalls wird als kosmische Inflation
bezeichnet. Ihr zufolge ist beim Urknall nicht nur unser Universum
entstanden, sondern auch viele andere – man spricht vom Multiversum. Wir
können uns das Multiversum wie ein Mosaik verschiedener Universen
vorstellen, wie Bläschen in kochendem Wasser. Die Gesetze der Physik
und der Chemie können sich von Universum zu Universum unterscheiden.
Manche beinhalten Sterne und beheimaten Leben, andere sind fast völlig
leer. Das Problem mit der gängigen Theorie ist, dass sie kaum
Vorhersagen über unser eigenes Universum trifft.
STANDARD: Um
die Vorgänge im Universum zu beschreiben, ist Albert Einsteins
allgemeine Relativitätstheorie das anerkannte Modell. Was sagt uns diese
Theorie über die Entstehung des Universums?
Hertog: Einsteins
Relativitätstheorie gibt uns eine gute Erklärung dafür, wie sich das
Universum entwickelt, wenn es einmal existiert. Aber die Theorie sagt
uns nichts darüber, wie das Universum entstanden ist. Daher denken wir,
dass eine Kombination von Einsteins Relativitätstheorie und der
Quantentheorie notwendig ist, um das frühe Stadium unseres Universums zu
verstehen.
STANDARD: Welche Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man die Quantentheorie zur Beschreibung des Ursprungs des Universums heranzieht?
Hertog: Die
Quantentheorie und die Relativitätstheorie eröffnen uns zwei sehr
unterschiedliche Perspektiven auf die Welt. Die Quantenrealität wird von
Unsicherheiten und Zufällen bestimmt. Daher ergibt jede
quantenphysikalische Theorie des Urknalls nicht nur ein Universum,
sondern immer ein ganzes Ensemble an Universen – das Multiversum. Die
große Herausforderung, vor der die moderne Kosmologie heute steht, liegt
darin, die Multiversum-Theorie testbar zu machen. Mit der Publikation
von Stephen Hawking und mir unternehmen wir einen Schritt in diese
Richtung.
STANDARD: Welche Vorteile bietet Ihre neue Theorie gegenüber den herkömmlichen Vorstellungen?
Hertog: Unser
Modell basiert auf der Stringtheorie, die sich um eine
Vereinheitlichung von Relativitätstheorie und Quantentheorie bemüht. Im
Speziellen verwenden wir das holografische Prinzip der Stringtheorie. Es
besagt, dass das Universum ein großes, komplexes Hologramm ist: Die
physikalische Realität in dreidimensionalen Räumen kann mathematisch in
speziellen Fällen zu zweidimensionalen Projektionen auf einer Oberfläche
vereinfacht werden. Stephen und ich haben erkannt, dass wir dieses
Konzept anwenden können, um die früheste Phase unseres Universums als
Hologramm zu beschreiben. Dadurch können wir das Multiversum in unserer
Theorie auf eine überschaubarere Anzahl an möglichen Universen
reduzieren.
STANDARD: Wie
ist die Theorie, dass das Universum mit dem Urknall seinen Anfang
genommen hat, überhaupt entstanden? Man könnte ja auch behaupten, dass
das Universum immer schon existiert hat.
Hertog: Die
Urknalltheorie geht zurück auf den belgischen Astronomen George
Lemaître. Er hat 1927 gezeigt, dass sich aus Albert Einsteins
allgemeiner Relativitätstheorie die Ausdehnung des Universums ableiten
lässt. 1929 bestätigte der Astronom Edwin Hubble diese Vorhersage, indem
er beobachtete, wie sich entfernte Galaxien tatsächlich immer weiter
von uns wegbewegen. Einige Jahre später hat Lemaître aus der Ausdehnung
des Universums geschlossen, dass es einst kleiner gewesen sein muss.
Letztlich spekulierte er, dass es einen Urknall gegeben haben muss.
STANDARD: Dennoch
waren damals viele Physiker nicht von der Urknalltheorie überzeugt. Was
war das entscheidende Argument, um sie umzustimmen?
