Freitag, 20. Mai 2016

Reiner Humbug ist die Alchemie nicht gewesen.

Blick in ein Alchemistenlabor des 15. Jahrhunderts
aus scinexx

Alchemie
Forscher entschlüsseln die geheimen Rezepte der Alchemisten
Sie wollten Blei zu Gold machen und suchten nach dem Stein der Weisen: Die Alchemisten des Mittelalters und der Renaissance galten lange als Pseudogelehrte oder sogar Quacksalber. Doch ihre Methoden und geheimen Rezepte haben es durchaus in sich – wenn man sie denn entschlüsseln kann.

von Nadja Podbregar

Die Alchemie war weit mehr als nur mystisch verbrämtes Unwissen oder gar Quacksalberei. Im Gegenteil: Heute gilt die Herangehensweise dieser frühen Gelehrten sogar als wegweisend für die Chemie und die Wissenschaft insgesamt. Denn die Alchemisten gehörten zu den ersten, die moderne Deduktionsmethoden nutzen: Sie führten systematische Experimente zum Test von Hypothesen durch und zogen daraus ihre Schlüsse.

Aus ihren Niederschriften lässt sich daher auch heute noch einiges lernen - vorausgesetzt man versteht diese oft sehr verklausulierten Hinweise. Den Versuch, die Rezepte und Methoden der alten Alchemisten zu enträtseln und nachzuvollziehen, machen zurzeit gleich mehrere Forschungsprojekte – mit durchaus spannenden Ergebnissen.
 

Inhalt:

  1. Nur Hokuspokus und Quacksalberei?
    Der schlechte Ruf der Alchemie
  2. Innovative Pioniere
    Alchemie als Basis moderner Wissenschaft
  3. Geheime Rezepte
    Wenn der Drache den Mond verschluckt
  4. Baum aus Gold und gelbes Glas
    Die Tücke liegt im Detail
  5. Das Geheimnis der Tiegel
    "Geheime Zutat" entpuppt sich als Hightech-Mineral
  6. Blei zu Gold
    Den "Stein der Weisen" gibt es doch


Stand 20.05.2016

Donnerstag, 19. Mai 2016

Am Anfang war der Geschmack.

aus scinexx

Feinschmecker im Fruchtwasser
Der Geschmack entwickelt sich als erstes
Warm und geschützt schwimmt das Ungeborene in seiner Fruchtblase. Was aber bekommt es von der Außenwelt mit? Mehr als man lange Zeit gedacht hat, das weiß man inzwischen. Welche Sinne sich in welchem Alter des Fötus entwickeln, ist inzwischen recht gut untersucht. Vor allem der Geschmack und das Gehör entwickeln sich demnach schon sehr früh.

von Nadja Podbregar

Igitt, bitter!

Den Anfang macht der Geschmack: Noch bevor wir hören oder sehen können, schmecken wir. Als Ungeborene schlucken wir schon sehr früh das uns umgebende Fruchtwasser und nehmen dabei die typischen Komponenten dieser nährenden Flüssigkeit auf. Schon in der achten Schwangerschaftswoche bildet der heranwachsende Fötus die ersten Geschmacksrezeptoren. 

Ab der 15. Woche nimmt das Ungeborene nach und nach auch die Aromen des geschluckten Fruchtwassers wahr, wie Versuche zeigen: Fügt man dem Fruchtwasser durch eine Kanüle eine sterile Zuckerlösung hinzu, dann beginnt das Ungeborene, häufiger zu schlucken. Macht man das Fruchtwasser dagegen bitterer, sinkt die Schluckrate.

Prägende Aromen

Spätestens mit Beginn des letzten Schwangerschaftsdrittels ist das Ungeborene ein echter "Mitschmecker": Was die Mutter isst, das kostet auch ihr Kind. Denn die meisten Aromastoffe finden sich nach kurzer Zeit im Blut und Fruchtwasser der Schwangeren wieder. Und diese Aromen können die Geschmacksvorlieben des Ungeborenen fürs Leben prägen. Isst die Mutter beispielsweise viel Süßes, stärkt dies den ohnehin angeborenen Süßhunger des Nachwuchses.

Nimmt sie dagegen in der Schwangerschaft viel Knoblauch zu sich, dann schmeckt auch den Neugeborenen anschließend Muttermilch mit leichter Knoblauchnote besser als die "ungewürzte" Milch, wie ein Experiment zeigte. Ähnlich prägend erwiesen sich darin Anis, Karotten, Minze, Vanille und Blauschimmelkäse. Wer daher sein Kind schon früh auf abwechslungsreiche und gesunde Essensvorlieben eichen möchte, der sollte in der Schwangerschaft am besten schon selbst das richtige essen – das gibt dem Kind wortwörtlich einen ersten Vorgeschmack.
neunte Woche
Das Sehen: Licht ja, Details nein

Etwa ab dem sechsten Monat beginnt auch der Sehsinn des Ungeborenen aktiv zu werden. Zwar sind seine Augen noch geschlossen, doch auch durch die geschlossenen Lider kann der Fötus jetzt schon Licht wahrnehmen. Strahlt man mit einer starken Taschenlampe auf den Bauch, kann es passieren, dass das ungeborene Kind seinen Kopf wegdreht.

Allerdings: Formen und Details kann das Ungeborene noch nicht erkennen. Erst wenn sich seine Augen in der 26. Woche öffnen, beginnt der Sehsinn weiter zu reifen. Dennoch hinkt er den anderen Sinnen des Kindes stark hinterher. Deshalb ist ein Säugling nach der Geburt extrem kursichtig und sieht die Welt um sich herum zunächst nur unscharf und zweidimensional. Farben erkennt das Baby sogar erst nach rund zwei Monaten.


Stand 13.05.2016


Dienstag, 17. Mai 2016

Erwartungen dringen darauf, erfüllt zu werden; oder: Sind Männer suggestibler als Frauen?

aus scinexx                        Wie sehr schmerzt es? Je nach Erwartung bewerten Männer Schmerzen anders

Erwartungen beeinflussen Schmerzempfinden
Schmerztoleranz von Männern ist manipulierbar
Schmerzlindernde Wirkung: Werden Männer mit der Information versorgt, dass sie Schmerzen besser ertragen können als Frauen, wirkt sich das prompt aus – sie bewerten Hitzereize dann als weniger unangenehm. Umgekehrt funktioniert der Effekt aber auch, wie ein Experiment zeigt: Wer denkt, Frauen hätten eine höhere Schmerztoleranz, kann Schmerzen weniger gut aushalten als ohne diese Erwartung.

Unsere eigenen Erwartungen sind machtvolle Manipulateure: Sie beeinflussen, wie wir andere Menschen wahrnehmen, wirken sich auf unsere Leistungen aus – und sind der Grund dafür, dass es den Placebo-Effekt gibt. "Der Placebo-Effekt funktioniert gerade bei der Behandlung von Schmerzen oft sehr gut", sagen Wissenschaftler um Katharina Schwarz von der Universität Würzburg.

Die pure Erwartung, ein Medikament zu bekommen, kann das Befinden verbessern. Doch nicht nur die Gabe eines vermeintlichen Arzneimittels lindert mitunter Schmerzen. Vorurteile über die persönliche Schmerzempfindlichkeit haben einen ähnlichen Effekt, wie die Forscher nun bei einem Experiment herausfanden.
 

Männer beim Schmerztest

Für ihre Untersuchung unterzogen Schwarz und ihre Kollegen Männer einem Hitzetest. Dabei wurden die Probanden mithilfe eines Umschnallbands am Unterarm mit verschiedenen Temperaturreizen konfrontiert. Den dabei empfundenen Schmerz mussten die Teilnehmer dann auf einer Skala von "kein Schmerz" bis "unerträglich" bewerten.

Am nächsten Tag wiederholten die Wissenschaftler diese Prozedur – mit einem einzigen Unterschied: Eher beiläufig ließen sie die Männer vorher auf einem Infoblatt wissen, dass sie entweder weniger empfindlich oder empfindlicher gegen Schmerzen seien als Frauen. Begründet wurde das jeweils evolutionspsychologisch: Eine Versuchsgruppe erhielt die Information, dass Männer beispielsweise als Jäger besonders gut an Schmerzen gewöhnt seien. Die andere Gruppe bekam zu lesen, dass Frauen durch die Schmerzen der Geburt besonders abgehärtet sind.

 

Deutlicher Effekt


Diese neue Information beeinflusste das Schmerzempfinden der Männer deutlich: Beim erneuten Hitzeexperiment, bewerteten die Probanden, die Männer für weniger empfindlich hielten, den Schmerz als deutlich schwächer als am Tag davor. Wer dagegen von der höheren Schmerztoleranz der Frauen gelesen hatte, stufte sich jetzt im Vergleich als schmerzempfindlicher ein. Schon die Aussage "Du bist viel unempfindlicher gegen Schmerzen als andere", kann demnach kleine Wunder bewirken.

Die Wissenschaftler wollen künftig weiter untersuchen, wie weit der Einfluss von Erwartungen beim Menschen gehen kann. Praktisch bedeutsam seien solche Mechanismen nicht nur für Therapien, sondern auch in der psychologischen Forschung: "Auch Wissenschaftler haben bei ihrer Arbeit gewisse Erwartungen. Falls sie die ins Versuchsdesign einfließen lassen und die Probanden – ganz ohne böse Absicht – entsprechend beeinflussen, kann das Ergebnisse verfälschen", schließen sie. (Trends in Cognitive Sciences, in press; doi: 10.1016/j.tics.2016.04.001)
(Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 13.05.2016 - DAL)


Nota. - Und Sie haben jetzt erwartet, Sie erführen etwas über den Unterschied schwischen Mann uund Frau! Ach - Sie sind gar kein Mann, sondern eine LeserIn? Dann werden Sie sich ohnehin gefragt haben: Und was ist mit den Frauen? Und haben gemerkt: Darüber sagt der Test nichts. Aber vielleicht erst hinterher gemerkt! Männer, die es eilig hatten, hab en es vielleicht auch dann nicht bemerkt. Und sehen Sie: So hat sich die Erwartung doch erfüllt; Männer sind suggestibler!
JE 

Freitag, 6. Mai 2016

Wir haben uns das Menschsein erfressen.

aus derStandard.at, 4. Mai 2016, 19:00


Warum wir mehr Kalorien verbrauchen als Gorillas
Menschen haben eine höhere Metabolismusrate als die übrigen Menschenaffen – laut einer neuen Studie liegt hier ein Schlüssel zur Intelligenz

New York – Menschen verbrauchen im Schnitt deutlich mehr Kalorien als ihre unmittelbaren Verwandten. Forscher mehrerer US-amerikanischer Universitäten analysierten die verschiedenen Arten von Menschenaffen (Hominidae), indem sie zu jeder Spezies den durchschnittlichen Kalorienverbrauch errechneten und anschließend hypothetische Vertreter von jeweils gleicher Masse miteinander verglichen.
 
In Relation zur Körpergröße ergab sich dabei, dass ein Mensch täglich 400 Kalorien mehr verbraucht als ein Schimpanse oder Bonobo von gleichem Gewicht, um 635 mehr als ein Gorilla und gar um 820 mehr als ein Orang-Utan. Der absolute Verbrauch sieht aufgrund der erheblichen körperlichen Unterschiede etwa zwischen Gorillas oder Bonobos natürlich anders aus.
 
