Montag, 13. Januar 2014

Verlust der Seele.

aus NZZ, 7. 11. 2013                                                William Bouguereau, Eine Seele zum Himmel, 1878
        
Untergangsstimmung
Helmut Feld beklagt die zunehmende Seelenlosigkeit des Abendlandes 


von Bernhard Lang · Hat der Mensch eine unsterbliche Seele? Jahrhundertelang haben nicht nur schlichte Gemüter, sondern gerade die philosophisch und theologisch Gebildeten die Frage bejaht. Zusammen mit dem Gottesglauben bildete der antike Seelenglaube die Grundlage, auf der das gewaltige Gebäude christlicher Theologie errichtet wurde. Gespiegelt hat sich der Seelenglaube in der Liturgie, nicht zuletzt im Requiem und in der Fürbitte für die Verstorbenen. 

Besonders eindrucksvoll sind die heidnischen und christlichen Dichtungen, die von der Welt der Toten berichten: Homers «Odyssee», Vergils «Aeneis», Dantes «Göttliche Komödie». Aus den Tiefen des Hades steigen menschengestaltige Seelen zu Odysseus empor - so eindrucksvoll dargestellt in einem Wandgemälde, das seit 1912 den alten Lesesaal der Tübinger Universitätsbibliothek schmückt, begleitet von der Legende: «Und aus dem Erebos kamen / viele Seelen herauf der abgeschiedenen Toten.» Wer in der «Odyssee» weiterliest, versteht das Bild: «Jüngling' und Bräute kamen und kummerbeladene Greise, / Und aufblühende Mädchen, im jungen Grame verloren. / Viele kamen auch, von ehernen Lanzen verwundet, / Kriegerschlagene Männer mit blutbesudelter Rüstung.»

Unter diesem Bild hat Helmut Feld, Jahrgang 1936, katholischer Theologe und Historiker, lange über die Seele nachgedacht. Entstanden ist so ein umfangreiches Buch, das den Seelenglauben von seinen antiken Ursprüngen bis zum Verlust der Seele in der Moderne beschreibt. Die Geschichte des Verlustes beginnt nach Feld mit der Verdrängung des Gebets für die Toten in der Reformation. 

Das endgültige «Aus» für die Seele kam seiner Auffassung nach nicht mit den Philosophen der Aufklärung, auch nicht mit Darwin, sondern mit Karl Barth. Der reformierte Theologe habe in katholischen Kollegen wie Hans Urs von Balthasar, Hans Küng und Herbert Haag - allesamt Schweizer - eifrige Nachbeter gefunden. Sie alle hätten «den Boden der christlichen Philosophie, insbesondere den der traditionellen Seelenlehre, verlassen». Das Ergebnis sei eine trostlose Theologie. Die alten Unterweltsmythen seien «wahrer, dichterischer, schöner» als die gedankenarmen Erzeugnisse theologischer Prosa. - Helmut Feld hat ein langes und anregendes Buch geschrieben. Viel lässt sich daraus lernen. Die Abendlandsnostalgie und die Kollegenschelte freilich wird manchen Leser die Stirn runzeln lassen.

Helmut Feld: Das Ende des Seelenglaubens. Vom antiken Orient bis zur Spätmoderne. Lit-Verlag, Münster 2013. 999 S., Fr. 128.40.

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