Donnerstag, 19. Dezember 2013

Publish or Perish.

Peter Higgs, Nobelpreis
aus Die Presse, Wien, 12.12.2013                               Peter Higgs

Nobelpreisträger: Kritik an Zeitmangel und „Luxusjournals“ 
Peter Higgs und Randy Schekman beklagen Hektik und Geldmacherei. Die attackierten Journals reagierten eher konsterniert.

Auf dem Markt der Wissenschaft gehe es heute zu wie auf den Finanzmärkten, es gehe nur noch um Geschwindigkeit und Effekthascherei. In dieser Diagnose waren sich zwei heurige Nobelpreisträger einig, die auf ihrem Weg nach Stockholm beim „Guardian“ in London einkehrten. Der eine heißt Peter Higgs, ihm ging es grundsätzlich um die Wissenschaft bzw. das immer drängendere Gesetz „publish or perish!“ („publiziere oder verrecke!“). Er selbst habe seit dem Jahr 1964, in dem er die Arbeit mit den postulierten Teilchen publizierte, die ihm nun den Preis eintrug, nicht einmal zehn weitere Arbeiten publiziert. Wissen- schaft brauche Zeit, und die University of Edinburgh habe ihn, den Lahmfuß, nur deshalb nicht hinausge- worfen, weil er 1980 schon einmal für den Nobelpreis nominiert war: „In der heutigen Zeit würde ich keinen akademischen Job bekommen. So einfach ist das.“

Sexy soll es sein und Wellen schlagen

Und wer heute einen Job will, muss nicht nur rasch publizieren, er muss in den richtigen Journals publizieren, den Flaggschiffen, Nature, Science, Cell und noch einer Handvoll. Gegen die feuerte der zweite Gast beim „Guardian“ eine Breitseite, Molekularbiologe Randy Schekman (UC Berkeley): „Diese Luxusjournals betreuen aggressiv ihre Marken, ihnen geht es mehr um den Verkauf von Subskriptionen als darum, die wichtigste Forschung zu stimulieren. Wie Modedesigner, die limitierte Editionen von Handtaschen herausbringen, wissen sie, dass Knappheit den Bedarf hebt, und schränken deshalb künstlich die Zahl der Arbeiten ein, die sie akzeptieren.“ Und bei dem, was sie akzeptieren, sehen sie darauf, dass es möglichst „sexy“ ist und „Wellen schlägt“.

Im Kern geht es Schekman um das, was er mit den Boni der Banken vergleicht, den „impact factor“, das ist ein Maß dafür, wie wichtig ein Journal ist: wie häufig es zitiert wird. Daran bemisst sich der Wert der Forscher, deren Arbeiten akzeptiert werden. Viele halten das für ein falsches Maß, das über die Bedeutung einer Arbeit überhaupt nichts aussage, deshalb forderten im Mai Wissenschaftler aus aller Welt in der „San Francisco Declaration“, der „impact factor“ dürfe nicht länger über Karrieren entscheiden.

Die attackierten Journals reagierten eher konsterniert, sie haben auch andere Sorgen: Allmählich wächst ihnen die Konkurrenz der frei zugänglichen Journals über den Kopf, auch Schekman gibt eines heraus (eLife), und bei dem sieht man, welche Gegenmacht gegen die „Luxusjournals“ in Stellung geht: Finanziert wird eLife u. a. vom Wellcome Trust und der Max-Planck-Gesellschaft. (jl)



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