aus Die Presse, Wien, 21. 8. 2012
Die (un)beliebte Ganztagsschule
Österreichweit bieten lediglich 126 Schulen verschränkten Ganztagsunterricht an. Teilweise wird das Projekt von den Lehrern blockiert, teils auch von den Eltern.
Von Julia Neuhauser
Wien. Sollen Kinder den ganzen Tag in der Schule
verbringen? Oder sollen sie – zumindest an manchen Wochentagen – zu
Mittag nach Hause zu den Eltern geschickt werden? An diesen Fragen
scheiden sich die Geister – auch die der politischen Parteien.
Die SPÖ hält die Ganztagsschulen für „sozial gerechter“ und sieht diese am liebsten in verschränkter Form. Es sollten sich also Unterricht und Freizeit über den Tag hinweg abwechseln. Für die Kinder heißt das, dass sie täglich mindestens bis 16 Uhr in der Schule sein müssen. Die ÖVP kann dem Konzept der verschränkten Ganztagsschule nur wenig abgewinnen und bevorzugt den Ausbau der reinen Nachmittagsbetreuung. So könnten Schüler auch nur an einzelnen Tagen, wenn Bedarf besteht, in die Betreuung geschickt werden.
Der Ausbau der verschränkten Ganztagsschule geht jedenfalls nur schleppend voran. Das zeigen aktuelle Zahlen aus dem Unterrichtsministerium: Zwar ist die Zahl der Schulen, die – zumindest teilweise – verschränkte Klassen führen, in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Immer noch bieten nur 126 der mehr als 5000 Standorte eine solche Art des Unterrichts an (siehe Grafik). Lediglich 16.300 Schüler werden verschränkt betreut. Stellt sich die Frage, woran das (abgesehen von der politischen Uneinigkeit) liegt.
Eine entscheidende Rolle spielen da wohl die Lehrer. Denn zwei Drittel von ihnen müssen zustimmen, um eine Klasse in der verschränkten Form zu führen. Manche Pädagogen würden sich mit dem „Bruch von Gewohnheiten“ schwertun, sagt Klaus Tasch, Direktor der NMS Klusemannstraße in Graz, der gestern von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) ins Ministerium geladen wurde. Er sollte seine Schule als Vorzeigemodell präsentieren. Die Veränderungen, die sich durch den verschränkten Unterricht ergeben, seien für viele Lehrer eine Herausforderung, sagt Tasch. An seiner Schule gebe es etwa keine 50-minütigen Einheiten mehr. Auch geänderte Arbeitszeiten würden teilweise für Unmut sorgen, sagt Stefan Giegler, Direktor der Europaschule Linz. Durch die ganztägige Betreuung müssten die Lehrer bis 16 Uhr anwesend sein. In seinem Kollegium seien nicht alle bereit gewesen, diese Veränderungen mitzutragen, so Giegler. Ein Kollege habe ihm etwa erklärt, dass er den Nachmittag lieber mit seinen eigenen Kindern verbringen wolle. „Er übersieht, dass nicht alle Österreicher einen Lehrerjob haben und ihrer Kinder am Nachmittag betreuen können“, so Giegler.
Die SPÖ hält die Ganztagsschulen für „sozial gerechter“ und sieht diese am liebsten in verschränkter Form. Es sollten sich also Unterricht und Freizeit über den Tag hinweg abwechseln. Für die Kinder heißt das, dass sie täglich mindestens bis 16 Uhr in der Schule sein müssen. Die ÖVP kann dem Konzept der verschränkten Ganztagsschule nur wenig abgewinnen und bevorzugt den Ausbau der reinen Nachmittagsbetreuung. So könnten Schüler auch nur an einzelnen Tagen, wenn Bedarf besteht, in die Betreuung geschickt werden.
Der Ausbau der verschränkten Ganztagsschule geht jedenfalls nur schleppend voran. Das zeigen aktuelle Zahlen aus dem Unterrichtsministerium: Zwar ist die Zahl der Schulen, die – zumindest teilweise – verschränkte Klassen führen, in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Immer noch bieten nur 126 der mehr als 5000 Standorte eine solche Art des Unterrichts an (siehe Grafik). Lediglich 16.300 Schüler werden verschränkt betreut. Stellt sich die Frage, woran das (abgesehen von der politischen Uneinigkeit) liegt.
Eine entscheidende Rolle spielen da wohl die Lehrer. Denn zwei Drittel von ihnen müssen zustimmen, um eine Klasse in der verschränkten Form zu führen. Manche Pädagogen würden sich mit dem „Bruch von Gewohnheiten“ schwertun, sagt Klaus Tasch, Direktor der NMS Klusemannstraße in Graz, der gestern von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) ins Ministerium geladen wurde. Er sollte seine Schule als Vorzeigemodell präsentieren. Die Veränderungen, die sich durch den verschränkten Unterricht ergeben, seien für viele Lehrer eine Herausforderung, sagt Tasch. An seiner Schule gebe es etwa keine 50-minütigen Einheiten mehr. Auch geänderte Arbeitszeiten würden teilweise für Unmut sorgen, sagt Stefan Giegler, Direktor der Europaschule Linz. Durch die ganztägige Betreuung müssten die Lehrer bis 16 Uhr anwesend sein. In seinem Kollegium seien nicht alle bereit gewesen, diese Veränderungen mitzutragen, so Giegler. Ein Kollege habe ihm etwa erklärt, dass er den Nachmittag lieber mit seinen eigenen Kindern verbringen wolle. „Er übersieht, dass nicht alle Österreicher einen Lehrerjob haben und ihrer Kinder am Nachmittag betreuen können“, so Giegler.
Sprengelgrenzen abschaffen
Manche Eltern können (und wollen) aber genau das: ihre Kinder zu Hause betreuen. So veröffentlichte die niederösterreichische ÖVP ausgerechnet ebenfalls gestern die Ergebnisse einer Umfrage unter niederösterreichischen Eltern: Demnach sprechen sich 52 Prozent der Eltern von Schulkindern und 78 Prozent der Eltern von Kindergartenkindern gegen die verschränkte Ganztagsschule aus. Damit eine Klasse verschränkt geführt wird, müssen aber auch die Eltern zu zwei Dritteln dafür sein.
„Der Wunsch der Eltern ist zu akzeptieren“, sagt Schmied. Sie fügt aber hinzu, dass „gesellschaftliche Überzeugungsarbeit“ geleistet werden müsse, um Eltern diese Schulform schmackhaft zu machen. Zudem sollen die Sprengelgrenzen abgeschafft werden, damit mehr Kinder eine Ganztagsschule besuchen können – auch wenn es eine solche nur im Nachbarort gibt.
Nota.
Pädagogen, Bildungsbehörden, Erziehungswissenschaftler, kurz: alle, die an Kindern ihren Lebensunterhalt verdienen, sind sich einig: Unsere Probleme löst die Ganztagsschule. Und sind die Eltern nicht willig, muss eben mehr behördliche Überzeugungsarbeit geleistet werden, bis alle Welt unisono stöhnt: Wir brauchen endlich die Ganztagsschule!
Dies schrieb ich am 4. August:
"Es ist wie im Irrenhaus: Ob die Ganztagsschule zweckmäßig ist - und mäßig für welche Zwecke? -, wird schon gar nicht mehr diskutiert. Dass die Kinder dort "mehr lernen", wie nach PISA getönt wurde, behauptet heute kein Mensch mehr, und es widerspricht auch dem gesunden Menschenverstand, dass Kinder rund um die Uhr 'beschult' werden sollen, während jeder Büroleiter weiß, dass seine Mitarbeiter nach der sechsten Stunde nicht mehr viel bringen. Darum wird ja auch schon gar nicht mehr versprochen, die Zahl der Unterrichtsstunden zu erhöhen. 'Gebunden' soll nun die Ganztagsschule sein, die Kinder sollen auch ihre "Freizeit" dort verbringen - unter Aufsicht, unter pädagogischer Anleitung; "schöner spielen" in professioneller Qualität. Dass das den Kindern irgendwie persönlich zugute käme, wird auch schon nichtmehr behauptet. 'Soziales Lernen' auf deutschen Schulhöfen - ausgerechnet an dem Ort, wo jede Zeitung, jeder Sender Mobbing, Gewalt und die Diskriminierung der Minderheiten durch die Mehrheit blühen sieht? Absurder geht es nicht.
Ach so, ja - dem größten Schamteil der deutschen Bildungslandschaft, nämlich ihrer sozialen Ungerechtigkeit, soll endlich beigekommen werden. Ja wie denn das?! Die Schule, die einen halben Tag dauert, verstärkt erwiesenermaßen durch die Art ihrer Auslese die durch soziale Herkunft bedingten Ungleichheiten; aber wenn sie doppelt so lange dauert, schlägt der Effekt plötzlich in sein Gegenteil um? Das soll einer verstehen...
Und dann zum Schluss: In der Ganztagsschule lernen die Kinder von integrationsstörrischen Türken besser Deutsch! Das wird ja nicht wahr dadurch, dass man es ständig wiederholt. Man müsste es einmal untersuchen. Und siehe an: Offizielle Studien gibt es nicht, nicht eine. Und wenn ein Wissenschaftler - in diesem Fall eine Wissenschaftlerin - es auf eigne Faust untersucht, stellt sich heraus: Nichtmal dazu taugt die Ganztagsschule!
Man schüttelt den Kopf und reibt sich die Augen: Gegen allen gesunden pädagogischen Menschenverstand und sogar gegen alle erziehungswissenschaftlichen Befunde wiederholen Hinz und Kunz und Professor Müller wie Staatssekretär Meier "Ganztagsschule!" so bombensicher wie das Amen in der Kirche. Wie kommt denn das?
Das macht: So wünscht es die Industrie. Es sollen beide Eltern dem Arbeitsmarkt zu Verfügung stehen. Und die Lehrergewerkschaften finden das auch; und reden es den Eltern ein."
Noch nicht ganz erfolgreich. Aber das kommt noch.
J.E.
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