Hertog: Bis
in die 1960er-Jahre hat es Leute gegeben, die gegen die Urknalltheorie
argumentiert haben. Doch dann ist die kosmische Hintergrundstrahlung
entdeckt worden. Sie ist gewissermaßen ein Bote des Nachglühens des
Universums nach dem Urknall. Seither gibt es nur noch sehr wenige
Menschen, die an der Urknalltheorie zweifeln. Stephen Hawking schrieb
gerade seine Dissertation, als die kosmische Hintergrundstrahlung
entdeckt wurde. Er zeigte in seiner Doktorarbeit, dass der Urknall in
einem expandierenden Universum unvermeidbar ist.
STANDARD: Wie hat die Entdeckung Hawkings Denken geprägt?
Hertog: Stephen
hat sich von diesem Moment an darauf konzentriert, eine Art
Quantentheorie zu entwickeln, die den Beginn des Universums beschreibt.
Er hatte das Gefühl, dass die Kosmologie ohne Verständnis des Urknalls
unvollständig sein würde – und unbefriedigend.
STANDARD: Was sagt denn der Urknall über unser Universum?
Hertog: Viele
Eigenschaften unseres Universums, insbesondere jene, dass es Sterne,
Galaxien und intelligentes Leben beheimatet, haben ihren Ursprung in den
physikalischen Bedingungen beim Urknall. Es muss also etwas Besonderes
am Urknall gegeben haben, das dazu beigetragen hat, unser Universum
genau in die richtige Richtung anzustoßen, dass sich Milliarden Jahre
später Komplexität und Leben entwickeln können.
STANDARD: Sie haben viele Jahre mit Stephen Hawking zusammengearbeitet – inwiefern hat er Sie in Ihrer Art, Physik zu betreiben, beeinflusst?
Hertog:
Stephen hatte ein großes Talent dafür, die richtigen Fragen zu stellen.
Es ist ein gängiges Missverständnis, dass die theoretische Physik nur
mit Formeln zu tun hat. Tatsächlich geht es in der Praxis oft darum, die
richtigen Fragen zu identifizieren. Stephen hatte dafür eine ganz
besondere Begabung.
STANDARD: Was Sie außerdem mit Hawking
verbindet, ist Ihr Engagement, Forschung einem breiteren Publikum zu
vermitteln. Warum ist Ihnen das ein Anliegen?
Hertog: Wissenschaft
ist nicht nur für eine kleine Gruppe von Akademikern, die an
Universitäten arbeiten, relevant. Sie ist eine globale Anstrengung, die
das Fundament für technologische Innovationen bereitet. Ein bedeutsamer
Anteil der weltweiten Wertschöpfung basiert mittlerweile auf
Quantenphysik, die einst als rein theoretische Angelegenheit erachtet
worden ist. In einer Welt, die von Technologien bestimmt wird, ist es
essenziell, dass Wissenschafter sich in die Öffentlichkeit begeben und
erklären, worum es in ihrer Arbeit geht. Letztlich ist die Wissenschaft
etwas sehr Menschliches, was uns miteinander verbindet. Indem wir das
Universum erforschen, lernen wir auch etwas über uns selbst.
Thomas Hertog
(geb. 1975) ist Professor für Physik an der Universität Löwen in
Belgien. Seine Dissertation schrieb er an der Universität Cambridge,
betreut durch Stephen Hawking. Der Europäische Forschungsrat fördert
seine Forschung.
Unsere Neuronen können "zählen" Wie unser Gehirn Ziffern und Mengen verarbeitet
Eins, zwei, drei: Forscher haben
herausgefunden, wie unser Gehirn Zahlen verarbeitet. Ihr Experiment
zeigt: Abhängig von der gesehenen Anzahl werden jeweils ganz
unterschiedliche Hirnzellen aktiviert - das gilt für Mengen in Form von
Punkten ebenso wie für Ziffern. Dabei sind die Aktivitätsmuster
erstaunlich spezifisch: Allein der Blick ins Gehirn kann demnach
verraten, mit welcher Menge oder Ziffer wir uns gerade beschäftigen.
