Donnerstag, 30. Juni 2016

Kakadus denken techno-ökonomisch.

aus nzz.ch, 23.6.2016                               Der Goffinkakadu Cacatua goffiniana lebt auf der indonesischen Inselgruppe Tanimbar 
  
Intelligente Tiere
Kakadus denken techno-ökonomisch
Blitzschnell können Kakadus berechnen, wie sehr sich ein bestimmtes Verhalten für sie lohnt, auch wenn sie gleichzeitig ein technisches Problem lösen müssen.

(apa) Kakadus können gleichzeitig ein technisches Problem lösen und ihren eigenen Vorteil berücksichtigen. Sie können also offenbar komplexe Situationen erfassen und dabei ihren eigenen Nutzen abwägen, dies zeigt eine Studie von österreichischen Wissenschaftern mit indonesischen Goffinkakadus. Dabei hatten die Vögel die Wahl zwischen Cashewnüsse, ihrem Lieblingsfutter, und Pecannüsse, die sie auch gerne fressen, aber schmähen, wenn sie Aussicht auf eine Cashewnuss haben.


Arbeiten oder gleich zuschlagen

Eine der beiden Nüsse lag jeweils auf dem Tisch und war leicht zugänglich. Für die andere mussten die Vögel arbeiten: Sie mussten sie entweder mit einem Stöckchen aus einer Apparatur fischen, oder - bei einer anderen Apparatur - einen Ball einwerfen, damit diese die Nuss freigab. Lag die Cashewnuss auf dem Tisch und war die Pecannuss nur mit Werkzeug (Ball oder Stöckchen) zu bekommen, war die Sache für die Kakadus klar: Sie griffen zu dem bevorzugten und einfach zu bekommenden Futter und ignorierten die bereitliegenden Werkzeuge.

War die Cashewnuss jedoch eingeschlossen und die Pecannuss lag frei auf dem Tisch, wurde die Entscheidung komplizierter. Wenn die Kakadus das passende Werkzeug vor sich hatten, benutzten sie es und holten sich ihre Cashewnüsse meist heraus, ohne sich um die herumliegenden Pecannüsse zu scheren. Hatten ihnen die Forscher aber das falsche Werkzeug hingelegt, gaben sie sich mit den weniger bevorzugten Nüssen zufrieden.

«Die Vögel mussten dabei ihre Entscheidungen flexibel treffen und in Beziehung setzen, was sie mit den Apparaturen in der jeweiligen Situation anfangen können, welches Futter darin ist, und welches sie am Tisch vor sich haben», erklärte Alice Auersperg von der Vetmeduni Wien. Das heisst, die Kakadus mussten technische und ökonomische Faktoren zur gleichen Zeit bedenken und abwägen. Dabei konnten sie offensichtlich auch ihren Impuls kontrollieren, einen sofort verfügbaren Happen zu  naschen, um nach getaner Arbeit und einer unvermeidbaren Zeitverzögerung eine hochwertige Belohnung zu bekommen.

Mit der Weisheit am Ende

Standen aber beide Apparaturen mit jeweils einer anderen Nuss darin am Tisch, und lagen dort auch noch sowohl Ball und Stöckchen herum, waren die Kakadus mit ihrer Weisheit am Ende und konnten das Problem nicht mehr effizient lösen, berichten die Forscher. «Wir vermuten, dass die Tiere durch die Menge der Komponenten, die bei dieser Entscheidung involviert sind, an die Grenzen des 'Arbeitsspeichers' in ihrem Gedächtnis stiessen», so Isabelle Laumer von der Uni Wien in einer Mitteilung der Hochschule.



Geschickt gelöst: Ein Goffin-Kakadu angelt mittels Stöckchen nach der begehrten Nuss.
aus scinexx                                                                                 Ein Goffin-Kakadu angelt mittels Stöckchen nach der begehrten Nuss.

