Samstag, 26. Mai 2018

Die Intelligenz von Bienen und Hummeln.

String-Praxis. Hummeln können komplizierte Aufgaben lösen, etwa an einer Schnur Gefäße unter einer Scheibe hervorziehen. Für Lars Chittka, der sein Verhältnis zu den Hautflüglern gerne über seine Kleidung kommuniziert, ist das Intelligenz.

Im heutigen Tagesspiegel berichtet Richard Friebe über den britischen Bienenforscher Lars Chittka, der zur Zeit am Berliner Wissenschaftskolleg forscht. In Berlin hat er in den 80er Jahren seine Leidenschaft für Bienen und Hummeln entwickelt.

... Zu den Annehmlichkeiten, die er hier genießt, gehört „dieser unglaubliche Bibliotheksservice“, sagt Chittka, die Hände im Genick verschränkt. Ein Buch, das ihm der fleißige Bienenstock von Mitarbeiterin- nen und Mitarbeitern hier innerhalb weniger Tage besorgt hat, stammt von einem Francois Huber. Der blinde schweizerische Privatgelehrte beschrieb darin schon vor über 200 Jahren etwas, das für Chittka ein Beleg dafür ist, dass Bienen nicht nur viel lernen können, sondern dass ihre geistigen Fähigkeiten weit größer sind als man es ihnen je zugetraut hätte. Huber beobachtete mit Hilfe seines Dieners und dessen Frau unter anderem, wie Honigbienen ihre normalerweise flachen Waben 90 Grad um die Ecke weiter- bauen, sobald auf der Seite des Nestes, wo die Wabe eigentlich enden sollte, eine für das Anheften ungünstige Glasscheibe angebracht wird. Keiner weiß, wie sie das machen, wie sie die Veränderung bemerken und dann vereint derart präzise umplanen. Einen solchen „Plan“ zu haben und diesen auch anpassen zu können – die Konsequenzen des eigenen Handelns vorherzusehen – ist für Chittka ein Zeichen von Bewusstsein.

Hummeln schauen sich Problemlösungen ab

Er meint, Hinweise auf solch flexibles, vorausschauendes Verhalten nicht nur bei jenen gerne auch als „Superorganismen“ bezeichneten Kolonien zu sehen, sondern auch bei Individuen von Honig- und Wildbienen, Wespen und Hummeln. Mit letzteren, die auch zur Gruppe der Bienen gehören, machen er und seine derzeit etwas vernachlässigten Mitarbeiter an der Queen Mary University viele ihrer Experimente. Dass das Verhalten dieser Tiere weit jenseits von reinen Reiz-Reaktions-Mustern und simplen Lernprozessen liegt, zeigen viele solcher Versuche.

Insekt am Zug
Insekt am Zug

Hummeln etwa lernen nicht nur, dass am gelben Töpfchen die Zuckerlösung ist, weil sie mehrfach die Gelegenheit bekommen haben, das volle gelbe und das leere rote Töpfchen zu testen. Sie erarbeiten sich etwa auch die Technik, ein Nektargefäß an einem Bindfaden unter einer Glasscheibe hervorzuziehen (siehe Abbildung). Und wenn sie vor einer solchen schwierigen Herausforderung wie „Nektar von Glasscheibe verdeckt“ stehen, versuchen sie sich bei anderen abzuschauen, wie diese an das Futter kommen. „Das ist ist ein kulturelles Phänomen“, sagt Chittka. Sie können das, was richtig ist – also Futter bringt – sogar indirekt aus Beobachtungen ableiten, „zeigen also auch Verhaltensweisen, die sie so gar nicht gelernt haben“, sagt Chittka.

Bienen leben "in einer uns fremden Welt"

Sind das Zeichen für Intelligenz und Bewusstsein? Das sei „auch eine Definitionsfrage“. Allerdings gehören Aufgaben, bei denen Bienen sogar oft besser abschneiden als manch ganz normaler Mensch – etwa räumliche Orientierung, Kategorien bilden, Symbole verstehen, Regeln lernen – zu jedem einigermaßen seriösen Intelligenztest. Tatsächlich geht Chittka aber die Diskussion, was Bienen oder andere Tiere so gut wie oder vielleicht sogar besser können als Menschen, sogar auf die Nerven. Denn Bienen sind eben keine Menschen. Sie haben ein völlig unterschiedliches Nervensystem, können anderes wahrnehmen, etwa Magnetfelder oder polarisiertes Licht. „Sie leben in einer uns fremden Welt“, sagt Chittka.

