In Sprache lernt man sich schon im Uterus ein
Unterschiedliche Lautmuster, die Babys in den letzten drei Monaten vor der Geburt zu hören bekommen, prägen sich so gut ein, dass sie nach der Geburt wiedererkannt werden.
Von Jürgen Langenbach
Wenn Schwangere in Hörweite sind, sollte man seine Zunge im Zaun halten: Auch Embryos haben Ohren, und diese spitzen sie zumindest gegen Ende der Schwangerschaft. Dass sie das tun, weiß man aus Experimenten mit Tieren – Vögel lernen sich im Ei in die Gesänge von Artgenossen ein, Ratten kann man in utero mit Tönen konditionieren –, auch bei Menschen deutet vieles darauf.
So folgt etwa der erste Schrei, mit dem ein Neugeborenes die Welt begrüßt, der Melodie der Sprache der Mutter bzw. des Landes, in dem es ausgetragen wurde. Und wenn Kinder englischsprachiger Mütter nach der Geburt schwedische Wörter hören, dann wecken die ihre Neugier stärker als englische Wörter. Das zeigte ein Experiment, in dem Babyfläschchen mit Tonband und Messgerät versehen waren: Ertönte die fremde Sprache, nuckelten die Babys gieriger.
Das Design des Experiments zeigt die Schwierigkeiten beim Erkunden des frühen Hörens, deshalb gibt es relativ wenig Forschung, und das, obwohl der Uterus vor vielem schützt, aber nicht vor Schall: Da pocht das Herz der Mutter, da knurrt der Magen der Mutter, und von ganz weit – und stark gedämpft – klingt die Stimme der Mutter, zugleich werden die Muskelbewegungen spürbar, mit denen sie die Töne erzeugt. Das mag erklären, warum die Stimme der werdenden Mutter im Gedächtnis des Kindes bleibt – es reagiert nach der Geburt mit mehr Bewegung darauf –, die Stimmen Fremder tun es hingegen nicht, und die des werdenden Vaters tut es auch nicht.
Kleine Differenzen wecken das Gehirn
Aber all das sind eher weiche Befunde, die beobachtetes Verhalten von Babys interpretieren. Messungen der Gehirnaktivitäten gibt es kaum. Am Füllen dieser Lücke arbeitet Eino Partanen (Helsinki), nun hat er eine Studie publiziert, in der Babys in den ersten Tagen nach der Geburt EEGs abgenommen wurden (Pnas, 27. 8.): 33 Babys waren mit dabei, 17 hatten in den letzten drei Monaten der Schwangerschaft neben dem üblichen Schall noch etwas zu hören bekommen: „tatata“. Das spielten die werdenden Mütter fünf- bis siebenmal pro Woche fünf Minuten lang vom Band, und zwar so laut, dass keine Unterhaltung möglich gewesen wäre, es den Ohren aber auch noch nicht wehtat. Ab und zu kam eine Variante, ein Vokal war verändert – „tatota“ –, oder das mittlere a wurde in erhöhter Stimmlage gesprochen.
So etwas ist für das Gehirn besonders spannend, es reagiert mit „mismatch response“, besonderen Aktivitätsmustern, die sich im EEG zeigten. Sie waren bei den Babys zu bemerken, die so vor der Geburt vernommen hatten, gleich nach der Geburt, bei den Kontrollbabys, die sie nicht kannten, waren sie nicht da (und mussten erst aufgebaut werden). „Das lässt uns vermuten, dass Embryos viel detailliertere Informationen aufnehmen, als wir bisher dachten“, schließt Partanen.
Aber er fügt schon etwas hinzu: Vor allem in den USA gibt es verschiedenste Programme, die das Sprachlernen bzw. die Kognition insgesamt schon vor der Geburt mit Beschallung fördern wollen. Partanen will das nicht, er rät eher ab, in sprachpädagogischer Absicht auf Embryos einzulärmen. Ob das die Entwicklung wirklich fördert, ist unklar, es könnte sie auch stören, man weiß es nicht. Immerhin weiß man, dass auch Embryos gern ihre Ruhe haben und schlafen.
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