Kakadus denken ökonomisch
Kluge Vögel nutzen Werkzeuge nur dann, wenn es sich lohnt und das Werkzeug passt

Schlau ausbaldowert: Kakadus erkennen sehr genau, ob sich ein Arbeitsaufwand lohnt. Bekommen sie ihre Lieblingsnuss nur, indem sie ein Werkzeug nutzen, lassen sie dafür ein unbeliebtes, aber frei zugängliches Futter links liegen. Ist das angebotene Werkzeug aber das falsche, sparen sie sich die Mühe und begnügen sich mit dem unbeliebteren Futter. Das belegt, wie flexibel und effizient die Vögel ihr Verhalten abwägen, sagen die Forscher im Fachmagazin "Scientific Reports".

Die in Indonesien heimischen Goffin-Kakadus gehören zu den "Schlaumeiern" unter den Vögeln: Immer wieder beweisen sie in Experimenten, dass sie sehr lernfähig, neugierig und überraschend intelligent sind. Geschickt basteln sie sich Werkzeuge, sie beherrschen das Hütchenspiel und knacken problemlos ein fünfteiliges Tresorschloss.

Gute Nuss und schlechte Nuss

Jetzt haben Isabelle Laumer und ihre Kollegen von der Universität Wien eine weitere Fähigkeit der klugen Kakadus aufgedeckt: Sie wägen sehr genau ab, ob sich der Werkzeugeinsatz lohnt und wann es vielleicht sinnvoller ist, sich mit einem weniger leckeren Futterstück zufrieden zu geben.

Im Experiment bekamen die Kakadus jeweils zwei verschiedene Futterstückchen zur Auswahl – eine zum Lieblingsfutter gehörende Cashew-Nuss und eine unbeliebtere Pistazie oder Pecannuss. Der Clou daran: Die unbeliebteren Nüsse waren meist frei zugänglich, die leckere Cashew-Nuss mussten sich die Vögel aber erst durch Einsatz von Werkzeug erarbeiten. Dies funktioniert entweder durch Stochern mit einem Stöckchen oder aber durch eine Murmel, die in eine Röhre geworfen werden musste.


Im Experiment entscheiden sich die Goffin-Kakadus immer für die effizienteste Lösung.

Arbeit nur dann, wenn es sich lohnt 
Wie sich zeigte, hatten die Kakadus klare Präferenzen – und waren dafür durchaus bereit, Arbeit zu investieren. Mussten sie für die Cashew-Nuss das angebotene Werkzeug nutzen, verschmähten sie die unbeliebtere Pistazie auf dem Tisch und werkelten so lange, bis sie die Nuss erhielten. Lag dagegen eine Cashew-Nuss frei zugänglich da, nahmen sie diese und sparten sich die Arbeit.

Die Kakadus passen demnach ihre Entscheidungen flexibel an die Situation an und sind dabei durchaus imstande, auf eine Belohnung etwas länger zu warten, wenn sie sich lohnt. "Die Kakadus können ihre Impulse zugunsten zukünftiger Gewinne unterdrücken, auch wenn Arbeitsaufwand im Form von Werkzeuggebrauch involviert ist", erklären Laumer und ihre Kollegen. "Diese Fähigkeit ist demnach nicht auf Primaten beschränkt."

Durch Einwurf einer Murmel lässt sich das Futter befreien - der Kakadu erkennt sofort, ob sein Werkzeug passt.Durch Einwurf einer Murmel lässt sich das Futter befreien - der Kakadu erkennt sofort, ob sein Werkzeug passt.

Werkzeug nur, wenn es passt 

Aber nicht nur das: Die Kakadus achteten auch sehr genau darauf, ob das auf dem Tisch liegende Werkzeug überhaupt für den "Tresor" geeignet war. War es beispielsweise ein Stöckchen statt der benötigten Murmel und daher nicht zur Befreiung der begehrten Nuss geeignet, ließen die Vögel es links liegen. Stattdessen entschieden sie sich für die unbeliebtere Pistazie, wie die Forscher berichten.