Die Fähigkeit zu zählen ist uns in die Wiege gelegt: Schon kurz nach der Geburt können Babys Mengen abschätzen und einfache Berechnungen durchführen. Forscher wissen inzwischen, dass es in unserem Gehirn sogar eigene Areale
für die Verarbeitung von Zahlengrößen gibt. Was aber spielt sich bei
solchen Prozessen genau ab - und verarbeiten wir abstrakte Zahlen anders
als konkrete Mengen?
Um das herauszufinden, haben Wissenschaftler um Esther Kutter von der
Universität Bonn nun Epilepsie-Patienten ins Gehirn geblickt. Den neun
Probanden waren zu Therapiezwecken haarfeine Mikroelektroden in den
Schläfenlappen eingesetzt worden - und genau das machte sich das
Forscherteam zunutze: "Wir konnten damit die Reaktion einzelner
Nervenzellen auf visuelle Reize messen", erklärt Kutters Kollege Florian
Mormann.
Auf eine Zahl eingestellt
Für ihre Untersuchung zeigten die Forscher den Studienteilnehmern auf
einem Computerbildschirm eine unterschiedlich große Anzahl von Punkten -
mal nur einen, mal vier oder auch fünf. Was würde beim Anblick dieser
Punkte im Gehirn passieren? Es zeigte sich: "Bestimmte Nervenzellen
feuerten vor allem bei ganz bestimmten Mengen", berichtet Kutter.
"Manche wurden zum Beispiel hauptsächlich durch drei Punkte aktiviert,
andere durch einen."
Interessant dabei: Die einzelnen Neuronen waren zwar auf eine bestimmte
Menge "eingestellt", sprachen aber auch auf leicht abweichende Mengen
an. Eine Dreier-Hirnzelle feuerte demnach auch bei zwei oder vier
Punkten, wie die Wissenschaftler berichten. Durch einen oder fünf Punkte
ließ sie sich dagegen kaum noch aktivieren. Experten nennen das den
"Numerical Distance Effect" - ein Phänomen, das bereits im Gehirn von
Affen beobachtet wurde.
Ähnliches Prinzip bei Ziffern
Das abhängig von der gesehenen Menge erzeugte Aktivitätsmuster war dabei
sehr spezifisch: "Wir haben einen Algorithmus geschrieben, der dieses
Muster auswertet", erklärt Mormann. "Mit ihm konnten wir allein aus dem
Erregungszustand der Nervenzellen ablesen, wie viele Punkte unsere
jeweilige Versuchsperson gerade sah."
Ähnliches beobachteten die Forscher auch, als sie den Probanden statt
Mengen in Form von Punkten konkrete Ziffern zeigten. So feuerten bei
bestimmen Ziffern ebenfalls bestimmte Hirnzellen - allerdings mit
entscheidenden Unterschieden. Denn die Ziffern-Neuronen waren nicht mit
den Mengen-Neuronen identisch: Die Ziffer "3" regt demnach ganz andere
Nervenzellen an als eine Menge von drei Punkten.
Dyskalkulie besser verstehen?
Analog zum Mengenexperiment gab es aber auch hier einen "Numerical
Distance Effect", wie Mormann berichtet: "Sie lassen sich also ebenfalls
nicht nur durch die genau passende Ziffer, sondern auch durch deren
Nachbarn anregen." Für die Wissenschaftler zeichnet sich damit ab, dass
wir uns Ziffern anders aneignen als andere einfache Zeichen - und dass
diese Symbole in unserem Gehirn eng mit einer bestimmten
Mengenvorstellung verwoben sind. Die Neuronen müssen demnach gelernt
haben, dass sich eine "3" in ihrem Wert nur wenig von einer "2" oder
einer "4" unterscheidet, sonst würden sie nicht auf diese beiden Ziffern
ansprechen.
