Freitag, 2. August 2013

Reiz und Risiko der Geselligkeit.

aus scinexx                                                                                                               Jacob Jordaens, Mahl des Bohnenkönigs

Gemeinsames Essen macht nachlässiger

Nach einem Essen in Gesellschaft sind wir zwar gelassener, dafür lässt aber unsere kognitive Kontrolle nach

Es ist beliebt, die Mittagspause in Gemeinschaft zu verbringen - mit Kollegen oder Freunden. Die gefühlte Erholung danach ist allerdings mit einem gewissen Risiko verbunden, zumindest für einige Berufsgruppen: Ein internationales Wissenschaftlerteam hat herausgefunden, dass wir dann mehr Fehler machen und diese auch nicht ernst genug nehmen. 

Dass sich eine gemeinsame Mahlzeit positiv auf das Verhalten der Beteiligten auswirkt, wird allgemein angenommen. Wissenschaftlich erforscht wurde diese Frage in der Vergangenheit allerdings noch nicht. Nun hat eine Forschergruppe unter der Leitung von Werner Sommer vom Institut für Psychologie der Humboldt-Universität Berlin untersucht, welche kognitiven - also verstandesmäßigen - und emotionalen Prozesse durch gemeinsames Essen in Gang gesetzt werden. Als kognitive Kontrolle bezeichnen Psychologen eine Vielzahl unterschiedlicher Prozesse, die uns zielgerichtetes Verhalten ermöglichen. Durch die wir uns also von störenden Einflüssen abschirmen können, um zum Beispiel eine Aufgabe ohne Ablenkung zu erledigen.

Um nun mehr über die psychologischen Effekte einer Mahlzeit - ob alleine oder in Gemeinschaft - herauszufinden, nahmen die 32 Probandinnen ihr Mittagessen alleine im Büro ein oder gingen zusammen mit einer Freundin in ein Restaurant. Im Anschluss an die Mahlzeit wurden die Teilnehmerinnen auf Wahrnehmung und Emotionen untersucht: Sie mussten einen Fragebogen ausfüllen, ihre Hirnströme wurden gemessen (EEG) und ihre Reaktionszeit getestet.

Gemeinsam ist nicht immer günstig

Das Ergebnis: "Bei einer gemeinsam eingenommenen Mahlzeit lässt die kognitive Kontrolle etwas nach, das heißt, man wird liberaler und nachlässiger, nimmt eigene Fehler weniger ernst", erklärt Sommer. Und noch etwas haben die Forscher festgestellt: Die Teilnehmerinnen waren nach einer gemeinsam eingenommenen Mahlzeit zwar nicht besser gelaunt, wohl aber entspannter als zuvor. Das hat Vorteile: Die Entspannung und geringere Angst vor Fehlern kann kreatives Arbeiten fördern.

Zusätzlich konnten die Probandinnen nach dem gemeinsamen Essen negative emotionale Gesichtsausdrücke besser erkennen. Das sind gute Voraussetzungen, um beispielsweise Konflikte zu vermeiden. Andersherum ist dies nicht gerade günstig für Arbeitsstellen, bei denen hohe Aufmerksamkeit und Exaktheit erforderlich ist.

Nun wollen die Wissenschaftler auf diesem Feld weitere und genauere Untersuchungen anstellen und herausfinden, wie sich die Essenssituation beispielsweise auf Empathie und Kreativität auswirkt. Vielleicht gibt es dann in Zukunft maßgeschneiderte "Anleitungen für die Mittagspause" - je nach Berufsgruppe...? (PloS One, 2013; doi: 10.1371/journal.pone.0070314)

(Humboldt-Universität Berlin, 02.08.2013 - SEN)


Nota. 

Der einzige Text, der es erlaubt, Friedrich Daniel Verschleiermacher der Romantik zuzuordnen, und zugleich der einzige, der ernstlich pädagogischen Wert beanspruchen kann, ist sein Versuch einer Theorie des geselligen Betragens aus dem Jahr 1799. Die obige Meldung kommentiert ihn in beiderlei Hinsicht!
J.E.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen