aus scinexx
Langzeitgedächtnis hilft Schimpansen bei der Futtersuche
Auf der Suche nach ertragreichen Obstbäumen im Regenwald erinnern sich Schimpansen an Vergangenes
Wohin begeben sich Schimpansen, deren Lieblingsobstbaum leer
gefressen ist, wenn sie nicht wissen, welche anderen Bäume bereits
Früchte tragen? Ein internationales Forscherteam vom Max-Planck-Institut
für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat untersucht, wie
Schimpansen auf der Suche nach Früchten besonders ertragreiche Bäume
finden. Die Tiere benutzen dafür ihr Langzeitgedächtnis.
Für
ihre Studie haben die Forscher im Taï-Nationalpark an der
Elfenbeinküste das Verhalten von fünf weiblichen Schimpansen über
Zeitabschnitte von jeweils vier bis acht Wochen kontinuierlich
aufgezeichnet. Insgesamt umfassen die Aufzeichnungen 275 komplette Tage,
die über mehrere Fruchtsaisons verteilt waren. Die Auswertung der Daten
ergab, dass Schimpansen besonders stattliche Bäume einer Art als
Nahrungsquelle bevorzugen, vor allem dann, wenn deren Früchte ihren
typischen Geruch ausströmen. Interessanterweise besuchen sie diese
größeren Bäume auch dann häufiger, wenn sie gerade keine Früchte tragen,
die Inspektion also nicht durch die Geräusche fallender Früchte oder
deren Geruch ausgelöst wird.
Was ist wo?
Die Wissenschaftler haben darüber hinaus herausgefunden, dass
Schimpansen während ihrer Reise durch den Regenwald zwar die meisten
Bäume prüfen, aber nur etwa 13 Prozent der Bäume zielgerichtet
ansteuern. Dieses gezielte Vorgehen wird nicht durch visuelle Reize
ausgelöst und kommt hauptsächlich dann vor, wenn Weibchen den Wald zur
Nahrungssuche allein durchstreifen und sich vergleichsweise großen
Bäumen gegenüberfinden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Tiere bei
ihren Inspektionen von ihrem “Was-ist-Wo”-Gedächtnis zur Lage
stattlicher Obstbäume leiten ließen. Für dieses Ergebnis analysierten
die Forscher, welche von fast 16.000 potenziellen Obstbäumen die
Schimpansen tatsächlich aufsuchten.
Die Forscher beobachteten ein Schimpansenweibchen drei aufeinander
folgende Jahre lang und stellten fest, dass es sich an ihre
Nahrungsaufnahme aus vergangenen Fruchtsaisons erinnern konnte.
Langjährige Monitoring-Daten zur jahreszeitlichen Entwicklung
individueller Bäume haben ergeben, dass das Intervall zwischen
aufeinanderfolgenden Fruchtsaisons zwischen zwei Monaten und drei Jahren
variieren kann. Für mindestens denselben Zeitraum müssen die
Schimpansen also in der Lage sein, sich zurück zu erinnern.
Erinnerungsvermögen ist kein Gegensatz zwischen Mensch und Tier
„Unsere Studie zeigt erstmalig, dass unsere nächsten Verwandten auf der
Suche nach neu produzierten tropischen Früchten ihr Langzeitgedächtnis
verwenden“, sagt Karline Janmaat vom Max-Planck-Institut für
evolutionäre Anthropologie. „Sie erinnern sich also an die vergangene
Nahrungsaufnahme, lange nachdem die Bäume abgeerntet worden sind.“ Ihr
Kollege Christophe Boesch fügt hinzu: „Lange Zeit wurde behauptet, dass
sich Tiere im Gegensatz zum Menschen nicht an Vergangenes erinnern
können. Unsere Studie belegt, warum Schimpansen und andere Primaten sich
über einen längeren Zeitraum hinweg an Ereignisse erinnern müssen, und
dass sie das tatsächlich tun.“
(Max-Planck-Gesellschaft, 24.10.2013 - AKR)
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