Knapp 200 Probanden
 
In die Studie, die im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurde, sind Daten über 141 Menschen und 56 Zootiere eingeflossen: 27 Schimpansen, 8 Bonobos, 10 Gorillas und 11 Orang-Utans. Menschen wie auch Nichtmenschen wurden über sieben bis zehn Tage hinweg bei ihren täglichen Routinen unter Beobachtung gehalten, die Forscher maßen den Kalorienverbrauch sowohl in Ruhephasen als auch bei körperlicher Aktivität.
 
Die Daten der menschlichen Probanden wurden übrigens nicht auf dieselbe Weise erhoben wie die der anderen: Sie stammen aus einer separaten Studie, der Epidemiological Transition Study (METS). Die Teilnehmer daran kamen aus den USA, Südafrika, Ghana, den Seychellen und Jamaika.

Interpretationen
 
Studienerstautor Herman Pontzer vom New Yorker Hunter College sieht in den Ergebnissen die Ausgangshypothese bestätigt, dass Menschen eine höhere Metabolismusrate haben als andere Menschenaffen. Das, so der Forscher, habe dem Menschen ein "höheres Energiebudget" eingebracht und dieses die Entwicklung eines größeren Gehirns ermöglicht. Auch dass bei den Menschen im Schnitt ein wesentlich höherer Anteil an Körperfett festzustellen sei, passe ins Bild – es handle sich dabei um notwendige Reserven.
 
Im Nachhinein ist die Kausalität nicht mehr so einfach zu bestimmen: Menschen entwickeln ein größeres Gehirn, und dieses verbraucht mehr Kalorien. Pontzer und seine Kollegen glauben aber, dass sich ohne eine vorherige Veranlagung des Menschen zu einem schnelleren Metabolismus das größere Gehirn nicht entwickeln hätte können.
 
Die Forscher verweisen dabei auf die oft beklagte Veranlagung des Menschen, Fett anzusetzen. Unsere Verwandten hingegen würden vergleichsweise schlank bleiben – auch in Gefangenschaft, wo das Level an Aktivität gering ist. Was heute primär als gesundheitlicher Nachteil betrachtet wird, sei also ursprünglich ein evolutionärer Vorteil gewesen. (red.)


Abstract
Nature: "Metabolic acceleration and the evolution of human brain size and life history"



Nota. - Aber das ist doch eine olle Kamelle, dass das enorme Wachstum des Gehirns in der Familien Homo auf einen veränderten Energieumsatz zurückzufüren sei; allerdings ging es dabei nicht um die Menge, sondern auf die Qualität der Nahrung: Mit dem aufrechten Gang seien die Frühmenschen schließlich zu regelmäßigen Jäger geworden, die ständig eiweißhaltige Fleischkost zu sich nahmen (während selbst Schnimpansen nur ganz ausnahmsweise jagen). Es ist vor allem Eiweiß, das zum Gehirnaufbau nötig war.
JE

Donnerstag, 5. Mai 2016

'Information' als Wortschleier.

aus NZZ, 10. 10. 06 

Information als Legende 
Peter Janichs philosophischer Einspruch

von Bernhard Dotzler

Ein Missstand mehr in der Welt. Zu den vielen Unseligkeiten, die uns die beste aller Welten vergällen, zählt nach Ansicht des Marburger Philosophen Peter Janich auch die Inflationierung des Informationsbegriffs. «Allgegenwärtig», sagt er, «ist die Legende von der Naturalisierung der Information»: «Ob als Grundbegriff von Theorien des Kultürlichen oder als natürliche Erbinformation, ob als Namengeber einer jungen Wissenschaft oder als Politikum, ob als Bezugspunkt einer gewaltigen Technologie oder als Fixpunkt einer wirtschaftlichen Heilsbotschaft, die Legende von der Information hat viele Formen, Erzähler und Adressaten.»