Dass gerade Bienen immer wieder Fähigkeiten zeigen, die man einem Gehirn von der Größe eines Staubkorns oder – bei großen Arten – maximal eines Stecknadelkopfes eigentlich nicht zutrauen würde, hat für Chittka gleich mehrere Implikationen. Es zeige einerseits, dass die Fähigkeiten eines Nervensystems nicht mit dessen Größe wachsen, sondern eher mit seinen Aufgaben. Im Unterschied zu anderen Insekten etwa müssen Bienen sich extrem gut orientieren können, um Futterplätze zu suchen, wiederzufinden und auch immer wieder zum Nest zurückkehren zu können. Sie müssen ihre Wege optimieren und dafür alle möglichen Informationen integrieren – vom Energieaufwand für eine Strecke bis hin zu Qualität und Quantität einer Futterquelle. Im Vergleich etwa zu einer Stechmücke, die nicht viel mehr können muss als Opfer, Paarungspartner und Plätze für die Eiablage zu identifizieren, haben Bienen also ein deutlich anspruchsvolleres Leben. Andererseits könnte man, wenn man die Prozesse im Mini-Bienenhirn verstünde, potenziell auch Hardware und Programme entwickeln, die ebenfalls auf extrem wenig Raum und mit extrem geringem Energieaufwand hochkomplexe Rechenleistungen ermöglichen. Das ist ein Grund, warum Chittkas Arbeit unter anderem auch vom britischen Ingenieurswissenschaftsrat finanziert wird.

"Unglaubliche" Navigationsleistungen

Beim Spaziergang durch das grüne Grunwald zeigt Chittka auf ein „Bienenhotel“. Es besteht aus einer Menge durch ein kleines Dach geschütztem, löchrigem Holz. Einzeln lebende Wildbienen können dort ihre Eier ablegen und mit Pollen- und Nektarvorräten ausstatten. Und jede findet immer wieder und auch nach kilometerweiten Ausflügen genau ihr Nest, auch wenn das nächste zwei Millimeter daneben genau so aussieht. „Das sind unglaubliche Leistungen und es ist gut möglich, dass es ab einem gewissen Punkt sogar ökonomischer war, sich nicht auf einzelne, im Nervensystem fest verdrahtete und erblich weitergegebene Schaltkreise zu verlassen“, sagt Chittka, sondern auf ein System, das deutlich „offener“ sei. Vielleicht sei dies sogar schon sehr früh in der Evolution passiert und einer der Gründe, warum das tierische Leben sich vor gut 500 Millionen Jahren plötzlich so rasant entwickelte.

Am Sonntag, 27.5.2018, um 20 Uhr, hält Lars Chittka am Wissenschaftskolleg seinen Vortrag „Können Bienen denken?“ Infos und Anmeldung unter: wiko-berlin.de/veranstaltungen


Nota. - Wie immer man Intelligenz definiert - die intellektiven, "durchblickenden" Fähigkeiten der Bienen und Hummeln dürften in die Definition passen.

Mit dem Bewusstsein ist es ganz was anderes. Es hat nur einen Sinn, wenn es eine Intelligenz bezeichnet, die ihrer selbst 'bewusst' wird. Nämlich indem sie sich und die Dinge außer ihr von einander unterscheidet, um sich zu ihnen in ein Verhältnis zu setzen; allgemein gesprochen: aus einem unbestimmten Zustand in einen bestimmteren zu versetzen. Das geschieht nicht 'von allein', sondern mit Absicht [denn das ist es, was wir unter Absicht verstehen].

Einem Lebewesen Bewusstsein zuschreiben bedeutet, ihm die Fähigkeit zuschreiben, seine Absichten aus eigenem Antrieb (sponte sua) zu fassen und nicht blindlings einem genetischen Progamm zu folgen. Das wird man Bienen und Hummeln wohl nicht nachsagen können, so komplex ihre intellektiven Leistungen immer seien.

Aber philosophisch und gar transzendental philosophisch sind sie doch. In der Vernunftkritik ist stets ein- schränkend die Rede von unserer "endlichen"  Intelligenz - im Unterschied zu einer möglichen 'höheren', unendlichen Intelligenz (die nur die Intelligenz des Schöpfers sein könte, der selbst noch das Ding an sich durchschaut, weil er es ja erschaffen hat). 

Die auch nur hypothetische Annahme einer solchen höheren Intelligenz ist aber theoretisch gar nicht zu- lässig. Es bliebe der Reflexion also nur 'unsere endliche' Intelligenz ohne eine sie spezifizierenden Gegen- satz. Da kommen Bienen und Hummeln gerade recht. Während man die intellektiven Fertigkeit der Säuge- tiere* noch weitgehend unter Bezug auf die menschlichen beschreiben kann, und zwar durch mehr oder we- niger, leben die Bienen (Insekten) "in einer anderen Welt", und das ist der springende Punkt: Die Intelli- genz ist, nach Form und Gehalt, eine andere, weil die Welt, der sie gilt, eine andere ist. Oder umgekehrt? Aber das wäre ja dasselbe. 

Eins bleibt aber übrig: Unsere Intelligenz entspricht nach Form und Gehalt unserer Welt, oder umgekehrt. Einen andern Gegensatz, der sie bestimmen könnte, braucht sie gar nicht.

*) Fledermäuse und Meeressäuger fielen schon ein bisschen aus dem Rahmen.
JE



 

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