Informationsmüll frisst Gehirnressourcen
Neue Medien wirken sich auf unser Gehirn aus, sie steigern die Fehleranfälligkeit, verkürzen Konzentrationsspannen und wecken die Sucht nach schneller Befriedigung.
Das menschliche Gehirn ist nicht zum Multitasking geschaffen. Genau dazu verleiten aber Computer, Smartphones und Tablets mit den digitalen Medien - und das hat konkrete Auswirkungen auf das Gehirn, meint der deutsche Hirnforscher Martin Korte. Die Folgen sind hohe Fehleranfälligkeit, kurze Konzentrationsspannen und Sucht nach schneller Befriedigung von Bedürfnissen. Schuld daran seien aber nicht die Neuen Medien selbst, sondern der Umgang damit. "Wir müssen lernen, Neue Medien optimal zu nutzen", sagte Korte. In einem Vortrag bei den Alpbacher Technologiegesprächen erklärt er am Freitag, wie in der digitalen Welt die Zukunft des Lernens aussehen könnte.
"Die Herausforderung des Lernens wird sein, wie man das Erhaltenswerte und Vernünftige an unserem Bildungssystem - etwa einen Bildungskanon als Plattform des gemeinsamen Wissens - erhalten und darüber hinaus die Möglichkeiten schaffen kann, Schüler und Studenten auch ihren Gewohnheiten entsprechend anhand von digitalen Medien lernen zu lassen", glaubt der Neurobiologe von der Technischen Universität Braunschweig. Dazu müssten Schüler und Studenten allerdings auch darin geschult werden, wie man am effektivsten mit den Neuen Medien lernt: "Dieses Wissen kommt nicht von selber."
Intensive Internetnutzung beeinflusst bestimmte Stirnlappengebiete der Großhirnrinde, vor allem den dorso-lateralen präfrontalen Cortex, der mit Konzentration, Problemlösungsstrategien, Erkennen und Kontrolle von Emotionen und dem Treffen von Entscheidungen in Verbindung gebracht wird. Die positive Folge: Analytische Fähigkeiten, die Geschwindigkeit bei der Bildverarbeitung im Gehirn und die Leistung, mehrere Aufgaben praktisch gleichzeitig auszuführen, werden gefördert.
Ablenkung als kognitive Bremse
Je mehr verschiedene Tätigkeiten man allerdings gleichzeitig ausübt, umso mehr wird Informationsverarbeitung zu einer Last. "Die Gehirnressourcen werden vom Informationsmüll aufgefressen", so Korte. Die größte kognitive Bremse ist dabei laut Korte heute für viele Menschen, dass sie während einer Tätigkeit ständig durch Gedanken an andere, vor allem digital inszenierte Tätigkeiten (E-Mail, Soziale Netzwerke etc.) abgelenkt werden.
Um diese drohenden negativen Konsequenzen zu verringern, müsse der Einsatz Neuer Medien effizienter gestaltet werden, betont Korte. Der Nutzer solle nicht der Versuchung erliegen, viele Dinge gleichzeitig zu erledigen, "weil wir einfach nicht gut darin sind, Dinge parallel abzuarbeiten". Man müsse seine Arbeit sehr genau strukturieren und festlegen, wann man etwa konzentriert an einem Problem arbeiten will - immerhin brauche das Gehirn nach jeder Unterbrechung 15 Minuten, um sich wieder in den Stoff einzuarbeiten. Deshalb sollten Studenten oder Schüler immer ein Fach nach dem anderen zu erledigen. Auch Soziale Netzwerke und Mails sollten in der Konzentrationsphase Tabu sein, da durch das Abschweifen permanent Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses geteilt und damit von der ursprünglichen Aufgabe abgezogen werden.
Internetbasierte Lernformen
Das bedeutet aber nicht, dass sich Lernende aus Kortes Sicht generell von den Neuen Medien abschotten sollen. Immerhin hätten internetbasierte Lernformen viele Vorteile, etwa für das Fremdsprachenlernen, da sie sehr individuell auf den Lernenden eingehen und sich an sein Tempo anpassen. Dass Schüler und Studenten mit digitalen Medien eigenständiges, selbstmotiviertes und selbstgesteuertes Lernen leisten können, müssten künftig Lehrer stärker berücksichtigen: "Man muss sie an diesen Lernprozessen mit den Techniken, die sie verwenden wollen, auch viel stärker teilnehmen lassen", so der Hirnforscher.
Reines E-Learning ist aus seiner Sicht allerdings keine Option, da es Teilnehmern dabei extrem schwer falle, die Motivation beizubehalten. Der Grund ist laut Korte das Bedürfnis nach Lernen in einer Gruppe. "Wenn wir neue Erfahrungen machen, sind wir auch eher bereit, Neues abzuspeichern und das neu Gelernte ist auch länger abrufbar, weil die Fakten in Erlebnisse eingebunden sind."
(APA)
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