Ginge es nur um diese Häufung, wäre Janichs Buch freilich nichts als ein Teil des inkriminierten Übels. Aber die Kritik gilt dem, was sein Autor die «Naturalisierung» der Information nennt, sowie dem Umstand, dass es sich dabei um eine «Legende» handelt. Den faktischen Stellenwert der Informationstechnologie zieht Janich nicht in Zweifel. Nur wenn darüber hinaus eine einseitig natur- und technikwissenschaftliche Zurichtung des Begriffs der Information die Folge ist, soll darin eine gefährliche Fehlentwicklung zu erkennen sein. «Naturalisierung» meint ebendiese Zurichtung. Es sei, klagt Janich an, regelrecht das Programm der Naturwissenschaften, die alleinige und deshalb auch die volle Zuständigkeit für Information zu beanspruchen. Statt dadurch aber zu einer Sache allein von Experten geworden zu sein, habe ausgerechnet dieser naturwissenschaftlich okkupierte Informationsbegriff – so unbemerkt wie effizient – weite Kreise gezogen. Insofern sei «Information als Naturgegenstand» zur «Legende» geworden: zu einer Geschichte, die man für wahr hält, ohne dass ihre Wahrheit gesichert wäre.

Aufklärung, sagt da der Philosoph, tut not. Das Argument, mit dem er sie leisten will, hat eine sehr einfache Grundform. «Information» gehört ursprünglich in den Zusammenhang menschlicher Kommunikation. Der Begriff ist oder war Element «einer Sprache, die üblicherweise nur auf redende und schreibende Menschen angewandt wird». Dasselbe Vokabular wurde dann jedoch herangezogen, um nachrichtentechnische Vorgänge zu beschreiben; und diese technischen Beschreibungen wiederum wurden auf Gebiete wie die Molekularbiologie und die Hirnforschung übertragen. Auf einmal schienen technische Objekte nicht anders als die Bausteine des menschlichen Genoms oder Gehirnzellen Eigenschaften des Menschen zu besitzen. Ja, in der neuen «Werbesprache» geschieht das Gleiche noch mit den einfachsten Dingen: «Da halten bei einem neuen Autotyp Form und Funktion Zwiegespräch, da erkennt ein Shampoo die Nöte des Haares… Immer, so scheint es, dient es der Aufwertung einer Sache, sie als sprachlich, kommunikativ oder kognitiv darzustellen.» So wird «spezifisch Menschliches» einerseits auf alle möglichen Bereiche ausgedehnt, während andererseits dieses Menschliche – Sprache, Kommunikation und Erkenntnis – längst «auf nachrichtentechnische Strukturen» reduziert worden ist.

Man kennt die Stoßrichtung dessen, was hier als «Kritik einer Legende» vorgetragen wird. Dass diese Art von Einspruch gegen den Reduktionismus einer naturwissenschaftlich-technisch dominierten Denk- und Redekultur einer solchen Neuauflage bedurft hätte oder dass er gar mehr hilft als die Regalmeter seit langem geführter Debatten, darf man mit Fug und Recht bezweifeln. Doch gibt es noch eine andere Lesart, welche diesem Buch vielleicht etwas mehr abzugewinnen erlaubt. Es ist auch, so schlicht wie darin verdienstvoll, eine Erinnerung an einige der kanonischen Texte zur Zeichen- und Informationstheorie: Texte von Morris, von Shannon und Weaver, von Wiener, von Turing.

Im Rückgang auf deren Aussagen aber ruft es einen heute fast vergessenen Impuls der Technikentwicklung des letzten halben Jahrhunderts ins Gedächtnis, die anfängliche Hoffnung nämlich, «Maschinen bauen zu können, die in ihren Leistungen von denen des Menschen ununterscheidbar sind». In den Medien werden die zugehörigen Phantasien durchaus noch gepflegt, man denke an Filme wie «I Robot» oder die Fortsetzung von «Ghost in the Shell», die unlängst in den Handel kam. Aber niemand würde die Medien selber für eine Realisierung jenes zweifelhaften Traums halten. Insoweit hat die Internetkultur ihn verdrängt. Das Menetekel trog, sagen die Marketingleute; das Menetekel, sagen die Philosophen, konnte und kann nicht eintreffen. Sieht man dagegen, welche kategorialen Überlagerungen die Menschen- und die Medienwelt dennoch in eins setzen, gilt es zu überlegen, ob es nicht doch längst wahr geworden ist. 

