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Ulrike Jaspers
Marketing und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main
05.12.2013 15:02
FRANKFURT. Der Umgang mit großen Datenmengen hat die Arbeitsweise
vieler Geisteswissenschaftler erheblich verändert und hat auch
inhaltlich zu einem Wandel in den kulturwissenschaftlichen Fächern
geführt. „Empirische Wende“ nennen die Experten die an Einfluss
gewinnende quantifizierende Arbeit an großen, kontrolliert erstellten
digitalen Text- und Bildcorpora. Die Goethe-Universität hat auf diesem
Gebiet die Nase vorn: „Mit unserem LOEWE-Schwerpunkt konnten wir in den
vergangenen drei Jahren eine Spitzenposition in der sich schnell
entwickelnden Landschaft der Digital Humanities in Deutschland
erringen“, so der Sprecher des Schwerpunkts, der Sprachwissenschaftler
Prof. Dr. Jost Gippert.
In dem interdisziplinären Verbundprojekt, an dem als Projektpartner
auch Informatiker und Geisteswissenschaftler der TU Darmstadt sowie
Literaturwissenschaftler des Freien Deutschen Hochstifts (Frankfurter
Goethe-Museum) beteiligt sind, werden Methoden und Werkzeuge entwickelt,
um große Datenmengen, die inzwischen als digitale Texte, Bilder, Filme,
Tonaufzeichnungen und Kataloge vorliegen, wissenschaftlich auszuwerten
und zu vernetzen. Von 2011 bis 2013 wurde der LOEWE-Schwerpunkt „Digital
Humanties“ mit 3,8 Millionen Euro aus Landesmitteln unterstützt, für
2014 stehen noch einmal über 880.000 Euro zur Verfügung, teilte das
Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst jetzt mit. Im Rahmen
der hessischen Forschungsinitiative „LOEWE“ (Landes-Offensive zur
Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz) erhält die
Goethe-Universität mit ihren Partnern außerdem für den LOEWE-Schwerpunkt
„Neuronale Koordination Forschungsschwerpunkt Frankfurt über 620.000
Euro, und das Frankfurter LOEWE-Zentrum für Zell- und Gentherapie wird
von 2014 bis 2016 mit rund 18,5 Mio. Euro unterstützt.
„Digital Humanities“ sind ein noch junges Feld in den Geistes- und
Sozialwissenschaften und werden im Kreise der Wissenschaftler nicht nur
positiv beurteilt. Gippert kann den Kritikern nicht folgen, die meinen,
den Digital Humanities fehle die theoretische Reflexion und sie neigten
zur unkritischen Affirmation technologischer, gegenstandsferner
Konzepte. „Während es früher für Linguisten, Literaturwissenschaftler
oder Historiker kaum denkbar war, Hypothesen und Theorien am gesamten
einschlägigen Material zu verifizieren oder zu falsifizieren, ist dies
mit dem Einsatz elektronischer Verfahren nun mehr möglich – ein enormer
Fortschritt, um zu belegbaren neuen Ergebnissen zu kommen.“ Zurzeit
werden digitale Auswertungsmethoden entwickelt, die für ganz
unterschiedliche Datenpools fächerübergreifend eingesetzt werden können.
Die Frankfurter Projektpartner von „Digital Humanties“ haben in den
vergangenen Jahren eine gemeinsame informationstechnologische
Infrastruktur geschaffen, aber auch an vielen Einzelprojekten
erfolgreich zusammen gearbeitet. So sind beispielsweise
Sprachwissenschaftler und Informatiker an der Goethe-Universität damit
beschäftigt, die handschriftliche Überlieferung der ältesten religiösen
Texte Irans, des Avesta, mit digitalen Verfahren zu klassifizieren. In
Kooperation von Goethe-Universität und Freiem Deutschen Hochstift
entsteht eine Datenbank, die Illustrationen zu Goethes „Faust“ mit dem
textualen Inhalt des Werks verknüpft.
Was steht in Zukunft auf der Agenda im Forschungsschwerpunkt „Digital
Humanities“? „Die wirkliche Integration von Text- und Bilddaten ist
eines unserer wichtigsten Ziele. Das bedeutet zum Beispiel, dass die
hochauflösenden elektronischen Bilder von alten Handschriften
unmittelbar mit editorischen Bearbeitungen ihrer Inhalte verknüpft
werden. Statt mühevoll gedruckte Materialien zusammenzufügen, bringt
diese digitale Verknüpfung viel schneller neue Erkenntnisse zutage, die
zudem überprüfbar bleiben“, so Gippert. Er hat ein derartiges Verfahren
bereits mit großem Erfolg auf sogenannte Palimpseste angewendet – das
sind mittelalterliche Pergamenthandschriften, die ausradiert und wieder
überschrieben wurden –, womit unter anderem eine bisher unbekannte
Sprache des frühen Mittelalters, das sogenannte Kaukasische Albanisch,
zutage trat.
Und was passiert mit dem Schwerpunkt „Digital Humanities“, wenn die
Förderung des Landes Hessen Ende 2014 ausläuft? Dazu Gippert: „Wir
setzen zurzeit darauf, Mittel des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung einwerben zu können, um dauerhaft ein „e-Humanities-Zentrums“
in der Rhein-Main-Region aufzubauen. Über unseren Antrag, den wir
gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische
Forschung (DIPF) gestellt haben, wird im Januar 2014 entschieden.“
Informationen: Prof. Dr. Jost Gippert, Institut für Vergleichende
Sprachwissenschaften, Campus Bockenheim, Tel.(069)798-25054,
gippert@em.uni-frankfurt.de
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