Samstag, 10. August 2013

Kaste und Rasse.

aus Der Standard, Wien,  10. 8. 2013                                                                                              Tschandala (kastenlos)

Wann in Indien die Kastengesellschaft entstand

Genetiker rekonstruieren die demografische Entwicklung auf dem indischen Subkontinent: Erbgut von 73 Bevölkerungsgruppen untersucht 

Boston/Wien - "Sein Mund ward zum Brahmanen, seine beiden Arme wurden zum Kshatriyas gemacht, seine beiden Schenkel zum Vaishya, aus seinen Füßen entstand der Shudra." Dieser Vers aus dem weit über 2.000 Jahre alten Rigveda, der wichtigsten Schrift des Hinduismus, ist der erste Hinweis auf das Kastensystem Indiens. Dieser Vers stammt aus einem der jüngeren Abschnitte der Schrift. Wann er verfasst wurde, lässt sich nun auch dank DNA-Analysen rekonstruieren.

Ein US-indisches Team um die Genetikerin Priya Moorjani von der Harvard Medical School in Boston nahm für eine Studie im "American Journal of Human Genetics" das Erbgut von 73 indischen Bevölkerungsgruppen unter die Lupe. Anhand der Struktur des Erbguts, die sich von Generation zu Generation verändert, schlossen sie auf die zeitliche Abfolge des demografischen Wandels.


Der lässt sich laut der Studie in drei Phasen einteilen: Bis vor etwa 4.200 Jahren lebten im Norden des Subkontinents die sogenannten Ancestral North Indians (ANI), die ursprünglichen Nordinder, die mit den Europäern, Kaukasiern oder den Bewohnern Zentralasiens verwandt sind. Der Süden bildete dagegen die Heimat der ursprünglichen Südinder oder Ancestral South Indians (ASI).

Die nächsten gut 2.000 Jahre lang vermischten sich beide Gruppen - zu unterschiedlichen Zeiten selbst in den abgelegensten Regionen. Vor ziemlich genau 1.900 Jahren war dann aber Schluss mit lustig - was vermutlich durch die Einführung des Kastensystems bewirkt wurde, vermuten die Forscher. Denn das gestatte Heiraten nur noch innerhalb bestimmter Gruppen und konservierte die damalige Bevölkerungsstruktur - was sich in der DNA und im Rigveda nachlesen lässt. (tasch

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