Konnektom im Menschenhirn
aus Süddeutsche.de, 24. Dezember 2013 15:55
Intelligenz im Tierreich
Was im Kopf steckt
Keine Frage, Menschen sind intelligenter als alle anderen Tiere
dieser Welt. Doch welche Eigenschaften eines Gehirns entscheiden über
die Leistungsfähigkeit? Allein um Größe geht es nicht.
Von Monika Offenberger
Schimpansen spielen die Ahnungslosen, wenn sie versteckte
Leckerbissen vor Artgenossen verbergen wollen. Krähen biegen Drähte zu
Haken, um damit Futter zu angeln. Tintenfische finden spielend aus einem
Labyrinth heraus und behalten den Weg mehrere Tage lang im Gedächtnis.
Bienen weisen ihren Schwestern vom dunklen Stock aus den Weg zu weit
entfernten Nektarquellen. Die Beispiele zeigen: Intelligenz hat viele Erscheinungsformen. Und sie hat sich im Laufe der Evolution mehrmals in verschiedenen Tiergruppen entwickelt.
Entsprechend unterschiedlich ist die Architektur der
Nervensysteme, denen Insekten, Weichtiere, Vögel oder Primaten ihre
besonderen Fähigkeiten verdanken. Doch gibt es ein paar universelle
Kriterien, auf denen Intelligenz basiert.
Das erste Kriterium klingt trivial: Ein Gehirn braucht
Nervenzellen. Dass es sich auch ohne Neuronen gut leben lässt, machen
Bakterien und viele andere Organismen vor, die nur aus einer einzigen
Zelle bestehen. Auch mehrzellige Tiere wie die Schwämme kommen ganz gut
ohne Nervenzellen aus.
Allerdings gehen sie ihren Alltag etwas gemütlicher an als
nervöse Zeitgenossen: Bis ein Reiz (etwa eine ungewohnte Berührung) zu
einer Reaktion (Zurückzucken) führt, vergehen mehrere Minuten. Weil ihm
Übertragungsleitungen fehlen, stellt der Schwammkörper bestimmte Zellen
ab, die als Boten von den Sinnes- zu den Bewegungsorganen wandern und
dort Bescheid geben, wenn etwas zu tun ist.
Die schnellere Erregungsübermittlung via Nervenzellen hat die
Informationsverarbeitung und das Reaktionsvermögen von Tieren um
Größenordnungen beschleunigt. Doch erst die Bündelung der Neuronen an
einem zentralen Organ, dem Gehirn, ermöglicht komplexe Leistungen.
Das auffälligste Kennzeichen eines Gehirns ist seine absolute
Größe. Weil diese an die Körpermaße gekoppelt ist, haben große Tiere
größere Gehirne als kleine. Innerhalb einer Tiergruppe garantiert das
größte Hirn folglich die höchste Intelligenz. Spitzenplätze belegen
unter den Insekten die Bienen, bei den Weichtieren die Oktopusse und bei
den Vögeln die Papageien, Eulen und Krähen.
Besonders deutlich wird der Zusammenhang zwischen absoluter
Gehirngröße und Intelligenz bei den Primaten: Lemuren und andere
Halbaffen haben ein sehr kleines Gehirn und entsprechend geringere
Intelligenz. Die Neu- und Altweltaffen sind mit ihren größeren Gehirnen
schon um einiges schlauer. Schimpansen und andere Menschenaffen haben
noch größere Gehirne und weiter reichende kognitive Fähigkeiten. Die
intelligenteste Spezies mit dem größten Primatenhirn sind zweifellos wir
Menschen selbst. Und auch bei den übrigen Säugetieren sind die Klügsten
jene mit den größten Gehirnen, nämlich die Elefanten, Wale und Delfine.
Jedes Äffchen hat mehr Hirnmasse als ein Hund
Doch wer schon einmal ein Kapuzineräffchen beim Lausen, Raufen
oder Grimassenschneiden beobachtet und mit einer weidenden Kuh
verglichen hat, muss zugeben: Obwohl das Affenhirn deutlich kleiner ist -
es misst nur ein Fünftel eines Rinderhirns - leistet es erkennbar mehr.
Auch die klugen Meeressäuger und Rüsseltiere schneiden schlecht
ab, sobald man sie am Schimpansen oder gar am Menschen misst: Die
riesigen Gehirne der Schwertwale (bis 10 Kilogramm) und des Elefanten
(4,2 Kilogramm) sind sieben- beziehungsweise dreimal so groß wie das
menschliche Denkorgan, die Geistesleistungen reichen jedoch nicht an die
vieler Primaten heran.
Offensichtlich entscheidet nicht nur die absolute, sondern auch
die relative Größe über die Leistungsfähigkeit eines Gehirns. Unter den
meisten Wirbeltieren haben die größeren Arten ein relativ kleineres
Gehirn als die kleineren. Außer bei den Primaten: Hier steigt die
Gehirngröße etwa im selben Maße an wie die Körpergröße. Deshalb hat
jedes Äffchen mehr Hirnmasse als ein gleich großer Hund oder Hase.
Innerhalb der Primaten setzt der Mensch noch eins drauf: Wir haben für
jedes Kilo des Körpergewichts dreimal so viel Hirn wie ein Schimpanse
und achtmal so viel wie eine Katze.
Dennoch reicht auch die relative Größe eines Gehirns nicht zur
Qualitätsbestimmung aus: Es kommt vor allem auf den Inhalt an. "Wale
sind ein gutes Beispiel dafür, dass ein größeres Gehirn nicht unbedingt
mehr Nervenzellen enthalten muss. Entscheidend ist, wie dicht die
Neuronen gepackt sind", erklärt Onur Güntürkün, Biopsychologe an der
Uni Bochum.
Bei den meisten Wirbeltieren ist es so: Je größer ihr Gehirn,
umso geringer ist die Packungsdichte der Neuronen. Deshalb haben Delfine
wie der Große Tümmler zwar genauso viel Hirnmasse wie der Mensch, doch
enthält diese mit 5,8 Milliarden Nervenzellen wesentlich
weniger Neuronen.
Wieso die winzigen Vogelhirne erfolgreich sind
Vögel und Primaten sind die einzigen Wirbeltiere, bei denen
dieses Prinzip nicht gilt. Ihre Neuronen sind in großen wie in kleinen
Gehirnen gleich dicht gepackt. "Bei Vögeln ist die Packungsdichte sogar
noch höher als bei den Primaten, sie haben also je Gramm Hirngewicht
noch mehr Nervenzellen. Das erklärt zumindest zum Teil, warum sie trotz
ihrer kleinen Gehirne so erfolgreich sind", so Güntürkün.
Die Familie der Rabenvögel hat besonders einsichtige, lern- und
merkfähige Arten hervorgebracht: Krähen setzen oft spontan - also ohne
Training oder Abschauen - Werkzeuge ein oder stellen sogar passende
Hilfsmittel her. Tannenhäher verstecken im Herbst hunderte Zirbelsamen
in der Erde oder in Felsblöcken und finden sie später sogar unter einer
meterhohen Schneedecke wieder. Elstern erkennen ihr eigenes Spiegelbild,
was sonst nur Menschaffen, Elefanten und Delfinen gelingt.
Alle Rabenvögel haben relativ zum Körpergewicht ein größeres
Gehirn als beispielsweise Tauben oder Hühner. Ihr überproportionales
Denkorgan enthält dementsprechend vermutlich auch absolut gesehen eine
höhere Zahl von Nervenzellen - besonders in denjenigen Bereichen, die
für Intelligenz zuständig sind. Konkrete Zahlen sind für Vögel bislang nicht bekannt.
Der Mensch verarbeitet Informationen viel schneller als das Riesenhirn des Wals
Der Hirnforscher Gerhard Roth, Emeritus an der Universität
Bremen, schätzt die Zahl der Neuronen im Intelligenzzentrum von
Vogelgehirnen je nach Art auf 100-400 Millionen. Bei den Primaten ist
dieses Zentrum die Großhirnrinde: Sie fasst beim Menschen 12 bis 15
Milliarden Neuronen (von insgesamt rund 100 Milliarden) und bei den
kleineren Affen etwa so viele wie das Pendant im Rabengehirn. Beim
Oktopus enthält der Vertikallobus immerhin 24 Millionen Nervenzellen.
Und im Gehirn der Honigbiene konzentriert sich rund ein Drittel der
insgesamt 960.000 Neuronen in zwei symmetrisch angeordneten Strukturen,
den so genannten Pilzkörpern.
"Nun wissen wir natürlich: Die eigentliche Musik spielt sich in
den Verbindungen der Nervenzellen ab. Und wir können davon ausgehen,
dass eine größere Zahl an Nervenzellen auch mehr synaptische
Verbindungen ausbildet", sagt Onur Güntürkün. Über die Zahl der
Synapsen, die ein Neuron - zum Beispiel in der menschlichen Hirnrinde -
formen kann, gibt es unterschiedliche Befunde: Einige Forscher gehen von
1000 bis 10.000 aus, andere von bis zu 30.000.
Unstrittig ist jedoch, dass der Mensch sämtliche Tiere auch in
der Zahl der Synapsen übertrifft. Unsere Hirnrinde ist mit maximal fünf
Millimetern rund viermal so dick und zudem noch doppelt so dicht mit
Neuronen bepackt wie die der Wale und Elefanten. Diese vielen, eng
benachbarten Zellen können besonders schnell miteinander kommunizieren.
"Nach meinen Schätzungen ist die Geschwindigkeit der
Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn sechs- bis zehnmal höher
als in den sehr viel größeren Gehirnen der Elefanten und Wale",
erläutert Gerhard Roth.
Eine sehr dichte Neuronenpackung und sehr hohe
Erregungsleitungsgeschwindigkeiten kennzeichnen nicht nur die Hirnrinde
der Primaten und insbesondere des Menschen, sondern auch die
Intelligenzzentren im Gehirn von Vögeln und einigen wirbellosen Tieren.
Sie haben die Packungsdichte sogar noch optimiert, so Gerhard Roth:
"Oktopusse und Bienen haben in ihren Intelligenzzentren sehr viel
kleinere Neuronen als wir. Und auch die Vögel und Primaten haben im
Vergleich zu anderen Wirbeltieren sehr kleine Nervenzellen." Deshalb
stecken in den kleinen Gehirnen der Tintenfische und insbesondere in den
winzigen Insektengehirnen pro Volumen deutlich mehr Neuronen als in den
Wirbeltierhirnen. Deshalb können sie Information oft
schneller verarbeiten.
Vom Gehirn einer Biene oder eines Tintenfischs zu dem eines Raben
oder Affen ist es freilich ein sehr großer quantitativer Sprung:
Wirbeltiere haben in ihrem Schaltzentrum mehrere Milliarden
Nervenzellen, Oktopusse immerhin 42 Millionen, Insekten dagegen nur eine
halbe bis eine Million. "Und trotzdem stehen einige dieser kleinen
Tiere den großen in vielen Intelligenzleistungen nicht nach. Dazu
gehören zum Beispiel Lernen, Gedächtnis, Selbstwahrnehmung,
Unterscheidung zwischen dem eigenen Körper und der Außenwelt sowie
komplexe soziale Interaktionen zwischen Individuen. Diese Fähigkeit
haben auch die kleinen Gehirne", sagt Randolf Menzel,
Neurowissenschaftler und Verhaltensbiologe an der FU Berlin.
Wie Menzels Forschung zeigt, sind die Pilzköper des Bienengehirns
in zahlreiche Module gegliedert, die parallel viele sensorische,
motorische, modulatorische und bewertende Informationen entgegennehmen.
"Dort werden sie auf eine Vielzahl von internen Neuronen verteilt und
dann auf eine geringe Zahl von Ausgangsneuronen verschaltet.
Wir haben also zuerst eine Divergenzschaltung und anschließend
konvergiert es wieder", erklärt Menzel. Je mehr Neuronen in diesen
parallel verknüpften Pilzkörper-Modulen liegen, umso komplexer sind die
Leistungen, die sie ermöglichen: Honigbienen haben dort mit etwa 130.000
Neuronen rund 26-mal so viele wie die Taufliege Drosophila.
Auch die Hirnrinde im Säugergehirn ist in Parzellen unterteilt,
wo die Vielzahl von äußeren Sinneseindrücken und inneren Körperzuständen
verarbeitet und zusammengeführt werden. Je stärker diese Parzellierung
ist, umso besser: Mäuse und andere kleine Säugetiere haben etwa zehn
Areale, die unterschiedliche Informationen aufnehmen und weiterleiten.
Dagegen verfügt die menschliche Hirnrinde über 150 Areale mit 60
Verbindungsstellen, die insgesamt 9000 Areal-Verschaltungen ermöglichen.
"Man kann also wirklich sagen: Es gibt ein Grundprinzip für hohe Intelligenz,
das man auch als Ingenieur beschreiben könnte", sagt Gerhard Roth und
zieht das Fazit: "Das menschliche Gehirn kombiniert einen großen Cortex
mit einer relativ dichten Packung, hoher Übertragungsgeschwindigkeit und
starker Parzellierung. Daraus resultiert die höchste
Informationsverarbeitungskapazität und Intelligenz unter
allen Lebewesen".
Bakterien, 0 Neuronen
Bakterien brauchen keine Nervenzellen, geschweige denn ein Nervensystem.
Dennoch funktionieren Reizerkennung und Informationsverarbeitung bei
den Einzellern nach denselben Prinzipien wie bei komplexeren Organismen:
Es gibt Elemente zur Sinneswahrnehmung und solche zum Bewegungsantrieb;
die Kommunikation läuft über Signalstoffe innerhalb der Zelle. Das
Darmbakterium E. coli trägt in seiner Außenhülle mehr als ein
Dutzend Typen von Chemorezeptoren, die nahrhafte von giftigen Substanzen
unterscheiden können und fortwährend deren Konzentration melden. Andere
Einzeller wie das zu den Archäen zählende Halobacterium salinarum
orientieren sich mit Hilfe lichtempfindlicher Pigmente, die jenen der
menschlichen Retina ähneln. Ein Kurzzeitgedächtnis von wenigen Sekunden
erlaubt es den Mikroben, die Stärke zweier aufeinander folgender Reize
zu vergleichen und sich wahlweise zur Reizquelle hin oder von ihr weg zu
bewegen. Weder Bakterien noch Archäen können lernen.
Schleimpilze, 0 Neuronen
Schleimpilze sind kernhaltige Einzeller, die als geißelbewehrte
Schwärmer oder kriechende Amöben auftreten und je nach Wasserangebot
zwischen beiden Lebensformen wechseln. In guten Zeiten vermehren sie
sich und verschmelzen milliardenfach zu vielkernigen Riesenzellen, die
auf feuchten Oberflächen oft grell gefärbte schleimige Überzüge bilden. Physarum polycephalum
bringt es auf bis zu zwei Quadratmeter große Exemplare, die sich einen
Zentimeter pro Stunde vorwärts schieben und dabei Hindernisse überwinden
können. Dazu nutzen sie dieselben Proteine, mit denen auch Menschen
ihre Muskeln in Bewegung setzen. Die Art hat durch ein Experiment in
Japan Aufsehen erregt: Der Schleimpilz fand in einem 25 x 35 Zentimeter
großen Labyrinth den kürzesten von vier Wegen zwischen zwei Häufchen
Haferflocken. In allen Versuchen nahm er den direkten Weg und fiel weder
auf Sackgassen noch Umwege herein. Grund genug, dem schleimigen Wesen
eine primitive (Körper-)Intelligenz zuzusprechen.
Fadenwurm, 302 Neuronen im Körper
Das beliebte Versuchstier der Genetiker - der Fadenwurm - besitzt ein
primitives zentrales Nervensystem: Mehrere Nervenstränge ziehen sich vom
Nervenring am Schlund bis zum hinteren Ende und in die Kopfregion. Bei
manchen Arten sitzt dort ein Paar mit Sehzellen besetzter Grubenaugen,
andere haben einfache Linsen. Besonders gut erforscht ist die Art Caenorhabditis elegans.
