Sonntag, 8. Dezember 2013

Memorieren im Schlaf.

aus derStandard.at,7. 12. 2013

Wiederholung neuronaler Muster fördert Festigung von Erinnerungen
Phänomen erstmals für den Menschen belegt

Befindet sich das menschliche Gehirn im Ruhezustand, können neuronale Erregungsmuster, die mit bestimmten Gedächtnisinhalten in Zusammenhang stehen, spontan wiederkehren. Diese Wiederholungen tragen dazu bei, dass sich Erinnerungen verfestigen und dauerhaft abgespeichert werden, wie nun Wissenschafter des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Universität Bonn berichten.

Die gängige Theorie der Gedächtnisbildung geht davon aus, dass Erinnerungen schrittweise abgespeichert werden: Zunächst legt das Gehirn neue Informationen nur vorübergehend an. Damit diese langfristig erhalten bleiben, ist ein weiterer Prozess erforderlich. "Wir sprechen von Konsolidierung", erläutert Nikolai Axmacher von der Universität Bonn. "Wir wissen nicht genau, wie dieser Vorgang abläuft.

Untersuchungen legen jedoch nahe, dass dafür eine sogenannte Reaktivierung von Bedeutung ist. Dabei wiederholen sich im Gehirn Aktivitätsmuster, die mit einer bestimmten Erinnerung zusammenhängen. Das ist im Grundsatz ein vertrautes Konzept. Es ist eine Tatsache, dass Dinge, die aktiv eingeübt werden, sich besser einprägen und länger im Gedächtnis bleiben. Wir gehen allerdings davon aus, dass eine Reaktivierung von Gedächtnisinhalten auch spontan geschehen kann. Also ohne, dass es einen äußeren Anlass dafür gibt."

Gedächtnistest im Tomographen

Um diese Hypothese auf die Probe zu stellen, baten Axmacher und sein Team zehn Probanden zum Gedächtnistest. Die Versuchsteilnehmer waren im Mittel etwa 24 Jahre alt und gesundheitlich unauffällig. Ihre Aufgabe: Sie sollten verschiedene Bilder mit einer zuvor gezeigten räumlichen Position verbinden. Das bedeutete konkret, sich die Lage einer Markierung für jede einzelne dieser Abbildungen zu merken. "Das ist eine assoziative Aufgabe, bei der optische und räumliche Eindrücke verknüpft werden müssen", erläutert der Forscher. "Solche Tätigkeiten beanspruchen verschiedene Hirnregionen. Darunter den visuellen Cortex und auch den Hippocampus, der an vielen Gedächtnisprozessen beteiligt ist."

Die Bilder zeigten unter anderem Frösche, Bäume, Flugzeuge und Menschen. Sie waren alle an unterschiedlicher Stelle mit einem weißen Quadrat markiert. Zum Ende des Experimentes bekamen die Versuchsteilnehmer diese Bilder erneut zu Gesicht – nur diesmal ohne Kennzeichnung. Ihre Aufgabe war es nun, per Computer-Maus jedes Bild an der zuvor gezeigten Stelle zu markieren. Wie gut dies gelang, ermittelten Axmacher und seine Kollegen anhand der Abweichung von der korrekten Position.
Die Testreihe dauerte mehrere Stunden, die jeder Proband – abgesehen von kurzen Unterbrechungen – in der Röhre eines Magnetresonanz-Tomographen (MRT) verbrachte. Während des gesamten Experiments, das mehrere Ruhephasen und einen Mittagsschlaf beinhaltete, erfasste das MRT die Gehirnaktivität der Versuchsteilnehmer.

Wiederkehrende Hirnmuster

Die Forscher werteten diese Daten mit Hilfe eines mathematischen Algorithmus aus. Dieser suchte nach Ähnlichkeiten zwischen den Hirnmustern, die bei der ursprünglichen Vorführung der Bilder vorkamen und solchen, die zu späteren Zeitpunkten auftraten. "Dieses Verfahren der Mustererkennung ist ziemlich aufwendig, aber recht effektiv", sagt Axmacher. "Bei der Analyse stellte sich heraus, dass neuronale Muster, die wir einzelnen Abbildungen zuordnen konnten, während der Ruheperioden und auch während des Mittagsschlafes wiederkehrten."

Die Gedächtnisleistung der Probanden ging Hand in Hand mit der Häufigkeit, mit der sich Hirnmuster wiederholten. "Je häufiger ein Aktivitätsmuster auftrat, desto genauer konnte ein Proband das zugehörige Bild markieren. Desto größer war also seine Treffsicherheit für dieses Bild", fasst Axmacher die Ergebnisse zusammen. Die Resultate stützen die bisherige Vermutung, dass sich neuronale Muster spontan wiederholen können und dass sie die Bildung dauerhafter Gedächtnisinhalte fördern. Darauf gab es bereits Hinweise aus Tierstudien. Die Experimente haben dieses Phänomen nun erstmals auch für den Menschen belegt. (red,)
 

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