Peter Janich: Was ist Information? Kritik einer Legende. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2006. 181 S., Fr. 27.10.


Nota. Der Schluss ist überheblich. Allerdings ist das rezensierte Buch – womöglich um der Schärfe der Polemik willen – ein wenig halbherzig. –

Was ist falsch daran, wenn ich sage, nachdem ich gegen einen Stein getreten und ihm eine bestimmte Flug-richtung mitgeteilt habe, ich hätte ihm  "Information" gegeben? Es kommt immer auf den Sinnzusammen-hang an, in den diese Formulierung passt oder nicht passt. Es ist mystifizierend und wichtigtuerisch, das Wort in allen erdenklichen und am liebsten jenen Fällen zu gebrauchen, wo es nichts sagt, nämlich keine zusätzliche 'Information' mitteilt. Und wo passt es? Überall da, wo darauf abgesehen wird, dass einem Etwas eine Eigenschaft von außen hinzugefügt wird. Wo ein Organismus eine Eigenschaft sponte sua aus sich heraus entwickelt, ist es sinnlos und irreführend, wenn man sagt, er habe sich selber 'eine Information gegeben'.

Womit das Wort seine eigentliche Spitze nicht an dem bekommt, was es bezeichnet, sondern an dem, was es folglich nicht bezeichnet: Die unter Didaktikern gängige Vorstellung, 'Wissen' käme schlechthin nur als 'Information' zu Stande, entlarvt sich dadurch als später Widerhall des plumpsten philosophischen Dogma-tismus. Tatsächlich geschieht Information ja nicht aus dem Umstand, dass sie 'gegeben' oder 'genommen' wird, sondern indem eine Organismus sie 'sich zu eigen' macht. Erst diese Einsicht macht die Frage nach dem Anteil sinnvoll, den der freie Wille dabei spielt – und der Einfluss, den die Didaktik auf ihn nehmen kann. Merke: Nicht die Nachricht 'in/formiert' den Organismus, sondern ihre Zurkenntnisnahme.  
JE




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Mittwoch, 4. Mai 2016

Selektive Wahrnehmung: Auch das Herz filtert.

aus nzz.ch, 4.5.2016, 13:47 Uhr

Hirnforschung
Warum wir unser Herz nicht schlagen hören
Das menschliche Gehirn unterdrückt die Sinneseindrücke des eigenen Herzschlags, wie Lausanner Forscher herausgefunden haben. Das hilft dem Gehirn, die Aussenwelt ungestört wahrzunehmen – hat aber einen Preis. 

(sda) Meistens spüren wir unser Herz nicht schlagen. Verantwortlich ist eine Filterfunktion des Gehirns, wie ein Wissenschafterteam der ETH Lausanne (EPFL) im Fachjournal «The Journal of Neuroscience» berichtet. Die Forschenden hätten entdeckt, dass eine bestimmte Hirnregion darüber entscheidet, wie äussere und innere Sinneseindrücke zusammenspielen, schrieb die EPFL am Mittwoch in einer Mitteilung.



Den Wissenschaftern fiel auf, dass das menschliche Denkorgan visuelle Reize weniger effizient verarbeitet, wenn sie zeitgleich mit dem Herzschlag auftreten. «Wir sind nicht objektiv und wir sehen nicht alles, was auf unsere Netzhaut trifft, wie eine Videokamera», liess sich Studienautor Roy Salomon in der Mitteilung zitieren.

Das Herz beeinflusst, was wir sehen

Das Gehirn entscheide, welche Informationen ins Bewusstsein dringen sollen. «Aber überraschend ist, dass auch unser Herz beeinflusst, was wir sehen», so Salomon weiter.

