Mittwoch, 21. August 2013

Schizophrenie im Zeitgeist.

aus NZZ, 21. 8. 2013

Eine Zeit für die Schizophrenie

Der Erfolg eines Krankheitsbilds im Kontext gesellschaftlicher Krisen

Die Definition der Schizophrenie geht auf den Zürcher Psychiater Eugen Bleuler zurück. Das Krankheitsbild hätte sich nicht etabliert, hätte es nicht Antworten auf die drängenden Fragen des «Fin de siècle» versprochen.

von Urs Hafner

Wahrscheinlich wäre Eugen Bleuler vom Status, den die Schizophrenie heute in der Psychiatrie innehat, nicht angetan, obschon sie breit anerkannt ist. Er wäre wohl der Meinung, sie werde zu isoliert von den gesellschaftlichen Entwicklungen behandelt. Freudig überrascht wäre er hingegen von ihrer «Popularität». Sie ist wohl die bekannteste psychische Krankheit. In den Augen der Öffentlichkeit zeugt sie etwas diffus von einer unheimlichen Spaltung der Persönlichkeit.

Der Zürcher «Irrenarzt» Eugen Bleuler, der 1939 starb, prägte um 1908 den Begriff sowie das Krankheitsbild der Schizophrenie und setzte sich mit allen Kräften für dessen Etablierung ein. Weshalb ihm dies gelang und was für ihn und seine Mitstreiter «Schizophrenie» bedeutete, legt Brigitta Bernet in ihrer herausragenden Dissertation dar. Sich auf den Wissenschaftssoziologen Ludwig Fleck beziehend, macht die Historikerin vor allem eins deutlich: Damit sich ein wissenschaftliches Paradigma durchsetzen kann, müssen viele Bedingungen erfüllt sein - die «Genialität» des Forschers oder die «Wahrheit» seines Konzepts allein reichen nicht.

Ordnung in der Umwälzung

Mit dem flexiblen Krankheitsbild der Schizophrenie antwortete Bleuler mehrfach auf Herausforderungen seiner Zeit. Zum einen war die Psychiatrie um die Wende zum 20. Jahrhundert in eine schwere Krise geraten. Statt dass sie, wie der fortschrittsoptimistische Liberalismus gehofft hatte, die in den Anstalten verwahrten Irren heilte, sah sie sich mit überfüllten Kliniken konfrontiert. Dazu trug die Psychiatrie selbst bei, indem sie mit den Behörden die durch Industrialisierung und Urbanisierung verschärfte «soziale Frage» bewältigen wollte und dabei die Diagnose der «Dementia praecox» favorisierte: Die neue Krankheit galt als unheilbar.



Brigitta Bernet: Schizophrenie. Entstehung
und Entwicklung eines psychiatrischen Krankheitsbilds um 1900.

Zum anderen herrschte auch in der Gesellschaft des «Fin de siècle» eine Krisenstimmung vor, ebenfalls hervorgerufen durch die sozialen Umwälzungen. Ein Schlüsselbegriff, über den politische Gruppierungen und die bürgerlichen Reformbewegungen - allen voran die einflussreiche Abstinenzbewegung - die ideale Ordnung verhandelten, war die «Assoziation»: Wie sollten die Menschen untereinander rechtlich und moralisch verbunden sein, damit «das Volk» gesund blieb und nicht weiter ins Verderben schlitterte? Auch in Bleulers Lehre spielte die «Assoziation» eine wichtige Rolle. Inspiriert von der Psychoanalyse, postulierte er, dass bei den Schizophrenen, die an Wahnideen, Halluzinationen und Autismus litten, die Assoziationsfähigkeit durcheinandergeraten gewesen sei, was sich in mannigfachen Sprachstörungen manifestiere.

Hinter Bleulers Diagnose stand laut der Autorin einerseits das «Ideal des wohltemperierten Subjekts», das sich besonnen und wohlformuliert artikulierte, und andererseits das liberale politische Ideal der freien Assoziation der Menschen. Freilich legte Bleuler dieser eine natürliche Ordnung zugrunde, an der sich die Menschen auszurichten hätten. Der Arzt, resümiert Bernet, nahm «politische, juristische, soziologische und biologische Denkansätze auf (. . .) und setzte sie in seiner assoziationistischen Schizophrenie-Lehre neu zusammen». Die biologistische «Dementia praecox» erweiternd, baute er sowohl die Psyche als auch das Soziale in seine Lehre ein, die, in vielem vage bleibend, in der grossen Unübersichtlichkeit neue Orientierung versprach.

Ausstrahlung aus der Klinik

Vor allem aber hatte Bleuler die Möglichkeit, eine Schule zu gründen. Die Basis der legendären «Zürcher Schule» (der unter anderen C. G. Jung angehörte) war die psychiatrische Klinik Burghölzli, deren Direktor Bleuler war. Er öffnete die Klinik zur Gesellschaft hin, damit die Kranken nicht länger isoliert seien, was ihre Heilungschancen verbessere. Die Schule strahlte in einen wachsenden Kreis gebildeter Laien aus, welche die Lehre in die sozialmedizinische Fürsorge, in den Justizapparat und in die Öffentlichkeit trugen. Die Bleulersche Fassung der Schizophrenie hatte jedoch nur so lange Bestand, wie dieser seinen Einfluss geltend machen konnte. Kurz vor seinem Tod liess sein Schüler Ludwig Binswanger ihn wissen, er habe den Begriff der Assoziation zu eigenwillig gebraucht. Damit war die Zeit des Assoziationskonzepts abgelaufen, nicht jedoch die Karriere der Schizophrenie.

Alle Fragen beantwortet die bestens lesbare Studie nicht, wobei manche wohl kaum zu beantworten sind, aber doch diskutierbar wären. Wie krank waren die Leute tatsächlich, die als Schizophrene behandelt wurden? Haben heutige Schizophrene andere Probleme? War es nicht eher der Anarchismus als der Liberalismus, der das Prinzip der Assoziation konsequent vertrat? Setzen sich Krankheitskonzepte quasi funktionalistisch durch, indem sie den Bedürfnissen von Staat und Gesellschaft entgegenkommen? Trotz oder gerade wegen dieser Fragen: Brigitta Bernet zeigt, dass Wissenschaft nie nur im Elfenbeinturm stattfindet, ja dass selbst ein geschlossener Raum wie eine psychiatrische Klinik von sozialen Interessen und Obsessionen durchzogen wird.

1 Kommentar:

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