Die Forscher hoffen, dass diese neuen Erkenntnisse in Zukunft auch zu
einem besseren Verständnis der Dyskalkulie beitragen werden - einer
Entwicklungsstörung, die unter anderem mit einem schlechteren
Mengenverständnis einhergeht. (Neuron, 2018; doi: 10.1016/j.neuron.2018.08.036
Notabene!Meine Lieblingsidee, dass die Zahlen nicht durch Anschauung des Nebeneinanders von Dingen im Raum, sondern aus dem Erleben vom Nacheinander des Geschehens in der Zeit entstanden ist, wird da- von nicht berührt. Das Einschätzen von Mengen ist noch nicht ihr Messen. Zu letzterem braucht man aller- dings - außer einer Maßeinheit - Zahlen. Fürs erstere reicht ein Ungefähr, wie das Experiment ja beweist. Wo die Zahlen herkommen, ist davon unberührt. Man sollte annehmen, dass sie schon da waren, als man daran ging, Mengen zu messen statt bloß zu schätzen; und dass man daran ging, weil sie schon da waren! JE
aus scinexx Gene "aus dem Nichts"
Vorläufer neuer Gene in unserer DNA entstehen permanent spontan Plötzlich da: In unserem Erbgut entstehen
ständig neue Gene spontan und quasi aus dem Nichts. Wie Forscher jetzt
herausgefunden haben, bilden sich die Kandidaten für solche
proteinkodierenden DNA-Abschnitte permanent aus der sogenannten
Juni-Dna. Ein Großteil dieser Genvorläufer verschwindet allerdings
schnell wieder. Nur aus einigen wenigen gehen wirklich funktionstüchtige
Gene hervor – Code-Abschnitte, die einem Organismus grundlegend neue
Eigenschaften bescheren können.
Kopieren und schrittweise verändern ist einfacher, als etwas
völlig Neues zu entwickeln: Lange Zeit dachten Forscher, dieses Prinzip
gelte auch für die Evolution von Genen. Demnach entstehen neue
proteinkodierende Abschnitte der DNA durch die Vervielfältigung und
punktuelle Veränderung bereits bestehender Gene. Dass vollständig neue
Gene und damit neue Eigenschaften quasi aus dem Nichts auftauchen, galt
dagegen jahrzehntelang als undenkbar.
Inzwischen beginnt dieses Dogma jedoch zu kippen. Denn jüngere Studien
deuten darauf hin, dass Gene sehr wohl aus dem Nichts entstehen können -
genauer gesagt: aus sogenannter Junk-DNA. Dies sind Erbgutabschnitte, die nicht für Proteine kodieren, also keine "echten" Gene enthalten. Doch wie häufig bilden sich in diesem Teil unseres DNA-Codes Kandidaten für neue Gene und wie viele davon setzen sich im Laufe der Evolution dann auch tatsächlich durch?
Neuen Genen auf der Spur
Dieser Frage sind nun Wissenschaftler um Jonathan Schmitz von der
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster nachgegangen. Sie haben die
frühesten Stadien der Entstehung dieser Gene aus dem Nichts unter die
Lupe genommen - und dafür das Erbgut von vier Säugetierarten untersucht:
Maus, Ratte, Kängururatte und Opossum.
Letzteres gehört zu den Beuteltieren, deren Evolutionslinie sich früh
von dem Zweig der Höheren Säugetiere abgespalten hat. Durch den
Vergleich mit dieser Spezies konnten die Forscher somit 160 Millionen
Jahre der Entwicklungsgeschichte der Säugetiere abdecken. Konkret
fahndeten sie dabei nach sogenannten offenen Leserahmen im DNA-Code -
speziellen Sequenzen, die häufig als Bauanleitungen für Proteine dienen.
Genvorläufer entstehen permanent
Die Auswertung zeigte: "Neue offene Leserahmen, also die Kandidaten für
Bauanleitungen für neue Proteine, entstehen in nichtkodierenden
DNA-Regionen permanent", berichtet Schmitz' Kollege Erich
Bornberg-Bauer. Demnach entstehen im Vergleich viel weniger solcher
Genkandidaten durch Veränderungen in proteinkodierenden
Erbgutabschnitten.
Doch während neue Genvorläufer aus bewährten Genen meist lange im Erbgut
erhalten bleiben, verschwinden die Genkandidaten aus dem Nichts und die
daraus hervorgegangenen Transkripte meist so spontan wie sie entstanden
sind: "Ein Großteil dieser neuen Kandidaten verschwindet ziemlich
schnell wieder - wahrscheinlich, weil sie keine nützliche Funktion
haben", schreiben die Forscher.