Der Wurm hat exakt 302 Nervenzellen, die über 6393 chemische
Verbindungsstellen und 890 Ionenkanäle vernetzt sind und sich über
weitere 1410 Ionenkanäle mit Muskelzellen austauschen. Dieses Netzwerk
befähigt C. elegans zu assoziativem Lernen, wie ein Versuch
zeigt: Man hält den Wurm in einer Schale voller nahrhafter Bakterien.
Sobald er davon frisst, gibt man einen Duftstoff dazu, den das Tier
wahrnimmt. In der Folge wirkt der Duft wie die berühmte Glocke auf
Pawlows Hund: Der Wurm assoziiert damit Bakterien und macht auch dann
Fressversuche, wenn er die Substanz in einer leeren Schale riecht.
Bienen, 960.000 Neuronen im Gehirn
Ihr kleines Gehirn ist nur etwa einen Kubikmillimeter groß, dennoch
verfügen Bienen über ein breites Verhaltensrepertoire. Sie lernen
schnell eine Fülle von Signalen, wenn sie für die richtige Lösung mit
Zuckerwasser belohnt werden: So lassen sie sich etwa darauf dressieren,
Farben, Formen oder Gerüche zu unterscheiden und Eigenschaften zu
erkennen. Sie können Regeln lernen, bei welchen Verknüpfungen sie eine
Belohnung erwarten können. Diese Leistungen speichern sie dauerhaft im
Gedächtnis. Es gelingt ihnen, geometrische Formen nach ihrer Ähnlichkeit
zu unterscheiden. Sie können die Zahl von bis zu vier Objekten
unterscheiden, scheitern aber bei größeren Mengen. Für ihren Alltag ist
ihr Navigationsvermögen relevanter: Mit ihrem Schwänzeltanz informieren
sie Stockgenossinnen über wichtige Orte im Gelände wie Futterquellen
oder Nisthöhlen. Die jeweilige Flugrichtung teilen sie symbolhaft nach
dem Sonnenkompass und der mit den Augen gemessenen Entfernung mit.
Oktopusse gehören wie alle Tintenfische, Muscheln und Schnecken zu den
Weichtieren. Ihr hoch entwickeltes zentrales Nervensystem, das völlig
anders aufgebaut ist als das der Wirbeltiere, befähigt sie zu
erstaunlichen Leistungen: Sie finden selbst nach langen Ausflügen auf
dem kürzesten Weg nach Hause, auch wenn sie diesen niemals zuvor benutzt
haben. Außerdem lernen sie schnell, aus einem Irrgarten zu entkommen -
und erinnern sich noch eine Woche später an den einmal entdeckten
Ausweg. Sie finden selbst heraus, dass sie Krabben in einem
verschlossenen Glasgefäß nur greifen können, wenn sie zuvor den Deckel
öffnen. Sie können geometrische Formen wie Würfel oder Kugeln durch
Abtasten unterscheiden. Einige Biologen wollen beobachtet haben, dass
sie nicht nur aus eigener Erfahrung lernen, sondern auch, indem sie
Artgenossen beim Lösen von Aufgaben zusehen. In neueren Untersuchungen
konnten diese Befunde allerdings nicht bestätigt werden.
Rabenvögel, 400.000.000 Neuronen im Gehirn
Rabenvögel benutzen Werkzeuge und bringen diese wenn nötig in eine
passende Form. Neukaledonien-Krähen rupfen kleine Stücke aus Blättern,
um damit Insekten aus Felsritzen herauszufischen. Vor fahrende Autos
werfen sie Nüsse und warten auf rotes Ampellicht, um aus den
überfahrenen, zerbrochenen Schalen gefahrlos die Kerne aufzulesen. Als
besonders erfinderisch erwies sich die zahme Krähe Betty: Um an ein
außer Reichweite postiertes Stück Fleisch zu gelangen, bog sie einen
herumliegenden Eisendraht spontan zu einem Haken und zog damit den
Happen zu sich heran. Krähen sind neben Primaten die einzigen Tiere, die
sich mit Hilfe von Werkzeugen andere Werkzeuge besorgen. Im Versuch
angelten sich die Vögel mit kurzen Stöcken längere Stöcke, die sie zum
Heranholen einer Futterbox benötigten. Ob solches Verhalten auf Einsicht
basiert oder durch Probieren entsteht, ist umstritten. Die ebenfalls zu
den Rabenvögeln zählenden Elstern erkennen zudem ihr eigenes
Spiegelbild.