Die Forschenden zeigten mehr als 150 Freiwilligen eine achteckige Form, die auf einem Bildschirm aufblinkte. Wenn das Bild gleichzeitig mit dem Herzschlag blinkte, hatten die Probanden mehr Mühe, die Form zu erkennen.

Anschliessend wiederholten die Wissenschafter das Experiment in einem Hirnscanner. Blinkte die Form nicht im Rhythmus des Herzschlags, funktionierte eine bestimmten Hirnregion, die sogenannte Inselrinde, normal, und die Probanden hatten keine Probleme, die Form zu erkennen.

Leuchtete das Bild im Takt mit dem Herzschlag auf, war die Inselrinde viel weniger aktiv, und die Teilnehmenden waren sich der Form, die sie sahen, weniger oder sogar gar nicht bewusst. Offenbar ist das die Kehrseite davon, dass das Hirn die Wahrnehmung des Herzschlags unterdrückt: Wir sind in diesem Moment auch weniger empfänglich für andere Sinneseindrücke.

Sinnvoller Filter

Interne Reize sollten nicht die Wahrnehmung äusserer Reize stören, sagte Salomon. «Da unser Herz schon schlug, als sich unser Gehirn noch formte, waren wir dem Herzschlag schon vom Beginn unserer Existenz an ausgesetzt.» Es sei daher nicht überraschend, dass das Gehirn die Wahrnehmung des Herzens grösstenteils unterdrücke.

Dass diese Filterfunktion Sinn ergibt, zeigt sich auch, wenn sie nicht richtig funktioniert. Sich des eigenen Herzschlags bewusst zu sein, hänge mit einer Reihe psychologischer Probleme zusammen, schrieb die EPFL.

Beispielsweise nehmen Patienten mit Angststörungen ihren Herzschlag viel deutlicher wahr als andere. Aber auch Personen ohne solche Probleme können ihren Herzschlag spüren, wenn sie zum Beispiel grosse Aufregung oder Angst erleben.

Ob Angststörungen Ursache oder Folge einer defekten Filterfunktion sind, sei indes nicht klar. «Wir wissen nur, dass wir uns meistens unseres Herzschlags nicht bewusst sind und dass eine bestimmte Hirnregion dafür zuständig ist, seine Wahrnehmung zu unterdrücken», so Salomon.


Nota. - Wir wissen, dass das Merken in zeitlichen Intervallen geschieht - der für uns selbstverständliche, aber unbegreifliche Unterschied von bewusst und unbewusst beruht darauf. Auch hier haben wir es mit ein Rhythmisierung des Für-wahr-Nehmens zu tun. Ist Rhythmus überhaupt eine Determinante unserer Geistigkeit? Verhalten sich unregelmäßige zu regelmäßigen Rhythmen u8ngefaähr so wie Dissonanzen zu Harmonien?
JE




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Dienstag, 3. Mai 2016

Empathie und Perpektivwechsel sind nicht dasselbe.

 aus scinexx 

Intensives Mitgefühl kann Verstehen beeinträchtigen
Starke Aktivität in Empathie-relevanten Hirnregionen hemmt Hirnbereiche für Verstehen
Wer empathisch ist, kann andere auch gut verstehen? Diese Gleichung geht Forschern zufolge nicht immer auf. Sie zeigen mit einem Experiment, dass überbordendes Einfühlen das kognitive Verstehen sogar beeinträchtigen kann. Demnach können die für die beiden Fähigkeiten zuständigen neuronalen Netzwerke einander hemmen. Die Folge: Fühlen wir intensiv und emotional mit, verstehen wir mitunter schlechter, was das Gegenüber weiß, plant oder will.
Die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt von anderen hineinversetzen zu können, ist bei Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Veränderte Hirnaktivitäten machen Studien zufolge rund ein Fünftel der Bevölkerung zu besonders sensiblen und empathischen Personen. Im Umgang mit Mitmenschen kann diese Eigenschaft zum Vorteil werden. "Eine erfolgreiche soziale Interaktion basiert auf unserer Fähigkeit, an den Gefühlen anderer teilzuhaben", sagen Psychologen um Philipp Kanske vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig.

