Mittwoch, 7. September 2016

So ist der Mensch.

aus nzz.ch, 25.8.2016, 21:00 Uhr                                              

Babysimulatoren für Teenager
Fehlgeleitete Prävention
Babypuppen, die schreien und Fürsorge brauchen, sollen Teenager von Schwangerschaften abhalten. Nun zeigt eine Studie aus Australien, dass die Puppen mitunter das Gegenteil bewirken.

(sda) Sie schreien, müssen gefüttert und gewickelt werden: Babysimulator-Puppen werden in vielen Projekten zur Verhinderung von Teenagerschwangerschaften eingesetzt. Doch die Puppen können auch den gegenteiligen Effekt auf ihre jungen Pflegemütter haben, wie Forscher bei dem australischen Programm VIP (Virtual Infant Parenting) ermittelten.

Das Team um Sally Brinkman von der University of Western Australia in Adelaide hatte Daten von knapp 3000 Schülerinnen analysiert. Es habe sich über mehrere Jahre hinweg keine Verringerung des Risikos von Teenagerschwangerschaften eingestellt, schreiben die Autoren im Magazin «The Lancet».

Mehr noch: «Verglichen mit den Mädchen in der Kontrollgruppe, gab es bei den Mädchen im VIP-Programm eine grössere Häufigkeit von Schwangerschaften und Abtreibungen.» So gebaren 8 Prozent der Mädchen in der Interventionsgruppe zumindest ein Kind, verglichen mit 4 Prozent in der Kontrollgruppe. Zudem hatten 9 Prozent der Teilnehmerinnen in der Gruppe mit den Babysimulatoren eine Abtreibung. In der Kontrollgruppe waren es nur 6 Prozent.

Gegenteilige Wirkung

«Unsere Studie zeigt, dass das Programm zur Schwangerschaftsverhütung in Westaustralien, das einen Babysimulator verwendet, das Risiko einer Schwangerschaft bei Teenagern nicht verringert. Im Gegenteil, das Risiko ist sogar höher, verglichen mit Mädchen, die nicht an der Intervention teilnahmen», sagte Studienautorin Brinkman.

Die Daten liessen den Schluss zu, dass solche Programme nicht den gewünschten langfristigen Effekt hätten. Sie stellten somit nicht den besten Einsatz öffentlicher Mittel zu diesem Zweck dar.
Das australische Programm VIP basiert auf dem US-Programm «Realityworks». In Schulen werden Teenager über wichtige Aspekte wie Rauchen und Trinken in der Schwangerschaft, Ernährung, sexuelle Gesundheit oder Verhütung informiert.

Sie sehen eine Videodokumentation über eine Teenagermutter und müssen sich ein Wochenende lang um eine Simulatorpuppe kümmern. Die Babypuppe weint, wenn ein Baby gefüttert, gewickelt oder in den Schlaf gewiegt werden muss, und speichert, wie gut die «Mutter» den Bedürfnissen nachgekommen ist.

Beide Geschlechter ansprechen

In einem «The Lancet»-Kommentar schreibt Julie Quinlivan von der University of Notre Dame Australia in Fremantle, es gehöre mehr dazu, Teenager von Schwangerschaften abzuhalten, als ein solches Projekt. «Wir müssen uns an beide richten: Väter und Mütter.»
Zudem sollten die Programme schon in der Kindheit starten, da Teenagerschwangerschaften oft das Ergebnis von Ereignissen zu dieser Zeit seien. Es müsse darein investiert werden, besonders gefährdete Kinder vom Weg zur frühen Elternschaft abzulenken.

Zudem bekämen Teenager, die sich gut um ihren Babysimulator kümmerten, positives Feedback von Gleichaltrigen und Familie – gerade zu einer Zeit, in der sie sich danach sehnten, meint Quinlivan. Die kurze Zeit mit einer Puppe könne für sie zur Idealisierung der Elternschaft führen.

An der Studie waren 57 Schulen beteiligt – 1267 Schülerinnen nahmen am VIP-Programm teil, 1567 erhielten den Standardunterricht zum Thema Gesundheit und Schwangerschaft. Die Schülerinnen waren zu Studienbeginn zwischen 13 und 15 Jahre alt und wurden von den Autoren bis zum Alter von 20 Jahren begleitet. Die Autoren holten Daten aus Spitälern und Abtreibungskliniken über Schwangerschaften der Teilnehmerinnen ein.

Geringe Teilnahmerate

Bei der Arbeit handelt es sich nach Autorenangaben um die erste randomisierte kontrollierte Studie zum Einsatz von Babysimulatoren. Die Forscher gaben zu bedenken, dass die Teilnahmerate an der Studie in den Schulen gering war (45 Prozent in den Kontrollschulen und 58 Prozent bei VIP-Schulen).


Die Studie lasse keine Rückschlüsse über Teenager zu, die sich dafür entschieden hatten, nicht teilzunehmen. Nach Angaben von «Realityworks» wird dessen Programm mit Babysimulatoren in über 89 Ländern eingesetzt. Auch in der Schweiz gibt es ähnliche Programme.


Nota. - Tja, so ist der Mensch. Und an der Stelle unterscheidet er sich sicher nicht von den Tieren. Nicht nur nicht von den Säugetieren, sondern von den andern wahrscheinlich auch nicht: Das Kinderkümmern gefällt ihnen gar noch! Wer hätte das gedacht...
JE

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