Erklärung für grundlegend neue Eigenschaften
Aus manchen Genvorläufern aber entwickeln sich voll funktionstüchtige
Gene, wie das Team berichtet. Sie enthalten den Bauplan für
funktionierende Proteine und bleiben über längere Zeit erhalten. "Diese
Transkripte können dann in mehreren Abstammungslinien gefunden werden",
erklärt Bornberg-Bauer. "Wahrscheinlich können sie über lange Zeiträume
hinweg das Repertoire der bestehenden Proteine ergänzen und an das
molekulare Wechselspiel mit diesen angepasst werden."
Manchmal übernimmt ein aus dem Nichts entstandenes Protein demnach
tatsächlich eine Funktion im Organismus. "Damit haben wir auch eine
Erklärung dafür, wie grundlegend neue Eigenschaften entstehen können.
Allein durch punktuelle Veränderungen der genetischen Struktur ist das
nämlich nicht erklärbar", schließt der Forscher. (Nature Ecology an
Evolution, 2018; doi: 10.1038/s41559-018-0639-7)
Warum bei Schizophrenie Neuronennetzwerke aus dem Takt geraten
Forscher identifizierten Neuronen, die bei der Koordination der Zellnetzwerke im Gehirn eine zentrale Rolle spielen
Genf
– Genfer Forscher haben bei Mäusen herausgefunden, warum bei
Schizophrenie Nervenzell- netzwerke im Gehirn aus dem Takt geraten. Es ist
ihnen gelungen, wieder Ordnung ins Chaos zu bringen und dadurch
bestimmte Symptome der Erkrankung zu unterdrücken. Den Schlüssel stellen
Parvalbumin-Neuronen da, berichten die Wissenschafter im Fachblatt
"Nature Neuroscience".
Rund ein Prozent der Weltbevölkerung leidet
an Schizophrenie. Diese psychische Erkrankung kann sich von Mensch zu
Mensch unterschiedlich manifestieren, typisch sind aber Symptome wie
inhaltliche Denkstörungen, Halluzinationen und Verhaltensstörungen wie
Hyperaktivität. Studien der vergangenen Jahre haben Hinweise geliefert,
dass Nervenzellnetzwerke bei Schizophrenie nicht mehr koordiniert
kommunizieren, wie ein Orchester, in dem die Musiker den Takt verlieren
und nicht mehr richtig zusammenspielen. Dirigent im neuronalen Chaos
Ein
Team um Alan Carleton von der Universität Genf hat bei Mäusen nach
Ursachen gesucht, warum das Nervenzell-Orchester aus dem Takt gerät. Die
Tiere trugen einen genetischen Defekt, der beim Menschen als
DiGeorge-Syndrom bekannt ist und das Schizophrenierisiko um das 40-fache
erhöht, wie die Universität mitteilte.
Die Forscher fokussierten
für ihre Studie auf den Hippocampus – ein Hirnareal, das unter anderem
bei Gedächtnisprozessen eine wichtige Rolle spielt. Bei gesunden
Kontrollmäusen ohne Gendefekt beobachteten sie, dass die Tausenden von
Nervenzellen, die das Netzwerk bilden, gut zusammenspielten. Anders war
das bei den Mäusen mit Gendefekt: Bei diesen waren die Nervenzellen
völlig unkoordiniert, als ob sie nicht richtig miteinander kommunizieren
könnten.
Normalerweise fungiert eine Gruppe bestimmter hemmender
Neuronen sozusagen als Dirigenten, die das Orchester im Takt halten.
Unter diesen "Dirigenten" sind Nervenzellen, die ein Protein namens
Parvalbumin produzieren und dadurch charakterisiert werden. Bei den
Mäusen mit Gendefekt entdeckten die Wissenschafter, dass genau diese
hemmenden Parvalbumin-Neuronen viel weniger aktiv waren. "Ohne richtige
Hemmung, um die elektrische Aktivität anderer Neuronen im Netzwerk zu
kontrollieren und zu strukturieren, herrscht Anarchie", so Carleton.
Hoffnung auf Therapie
Genau
diese Parvalbumin-Neuronen wählten die Forscher auch als Ansatz, um zu
versuchen, das Orchester der Nervenzellen wieder in den Takt zu bringen.
Indem sie die "Dirigenten" künstlich aktivierten, brachten sie Ordnung
ins Chaos der Nervenzell-Kommunikation. Dadurch konnten sie auch
Schizophrenie-ähnliche Symptome der Mäuse unterdrücken, namentlich
Hyperaktivität und Gedächtnisprobleme.
Darin sehen die
Wissenschafter auch einen vielversprechenden Ansatz für künftige
Therapien beim Menschen. Die bisherige Behandlung mit Medikamenten, die
auf Basis der Nervenzell-Botenstoffe Dopamin und Serotonin wirken, könne
zwar bei Halluzinationen Abhilfe schaffen. Sie seien jedoch bei vielen
anderen Symptomen in Zusammenhang mit Schizophrenie weniger effektiv, so
die Forscher. Möglich wäre, künftig auf die Parvalbumin-Neuronen
abzuzielen, um diese in ihrer Dirigenten-Funktion zu unterstützen.
Allerdings
wird es noch dauern, bis darauf basierende Therapien entwickelt werden.
Carleton und sein Team wollen zunächst ihre Ergebnisse bestätigen,
indem sie Mäuse mit anderen Gendefekten untersuchen, die ebenfalls mit
Schizophrenie zusammenhängen. (APA, 17.9.2018)
Nota. - Über 'Ursache' und 'Wesen' der Schizophrenie ist damit wohlbemerkt nichts ausgesagt, als dass besagter Gendefekt 'eine Rolle spielt'. Unter welchen Umständen er diese Rolle spielen kann, ist vorläufig ungeklärt. Erwiesen scheint, dass es sich bei der taktgebenden Hemmung im Hippocampus um die neuronale Funktion handelt, deren Störung das Krankheitsbild Schizophrenie 'ausmacht'. Das ist ja auch schon aller- hand. JE
aus scinexx Traumgene entdeckt
Wie ein Genpaar den REM-Schlaf reguliert
Traumhafte Entdeckung: Forscher haben zwei
Gene identifiziert, die eine wichtige Rolle für das Träumen spielen.
Ihre Experimente zeigen: Sind diese Erbgutabschnitte abgeschaltet,
leiden Mäuse an einer drastischen Schlafstörung. Sie fallen so gut wie
gar nicht mehr in den Traumschlaf. Diese Erkenntnis könnte dabei helfen,
die noch immer rätselhafte Phase des REM-Schlafs in Zukunft besser zu
verstehen - und auch ihre Bedeutung für unsere körperliche wie seelische
Gesundheit.
Warum träumen wir? Und was passiert dabei in unserem Gehirn? Das Träumen ist die wohl faszinierendste Phase unseres Schlafs - und eine noch immer ziemlich rätselhafte. Zwar ist inzwischen bekannt, dass Traumphasen wichtig für unsere seelische
und auch für unsere körperliche Gesundheit sind. Doch gerade die
molekularen Mechanismen hinter dem sogenannten REM-Schlaf liegen
größtenteils im Dunkeln.
Acetylcholin im Fokus
Es gibt allerdings Indizien dafür, dass der Neurotransmitter
Acetylcholin und seine Rezeptoren eine wichtige Rolle für die
Regulierung des Traumschlafs spielen könnten. So wird der Botenstoff
sowohl im Wachzustand als auch beim Träumen vermehrt im Gehirn
ausgeschüttet. Doch welcher Rezeptor oder welche Rezeptoren mischen
tatsächlich direkt bei der Steuerung der Schlafphasen mit? Dieser Frage
sind Wissenschaftler um Yasutaka Niwa vom Riken Center im japanischen
Osaka nun nachgegangen.
Für ihre Studie veränderten die Forscher die Gene von Mäusen. Sie
schalteten bestimmte Erbgutabschnitte mithilfe gentechnische Methoden
entweder an oder aus, um herauszufinden, welche Auswirkungen dies auf
den Schlaf der Nager hatte. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf
Gene, die die Bauanleitung für unterschiedliche Acetylcholin-Rezeptoren
enthalten.