Elefanten, 11.000.000.000
Sie sind die größten Landtiere der Welt, entsprechend groß ist ihr
Gehirn. Mit tiefen Tönen im Infraschall-Bereich verständigen sich
Elefanten über Entfernungen von bis zu 20 Kilometern und orten
individuelle Gruppenmitglieder ebenso wie Regengüsse oder Wirbelstürme.
Dank ihres guten Gedächtnisses und Orientierungsvermögens merken sie
sich die Standorte von Wasserquellen im Umkreis von 60 Kilometern. Zur
Körperpflege stutzen sie Stöcke und Zweige zu Kratzbürsten und
Fliegenpatschen zurecht. Im Experiment begreifen zwei ungeschulte
Elefanten, dass sie eine entfernte Futterquelle nicht alleine, sondern
nur gemeinsam mittels Seilen zu sich heranziehen können. Die Riesen
scheinen sich selbst im Spiegel zu erkennen, verlieren dann aber schnell
das Interesse an ihrem Konterfei. Im Gegensatz zu Bienen lernen sie
aber nur mühsam oder gar nicht, kleine von großen oder runde von eckigen
Objekten zu unterscheiden und entsprechenden Kategorien zuzuordnen.
Zahnwale,5.800.000.000 Neuronen im Gehirn
Sie haben erheblich größere Gehirne als Menschen. Diese benötigen
Delfine und andere Zahnwale insbesondere für ihr ausgefeiltes
auditorisches System. Es erlaubt ihnen, mit vielerlei Pfeif- und
Klickgeräuschen zu kommunizieren und sich via Echoortung zu orientieren.
Schwertwale verständigen sich oft auch lautlos, um sich bei der
gemeinsamen Jagd nicht zu verraten. Je nach Beuteart setzen sie
Fangmethoden ein, die perfektes Teamwork voraussetzen: Sie schlagen
koordiniert Wellen, um Robben von Eisschollen zu kippen, Fischschwärme
mit Luftblasen zu verwirren und Blauwale zu ertränken. Versuche mit
trainierten Delfinen legen nahe, dass sie sich darüber bewusst sind,
wenn sie an einer Aufgabe scheitern - etwa wenn sie zwei minimal
unterschiedlich hohe Töne nicht auseinander halten können. Dagegen
versagen sie bei einfachen Intelligenztests: Sie können unbekannte
Gegenstände nicht passenden Kategorien zuordnen - eine Aufgabe, die
Affen, Hunde, Tauben und Bienen meistern.
Schimpansen, 6.200.000.000 Neuronen
Schimpansen nutzen und fertigen bis zu 20 verschiedene Werkzeuge - zum
Beispiel zum Angeln von Termiten oder Aufsaugen von Wasser - und setzen
sie in wechselnden Zusammenhängen ein. Dabei löst jede Gruppe ein
Problem auf etwas andere Weise und begründet damit unterschiedliche
Traditionen: So haben die Schimpansen in Guinea herausgefunden, wie man
Fallen von Wilderern unschädlich macht. Nur Schimpansen gelingt es, aus
einem Material verschiedene Werkzeuge oder denselben Werkzeugtyp aus
unterschiedlichen Rohstoffen anzufertigen. Sie nutzen mehrere Werkzeuge
in Abfolge oder kombinieren sie. Damit beweisen sie ebenso wie
Orang-Utans Einsicht in ein Problem. Sie können Handlungen planen und
Objekte auswählen, die sie erst später als Werkzeuge brauchen.
Schimpansen finden versteckte Objekte, indem sie den Blicken eines
Artgenossen oder des Menschen folgen. Sie erkennen, ebenso wie Gorillas,
ihr Spiegelbild. Doch sind nicht alle Individuen gleich erfolgreich.
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