Ebenso wichtig wie Empathie ist es aber, die Gedanken und Absichten anderer erennen zu können. Doch können Menschen, die sich gut in andere hineinfühlen können, diese auch zwangsläufig gut verstehen? Dieser Frage ist das Team um Kanske nun nachgegangen – und hat Erstaunliches festgestellt.


Gute Empathie gleich gutes Verständnis?

Die Forscher wollten wissen, ob Empathie und die sogenannte kognitive Perspektivübernahme – also das Vermögen zu verstehen, was andere Menschen wissen, planen oder wollen – miteinander einhergehen. Dafür untersuchten sie, wie unterschiedliche Personen auf bestimmte Videosequenzen reagieren – und welche Hirnareale dabei aktiv sind.

Kanske und seine Kollegen zeigten rund 200 Studienteilnehmern eine Reihe von kurzen Filmen, in denen der Erzähler mal mehr, mal weniger emotional war. Anschließend sollten die Probanden angeben, wie sie sich selbst fühlten und wie sehr sie mit der Person in dem Film mitgefühlt hatten. Zudem mussten sie Fragen zu den Filmen beantworten, beispielsweise was die Personen gedacht, gewusst oder gemeint haben könnten.


Hirnaktivität im Blick 

Auf diese Weise identifizierten die Psychologen Probanden mit einem hohen Maß an Empathie. Anschließend untersuchten sie, wie die empathischen Menschen im Vergleich zu den weniger einfühlsamen bei dem Test zur kognitiven Perspektivübernahme abgeschnitten hatten. Hatten sie die Personen im Film womöglich auch besser verstanden?

Zudem beobachteten die Wissenschaftler mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie, welche Bereiche des Gehirns der Teilnehmer während des Tests aktiv waren. "Uns interessierte, ob sich die für die beiden Leistungen Empathie und Perspektivübernahme zuständigen neuronalen Netze gegenseitig beeinflussen", schreiben die Forscher.


Starkes Mitgefühl beeinträchtigt Verstehen 

Die Hirnbilder offenbarten: Tatsächlich interagieren diese beiden Netzwerke im Gehirn miteinander – und sie scheinen sich gegenseitig ausbremsen zu können, wie die Wissenschaftler berichten. In sehr emotionalen Situationen, zum Beispiel wenn jemand vom Tod eines Freundes erzählt, kann demnach eine Aktivierung in einem Teil des Empathie-relevanten Netzwerkes, der sogenannten Insula, bei manchen Menschen einen hemmenden Einfluss auf die für die Perspektivübernahme relevanten Gehirnareale haben.

"Das führt wiederum dazu, dass überbordendes Einfühlen Verstehen sogar beeinträchtigen kann", schreiben Kanske und seine Kollegen. Ihre Studie habe gezeigt: "Menschen, die zu Mitgefühl neigen, sind demzufolge nicht notwendigerweise diejenigen, die andere Menschen kognitiv gut verstehen." 

Die Fähigkeit zur Empathie geht demnach nicht automatisch mit der Fähigkeit zum Verstehen einher. Vielmehr beruhe soziale Kompetenz auf verschiedenen und voneinander unabhängigen Fertigkeiten, so das Fazit der Forscher. So sollten Trainings, die das Ziel haben, soziale Kompetenz zu verbessern, die Bereitschaft sich in andere einzufühlen und die Fähigkeit, andere kognitiv zu verstehen, getrennt voneinander fördern, berichten sie. (Social Cognitive and Affective Neuroscience, 2016; doi: 10.1093/scan/nsw052)
(Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 02.05.2016 - DAL)
Nota. -  Empathie und Perspektivwechsel sind nicht dasselbe. Sie haben 'miteinander zu tun', aber nicht als Verbündete, sondern als Rivalen. (Erkennen ist kein Identifizieren, sondern ein Unterscheiden.) JE




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