Ohne die Gene Chrm1 und Chrm3 fallen Mäuse nicht mehr in den REM-Schlaf.
Zwei einflussreiche Gene
Die Ergebnisse offenbarten: Vor allem die Rezeptoren Chrm1 und Chrm3
scheinen entscheidend für die Schlafarchitektur zu sein. Bei Mäusen ohne
ein aktives Chrm1-Gen zeigten sich im Gehirn demnach Anzeichen für
einen fragmentierten und insgesamt deutlich kürzeren REM-Schlaf. War
Chrm3 ausge- schaltet, reduzierte sich hingegen die Dauer des
Non-REM-Schlafs.
Schalteten die Wissenschaftler beide Gene gleichzeitig aus, führte dies
zu einem drastischen Effekt: Die Nager durchliefen im Schlaf fast
überhaupt keine Traumschlafphasen mehr. Der Anteil des Traumschlafs
verringerte sich auf ein kaum mehr nachweisbares Ausmaß, wie das Team
berichtet - von 72 Minuten bei nicht genveränderten Kontrolltieren auf
null Minuten bei den Nagern ohne Chrm1- und Chrm3-Gen.
"Paradox und geheimnisvoll"
Die Ergebnisse legen nahe, dass die nun identifizierten Gene eine
wesentliche Rolle in Sachen Schlafregulation spielen. "Diese Erkenntnis
eröffnet neue Möglichkeiten, den REM-Schlaf genauer zu erforschen und in
Zukunft womöglich besser definieren zu können - eine Schlafphase, die
seit ihrer Entdeckung paradox und geheimnisvoll erscheint", konstatiert
Niwas Kollege Hiroki Ueda.
Dabei wird sich auch zeigen, ob der Traumschlaf wirklich so wichtig für
unsere körperliche Gesundheit ist wie gedacht. Denn überraschenderweise
überlebten die betroffenen Mäuse trotz des totalen Mangels an
REM-Schlaf. "Das wirft die Frage auf, ob diese Schlafphase tatsächlich
entscheidend für fundamentale biologische Funktionen wie Lernen und
Gedächtnis ist", sagt Niwa. Weitere Studien sollen dabei helfen, dieses
Geheimnis zu lüften. (Cell Reports, 2018; doi: 10.1016/j.celrep.2018.07.082)
Warum dich Alexa und Siri niemals verstehen werden
Von Joel Wille Künstliche Intelligenz nimmt uns mehr und mehr das Denken ab. Was wären
wir ohne die Suchvorschläge von Google, Apple oder Amazon? Das Problem
ist nur: Sie können uns gar nicht verstehen und werden es nie können.
Das soll uns folgendes Gedankenexperiment zeigen.So ungefähr sieht eine Konversation mit einem Sprachassistenten aus:
Mensch: „Alexa, was ist Pfeffer?“
Alexa: „Der Pfefferstrauch, auch schwarzer Pfeffer oder kurz Pfeffer genannt …“
Der
Mensch stellt eine einfache Frage und bekommt eine komplizierte
Antwort. Sprachassistenten interpretieren unsere Fragen falsch. Ihre künstliche Intelligenz steckt noch im Kleinkindstadium. Vielleicht bessert sich das in Zukunft?
Nein, niemals, meint der Philosoph John Rogers Searle.
John Searle
An
seinem Gedankenexperiment „Das Chinesische Zimmer“ kommt heute niemand
vorbei, der sich mit Philosophie befasst. Dabei erblickte das
„Chinesische Zimmer“ das Licht der Welt bereits 1980.
Das Gedankenexperiment
lässt uns tiefer blicken in das menschliche Bewusstsein. Das zumindest
hofft Searle. Legen wir los: Du nimmst an einem Versuch teil und lässt
dich in ein Zimmer sperren. Vor dir liegen Körbe mit chinesischen
Zeichen. Schade, dass du kein Wort Chinesisch sprichst. Dann wirft man
dir durch einen Türschlitz noch andere chinesische Zeichen zu. Nennen
wir sie der Einfachheit halber die Zeichenfolge UVW. Die bildet eine
Frage (nur du kannst ja nicht mal verstehen, dass das eine Frage sein
soll). Da fällt dein Blick auf ein Buch. Darin steht, wie du die
Zeichenfolge kombinieren kannst. Auf einer Seite heißt es zum Beispiel:
„Wenn die Zeichenfolge UVW kommt, wirf die Zeichenfolge XYZ durch den
Türschlitz.“
Na
also! Man hat dir UVW zugeworfen, drum wirfst du XYZ durch den Schlitz.
Was du nicht weißt: XYZ war eine korrekte Antwort auf die Frage UVW.
Die Leute hinter der Tür freuen sich über deine Antwort. Das
Frage-Antwort-Spiel könnte immer so weitergehen. Searle meint sogar:
"Wenn die Leute hinter der Tür nicht aufgeklärt werden, würden sie nie merken, dass du kein Chinesisch kannst." John Rogers Searle,Philosoph, University of California, Berkeley
Doch eine Frage kommt auf: Wenn die Leute zufrieden sind mit den Antworten – vielleicht kannst du dann ja wirklich Chinesisch?
Searle antwortet auf diese Frage mit Nein.
Und genau mit diesem Denkansatz kritisiert er künstliche Intelligenz.
Kann
künstliche Intelligenz Chinesisch oder eine andere Sprache sprechen?
Searle sagt: Nein. Denn künstliche Intelligenz würde beim Sprechen auch
nur Regeln befolgen und die Wörter nicht verstehen.
Programme wie Siri oder der Alexa-Sprachassistent
schnappen sich beim Sprechen im Sekundentakt Wörter aus Datenbanken von
Wikipedia und Co – so, wie du aus den Körben die Zeichen greifst. Wenn
du Alexa fragst: „Was ist deine Lieblingsfarbe?“, zieht Alexa die
Antwort aus der Datenbank. Was es bedeutet, eine Lieblingsfarbe zu
haben, kann Alexa nicht verstehen.
Das
Programm selbst enthält die Regeln, wie es die Wörter kombinieren kann.
Es ist nichts anderes als das Buch in unserem Gedankenexperiment. Nur
passen ins Programm sicherlich mehr Regeln rein, und es ist imstande,
immer wieder neue Regeln aufzunehmen. Das chinesische Zimmer ist also
nur eine Illustration für Kritik an der so viel gelobten künstlichen
Intelligenz. Searle meint, Sprachassistenten geht es wie dir im
chinesischen Zimmer. Künstliche Intelligenz kann nicht sprechen.
Maschinen können nur strukturelle Regeln lernen (Syntax) und mit diesen
Regeln nie auf die Bedeutungsebene von Zeichen oder Wörtern (Semantik)
vordringen. Wir können auch semantische Inhalte verstehen, und das liegt
an der Natur des Bewusstseins selbst.
"Unsere geistigen Zustände haben semantischen Gehalt."
Geistige
Zustände und Sprache haben beide eine semantische Ebene. Und irgendwie
ist das auch kein Wunder – schließlich hat der menschliche Geist ja die
Sprachen erdacht.
Zwei Fragen bleiben jedoch offen, und so geben
wir sie an dich weiter: Was soll das heißen, „unsere geistigen Zustände
haben semantischen Gehalt“? Und für welche Berufe eignet sich ein Mensch
deshalb besser als eine künstliche Intelligenz?
Nota. - Semantischer Gehalt ist das, was gewöhnlich Bedeutung genannt wird. Bedeutung ist dasjenige, was mich veranlassen kann, dieses oder jenes zu tun oder zu lassen. Woraus sogleich erhellt: Irgend etwas hat nicht Bedeutung an sich, sondern für mich. Damit etwas für mich etwas bedeuten kann, muss ich handeln können, und das heißt nicht bloß: irgendwas tun, sondern willentlich etwas tun. Tun kann die Maschine auch dieses und jenes. Aber sie kann es nicht selber wollen. Sie kann den Willen eines Subjekts wie irgendein anderes Kommando entschlüsseln und ausführen. Aber aus freien Stücken selber etwas wollen, z. B. ein Stück Holz zu einem Kochlöffel bedeuten und im Geist bestimmen kann sie nicht. JE