Wenn die Dunkle Materie warm ist; konzentriert sich das Gas in
filamentartigen Strukturen, in denen dann explosionsartig die ersten
Sterne entstehen.
aus Die Presse, Wien, 31. 10. 2013Physik: Der dunklen Materie auf der Spur
In den USA hat ein Teilchensensor seine Arbeit aufgenommen, der empfindlicher als alle bisherigen nach dem sucht, woraus das Weltall zu 25 Prozent besteht und was man doch nicht sieht.
von Jürgen Langenbach
Seit 80 Jahren ist sie eines der größten Rätsel der Physik, die dunkle Materie, von der man nicht viel mehr weiß, als dass es fünf Mal so viel geben muss wie von der für uns sichtbaren. Ihre Existenz steht seit 1933 fest, damals bemerkte der Schweizer Astronom Fritz Zwicky an fernen Galaxien eine starke Diskrepanz zwischen dem von ihnen ausgesandten Licht und den Gravitationskräften, die in ihnen wirkten. Letztere waren viel größer, und sie konnten nur von etwas herrühren, was Masse hat, aber keine Strahlung aussendet. Zwicky postulierte eine dunkle Materie, seine Kollegenschaft schüttelte den Kopf.
Aber es fand sich immer mehr Bestätigung, vor allem in den Sechzigerjahren, und seitdem ist man auf der Suche bzw. auf der Jagd. Es gab und gibt viele Kandidaten, ganz oben rangieren hypothetische Teilchen, „weakly interacting massive particles“, WIMPs. Sie interagieren mit der uns vertrauten Materie nur über die schwache Kernkraft und eben über die Gravitation, und man sucht sie allerorten, am Himmel – dort sollen sie hochenergetische Gammastrahlen auslösen, wenn sie miteinander kollidieren und sich auslöschen, ein Nasa-Satellit hat 2009 so etwas gesichtet – und auf Erden. Bzw. tief in ihr, in alten Bergwerken etwa. Das darüberliegende Gestein soll andere Teilchen abschirmen, vor allem die der sogenannten kosmischen Strahlung, deren Teilchen leicht mit WIMPS verwechselt werden könnten.
„Entdeckt? Wetten Sie nicht darauf!“
In diesen Kavernen ruhen Detektoren, die darauf warten, dass WIMPs auf ein Ziel treffen („target“) und mit einem seiner Atome kollidieren. Das Ziel besteht aus extrem gekühlten Xenon (oder Germanium oder Silizium), es ist umgeben von Detektoren, die auf Lichtblitze lauern, die bei einer Kollision mit WIMPs freigesetzt würden. Aber solche Kollisionen sind so extrem selten, dass Science Ende 2009 gewarnt hat: „Dunkle Materie entdeckt? Wetten Sie nicht darauf!“ Zu dieser Zeit war das Internet voll mit Gerüchten, in der Soudan-Mine in Minnesota, 750 Meter unter der Erde, hätten Fermi-Forscher WIMPs-Signale gesichtet. Es blieb bei den Gerüchten, und Science wusste, warum es warnte: Jahre vorher waren aus einem Labor im Gran Sasso Erfolgsmeldungen gekommen, die bis heute umstritten sind.
Aber die dunkle Materie reizt, und seit das Higgs-Teilchen bestätigt ist, gibt es auf dem dortigen Feld keine Nobelpreise mehr zu gewinnen, wenigstens nicht so rasch. Deshalb schießen allerorten WIMPs-Labors aus dem Boden bzw. eben in ihn hinein – sie sind relativ billig, um die zehn Millionen Dollar –, in China wird gerade eines in 2500 Metern Tiefe unter dem Jin-Pin-Berg gebaut („PandaX“), in den USA ist eines seit drei Monaten im Probebetrieb, LUX (Large Underground Xenon), in 1478 Metern Tiefe in einem ehemaligen Goldbergwerk. Dort lagern 350 Kilo flüssiges Xenon, dieser Sensor ist derzeit der empfindlichste von allen.
Zumindest das wurde bekannt, als LUX am Donnerstag seine Arbeit mit großer Gebärde der Öffentlichkeit präsentierte. „Wir haben diese ersten drei Monate damit verbracht, uns anzusehen, wie gut der Detektor arbeitet, und wir sind sehr zufrieden mit dem, was wir sehen“, erklärte LUX-Sprecher Rick Gaitskell. „Wir haben eine höhere Sensitivität als alle früheren Experimente, die direkt nach dunkler Materie suchen.“
Gefunden hat man nichts. Aber das ist durchaus auch etwas: Die Schätzungen der Masse von WIMPs reichen von leicht (in der Größenordnung von ein paar Protonen) bis schwer (hunderte Protonen). Im April meldete ein Labor Verdacht auf drei WIMPs, leichte, von der Art waren auch die im Gran Sasso. LUX hätte mit seiner Empfindlichkeit 1300 sehen müssen. Es sah nichts.
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