Donnerstag, 7. Februar 2019

Dem Bewusstsein auf der Spur.

Gehirn
aus scinexx

Blick ins bewusstlose Gehirn Aktivitätsmuster ermöglichen Unterscheidung zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit

Wach oder bewusstlos? Dies sicher festzustellen, ist schwieriger als man meinen könnte. Nun haben Forscher jedoch Gehirnmuster identifiziert, die für Menschen mit und ohne Bewusstsein charakteristisch sind. Demnach unterscheidet sich die Aktivität und Verknüpfung einzelner Hirnregionen bei diesen beiden Zuständen deutlich. Die nun identifizierten Muster könnten daher in Zukunft als eine Art Fingerabdruck fungieren, um zu erkennen, ob beispielsweise Patienten mit Hirnverletzungen noch bei Bewusstsein sind oder nicht.

Jeden Tag aufs Neue gleiten wir in einen Zustand der Bewusstlosigkeit: Wir schlafen – und bekommen dann nichts mehr von unserer Umgebung mit. Doch nicht nur der Schlaf kann uns das Bewusstsein rauben. Etwas ganz Ähnliches passiert, wenn wir Narkosemittel verabreicht bekommen oder eine schwere Hirnverletzung erleiden.


Gerade in einer solchen Situation ist es häufig allerdings schwierig zu beurteilen, ob ein Patient wirklich vollständig bewusstlos ist, oder doch noch etwas von seiner Umwelt wahrnimmt. So gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle, bei denen Menschen bei vollem Bewusstsein in ihrem Körper gefangen waren – von Außenstehenden aber für bewusstlos gehalten wurden.

Fahndung nach eindeutigen Signalen

Wie also lässt sich verlässlich zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit unterscheiden? Athena Demertzi von der Universität Lüttich und ihre Kollegen haben sich nun auf die Suche nach eindeutigen Signalen im Gehirn gemacht: Sie verglichen die Hirnaktivität von gesunden Menschen, narkotisierten Personen und Patienten im Wachkoma – von Forschern auch „Syndrom reaktionsloser Wachheit“ genannt.

Konkret untersuchten sie das Gehirn der insgesamt 159 Probanden mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Auf diese Weise konnten sie die Aktivität von 42 Schlüsselregionen im Gehirn nachvollziehen, die Teil von sechs Netzwerken sind, die eine wichtige Rolle für die Kognition spielen. Insbesondere interessierte das Wissenschaftlerteam dabei, wie stark die einzelnen Bereiche vernetzt waren und miteinander kommunizierten.


Hirnmuster
Aktivitätsmuster bei Bewusstsein und Bewusstlosigkeit 

Charakteristische Muster 

Bei der Analyse der Hirnaktivität zeichnete sich ab: Offenbar gibt es vier charakteristische Aktivitätsmuster, die immer wieder auftauchen und sich teils deutlich voneinander unterscheiden. Vor allem Muster 1 und Muster 4 schienen dabei aufschlussreich zu sein, wie Lüttich und ihre Kollegen berichten.

So tauchte Muster 1 am häufigsten bei Personen auf, die gesund und bei vollem Bewusstsein waren. Zwar waren bei ihnen von Zeit zu Zeit auch andere Muster zu sehen – doch ihr Gehirn kehrte immer wieder und über lange Zeiträume in diesen einen Zustand zurück. In diesem Modus kommunizierten einzelne Hirnbereiche dynamisch und auch über größere Distanzen miteinander und es waren komplexe Verknüpfungsmuster zu erkennen.

Weniger komplex und flexibel

Bei den nicht reagierenden Wachkoma-Patienten zeigte sich den Forschern zufolge dagegen ein anderes Bild: Das für sie typische Muster 4 zeichnete sich dadurch aus, dass zwischen den einzelnen Hirnbereichen nur eine geringe funktionelle Verkopplung bestand. Zudem blieb ihr Gehirn in der Regel in diesem Zustand und wechselte anders als das bewusste Gehirn nicht oder nur sehr selten zu anderen Hirnkonfigurationen. Kurzum: Es schien weniger flexibel zu sein.

Narkotisierte Probanden fielen ebenfalls häufiger in dieses weniger komplexe Aktivitätsmuster. Dies untermauere seine Bedeutung für die Bewusstlosigkeit, schreiben Demertzi und ihre Kollegen. Umgekehrt zeigten weitere Experimente, dass Muster 1 auch bei nur scheinbar bewusstlosen Patienten auftaucht, die nicht kommunizieren können, aber sehr wohl etwas von ihrer Umwelt mitbekommen. Lösten diese Personen mentale Aufgaben, fiel ihr Gehirn ebenfalls in diesen charakteristischen Modus.

Wie ein Fingerabdruck

Die Wissenschaftler hoffen nun, dass ihre Ergebnisse in Zukunft dazu beitragen, eindeutige Biomarker zu identifizieren, die die Unterscheidung zwischen bewusst und unbewusst ermöglichen. „Unsere Studie zeigt, dass Bewusstsein eng mit der Fähigkeit des Gehirns verknüpft ist, eine reiche Dynamik aufrechtzuerhalten. Zudem könnte sie den Weg ebnen, spezifische und allgemein gültige Fingerabdrücke bewusster und unbewusster Zustände zu identifizieren“, schreiben sie. (Science Advances, 2019; doi: 10.1126/sciadv.aat7603)

Quelle: AAAS



Nota. - Dass das Gehirn wie jeder Muskel unterschiedliche Aktivitätsgrade aufweist, versteht sich von selbst. Dass es dabei nicht nur quantiativ, sondern auch qualitativ unterschiedliche Aufgabe bewältigt, liegt angesichts seiner eigenen Komplexität nahe. Da wir es da mit Denken zu tun haben, wundert es nicht, dass die Menschheit hier ihr Fine fleur erkennt, die sie vor allen andern Lebewesen auszeichnet.



Das wäre alles kein Problem, wenn nicht die Philosophen seit gut zweihundert Jahren von dem Bewusstsein soviel Aufhebens gemacht hätten. Sie meinten damit nicht diesen oder jenen Aktivitätsgrad des Denkorgans, sondern eine besondere Qualität, eine Substanz, die im Hirn zwar gegebenenfalls Unterkunft findet, an sich aber geistiger Natur und daher nicht messbar ist. 

In der Hirnforschung ist diese Vorstellung unbrauchbar. Doch in der Philosophie leider auch.
JE

 

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