Die klugen Vögel wägen demnach nicht nur ab, wieviel Aufwand ein Futter wert ist. Sie erkennen auch auf Anhieb, ob ein Werkzeug in einer bestimmten Situation überhaupt für den Futtererwerb geeignet ist. Goffin-Kakadus können demnach nicht nur lernen, Werkzeuge zu benutzten und herzustellen, sie setzen sie auch intelligent und flexibel ein.

Das ist umso erstaunlicher, als dass diese Vögel in der Natur gar keine Werkzeuge nutzen. "Ihre Fähigkeiten in diesen Experimenten beruhen daher wahrscheinlich aus einer Kombination von hoher Flexibilität des Verhaltens und einer guten Kontrolle ihrer Impulse und Bewegungen." (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep28380)
(Universität Wien , 24.06.2016 - NPO)


Nota. - Die 'erste historische Tat' sei die Erfindung eines 'neuen Bedürfnisses' gewesen, schrieben Marx und Engels in der Deutschen Ideologie. Die erste historische Tat war die, durch die der Mensch aus dem blinden Naturgesetz heraus- und in seine eigene Geschichte eingetreten ist; un durch die er sich zum Menschen gemacht hat. Der Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen hieß dann das seinerzeit populärste Pamphlet von Friedrich Engels. Indes, begonnen wird wohl die 'Menschwerdung des Affen' vor der ersten historischen Tat haben, sie hat jene ja erst möglich gemacht. 

Also doch: das Denken. 

'Intelligenz' ist noch ein zu vager Begriff, sie muss ja inzwischen auch vielen Tieren zugeschrieben werden. Doch das Überlegen im Besonderen, das regelmäßige planende Vergleichen der Zwecke mit den Möglich-keiten, das macht ja wohl das Besondere menschlicher Wachheit; es ermöglicht Arbeitsteilung und macht ipso facto elaborierte Kommunikation notwendig; komplexe Sozialstrukturen, regelmäßigen Perspektiven-wechsel, Reflexion. Mit andern Worten, Verstand. Zugrunde liegt immer der Gedanke: Der Mensch muss arbeiten, um zu leben; und so kommen wir zurück zu Engels.

Das stellt der Goffinkakadu nun in Frage. Er tut, was wohl im Besondern menschlichen Verstand auszeich-net: er kalkuliert. 'Wenn ich dies tue, kostet es mich das und ich gewinne jenes; wenn ich jenes tue... usw.' - und er berechnet den größten Nutzen bei geringstem Aufwand. Aber arbeiten tut er nicht.

'Irgendwas tun' muss wohl auch der Kakadu, wenn er sich ernähren will. Und zwar mal dies, mal das, und meistens irgendwie dasselbe, was die Natur ihm angeerbt hat: Er liest auf, was er findet. Wenn wir auch das Arbeit nennen wollten, verlöre das Wort jeden Sinn, denn dann 'arbeiten' alle Lebewesen. Das Spezifische unserer Arbeit ist aber, dass die Menschen die Bedingungen, unter denen es etwas zu findet gibt, selber herstellen müssen. Bedingungen selber herstellen... - so etwas tun die Kakadus hier im Labor auch. Aber nicht, weil sie sich ernähren müssen - das besorgt das Laborpersonal -, sondern weil sie Muße haben, sich um Bonbons zu bemühen. So ist es in der freien Natur nicht, und da benutzen sie auch keine Werkzeuge: Es geht auch ohne.

Die Menschen haben sich aus freien Stücken eine Lebensweise zugelegt, in der sie die Bedingungen ihrer Ernährung selber schaffen müssen. Dass sie kalkulieren können und das Geschick zum Werkzeuggebrauch haben, kann schwerlich die hinreichende Voraussetzung dafür sein, denn all das können die Kakadus auch. Mit andern Worten, das bloße Kalkül und technisch-ökonomischer Verstand sind es nicht, die 'den Affen zum Menschen werden' ließen. Die gehören wohl zu den notwendigen Bedingungen. Aber es muss noch etwas hinzugekommen sein.
JE



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen