Donnerstag, 2. August 2018

Das Dunkle zwischen den Sternen.

 aus derStandard.at, 1. August 2018, 11:00                                      Dunkle Molekülwolken im Sternbild Schlangenträger (Serpentarius).

Über die dunklen Bereiche des Nachthimmels
Wir blicken immer nur auf die Sterne, die hellen Punkte am Himmel – doch die dunklen Bereiche dazwischen sind viel wichtiger für die Galaxie, als sie erahnen lassen

von Roland Wester

Wenn ich in einer klaren Nacht zu Fuß unterwegs bin, schaue ich gerne in den Himmel und suche nach den Sternen. Viele sieht man ja nicht mehr, seit unsere Städte und Dörfer durch die umfassende Beleuchtung so hell geworden sind. Manchmal ist in den Sternen dann trotzdem ein bekanntes Sternbild zu erkennen. Was man aber nie sehen kann sind die dunklen Bereiche des Nachthimmels, Bereiche, die nicht leuchten, weil sie im Gegensatz zu den Sternen dafür nicht heiß genug sind. Dabei gibt es in unserer Milchstraße viele dunkle Gaswolken, die sogar das Licht der dahinterliegenden Sterne verschlucken können. Diese Wolken füllen den Raum zwischen den Sternen teilweise aus. Sie bestehen aus Gas und Staub und sind für die Geschichte und die weitere Entwicklung unserer Milchstraße enorm wichtig. Denn solche Wolken existieren nicht ewig sondern fallen irgendwann in sich zusammen, werden dabei heiß und bilden neue Sterne. Sie sind quasi die Geburtsstätten der Sterne in unserer Milchstraße.

Solche Gas- und Staubwolken nehmen am Nachthimmel viel Platz ein, sie sind viel größer als der Vollmond, nur eben dunkel und daher mit bloßem Auge nicht zu sehen. Um diese Wolken sehen zu können, braucht man Licht ganz anderer Art. Mikrowellen strahlen diese Wolken nämlich sehr stark ab, daher können sie mit Radioteleskopen beobachtet werden. Die genaue Wellenlänge der Mikrowelle gibt dabei Aufschluss über die Art des Gases, das diese Mikrowelle in der dunklen Wolke abgestrahlt und auf den Weg zum Teleskop geschickt hat. Auf diese Weise konnten schon viele Molekülverbindungen in den dunklen Wolken unserer Milchstraße entdeckt werden. Sehr häufig findet man Kohlenmonoxid, das auf der Erde wegen seiner Giftigkeit gefürchtet ist, auch Methyl-Alkohol gibt es im Weltraum oder sogar einfache Aminosäuren, die auf der Erde Bestandteile von Proteinen sind. Das auf der Erde so wichtige Wasser findet sich auch, allerdings brauchte es zu seiner Entdeckung die neueste Teleskop-Generation, da unsere Atmosphäre so viel Wasserdampf enthält, dass die interstellaren Signale davon leicht überdeckt werden. 

Suche nach geladenen Molekülen

Die Krux bei allen astronomischen Untersuchungen ist aber, dass zur Identifizierung eines Moleküls mit einem Radioteleskop sein sogenannter spektraler Fingerabdruck bereits bekannt sein muss. Dazu braucht es präzise Untersuchungen auf der Erde, genauer gesagt in einem physikalischen Labor. Und das ist es, wo mich meine Füße über Tage hin tragen, denn in meiner Arbeitsgruppe untersuchen wir geladene Moleküle, die in interstellaren Molekülwolken vorkommen oder vorkommen könnten. Dazu speichern wir solche Moleküle in einer Ionenfalle ein, um sie dann frei von Störungen mit der Umgebung untersuchen zu können. Diese Ionenfalle wird in einer Vakuumapparatur betrieben und auf Temperaturen von wenigen Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. So können wir die Bedingungen im interstellaren Raum sehr gut nachstellen. Zum Beispiel konnten wir in den letzten Jahren die Stabilität von negativ geladenen Molekülen unter Bestrahlung mit ultraviolettem Licht untersuchen und wir konnten herausfinden, ob sie chemische Reaktionen mit Wasserstoff eingehen. 

Radiofrequenz-Ionenfalle

Bei unseren Forschungen ist uns eine Publikation von Kollegen aus der Astrophysik aufgefallen, die mit dem Herschel-Weltraumteleskop nach Stickstoff-Verbindungen in dunklen Wolken gesucht hatten. Darin ging es auch um die mögliche Beobachtung eines bis dato nicht entdeckten negativen Ions, des Amid-Anions. Dieses Ion besteht aus einem Stickstoff-Atom und zwei Wasserstoff-Atomen. Es hat die gleiche Struktur wie das Wasser-Molekül und verhält sich quantenmechanisch auch sehr ähnlich. Da es keine präzisen Labordaten zum Amid-Anion gab, haben wir uns an die Arbeit gemacht, um die charakteristischen Frequenzen zu messen, bei denen dieses Molekül Strahlung emittieren kann. Der interessante Frequenzbereich liegt in diesem Fall im Bereich der Terahertzwellen, der sich zwischen den Mikrowellen und der Infrarotstrahlung befindet, und experimentell nur schwer zugänglich ist. Für unsere Experimente haben wir eine in meiner Arbeitsgruppe entwickelte Methode verwendet, bei der wir die Wechselwirkung der gefangenen Ionen mit den Terahertzstrahlen mit Hilfe eines weiteren Laserstrahls messbar machen konnten.

Nach vielen Wochen der Suche konnten wir schließlich zwei bisher unbekannte Frequenzen des Amid-Anions zum ersten Mal direkt messen und dabei ihre Position hundertfach genauer bestimmen als es davor möglich war. Im Vergleich mit den Messdaten des Herschel-Weltraumteleskops haben wir dann herausgefunden, dass die interstellare Spektrallinie nicht von Amid-Ionen stammen konnte. Welches Molekül in der dunklen Wolke dafür verantwortlich ist, wissen wir damit immer noch nicht. Dies ist aber nicht das einzige Rätsel, das uns die dunklen Wolken im Universum noch aufgeben. Neben den unbekannten Molekülen, gibt es auch viele Fragen zu den bereits beobachteten Molekülen, von denen manche häufiger und manche seltener vorkommen, als wir es uns zur Zeit erklären können. Es bleibt also noch viel Raum zum Nachdenken, wenn man des Nachts in die dunklen Bereiche des Nachthimmels schaut. 

Roland Wester ist Universitätsprofessor für Experimentalphysik am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck. Die beschriebenen Experimente hat er im Rahmen eines ERC Starting Grants durchgeführt, der ihm 2011 verliehen wurde. 2013 wurde er zum Mitglied der Jungen Akademie der ÖAW gewählt, seit 2017 ist er Fellow der American Physical Society. Links Arbeitsgruppe Molekulare Systeme am Institut für Ionenphysik der Universität Innsbruck Junge Akademie der ÖAW (2008 als Junge Kurie im Rahmen der Modernisierung der ÖAW konstituiert, 2016 Umbenennung in Junge Akademie / Young Academy); Video; Twitter: @ya_oeaw - derstandard.at/2000084465531/Ueber-die-dunklen-Bereiche-des-Nachthimmels

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