Es ist ein Mann
Der historisch bedeutsame «Löwenmensch» ist zurück im Ulmer Museum
Der historisch bedeutsame «Löwenmensch» ist zurück im Ulmer Museum
Die 30,1 Zentimeter grosse Statuette aus der
Eiszeit ist eines der ältesten Kunstwerke der Menschheit. Sie wurde auf
der Schwäbischen Alb in Süddeutschland gefunden und ist nun zurück im
Ulmer Museum.
von Marianne Erath
Eine aufrecht stehende Figur mit
Löwenkopf und menschlichem Rumpf, vor 35 000 bis 40 000 Jahren von
unseren Vorfahren aus einem Mammutstosszahn geschnitzt - das ist der
Löwenmensch. Nun konnten viele Fragen beantwortet werden, denn bei neuen
Ausgrabungen am alten Fundort, der Stadelhöhle des Hohlensteins im
Lonetal, sind neue Teile aufgetaucht. Damit hatte man nicht gerechnet,
denn schon bei der Entdeckung war die Figur in Hunderte von Fragmenten
zerbrochen.
Die vergessene Entdeckung
Als sie am 25. August 1939
entdeckt wurde, stand der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unmittelbar
bevor. Der örtliche Grabungsleiter Otto Völzing hatte mit vielen anderen
Grabungshelfern seinen Einberufungsbefehl in der Tasche, und die
Ausgrabung in der Stadelhöhle musste abgebrochen werden. Einer der Funde
des letzten Tages war der Löwenmensch. Der verantwortliche
Grabungsleiter Robert Wetzel, Völzings Vorgesetzter, erkannte zwar
Bruchstücke einer Elfenbeinplastik, doch dann verliert sich das Wissen
um die gerade erst entdeckte Figur.
Dreissig Jahre später, am 8.
Dezember 1969, wird sie wiederentdeckt, als der Urgeschichtsforscher
Joachim Hahn im Ulmer Museum die Schachtel mit den Funden vom letzten
Grabungstag in der Stadelhöhle öffnet. Die bearbeiteten Elfenbeinstücke
fallen ihm gleich ins Auge, und er versucht mit zwei Studenten die etwa
200 Bruchstücke zusammenzusetzen. Nach wenigen Tagen ist «der Ulmer
Tiermensch» erkennbar, wie ihn die «Die Zeit» am 27. März 1970 nennt.
Spätere Anfügungen der Archäologin Elisabeth Schmid zeigen, dass der
Tiermensch ein Löwenmensch ist. Da unter anderem die äussere Schicht des
Oberkörpers abgeplatzt ist und die meisten Menschendarstellungen aus
dieser frühen Zeit weiblich sind, glaubt sie, es handle sich um eine
Löwenfrau.
2008 beginnen erneute Grabungen am
Hohlensteinstadel. Die Höhle soll zusammen mit drei weiteren in die
Welterbeliste der Unesco aufgenommen werden. Denn in der Region um die
Flüsschen Lone und Ach lag ein kulturelles Innovationszentrum, ein
urgeschichtlicher Think-Tank, wo die ältesten bisher bekannten
Schnitzereien der Welt gefunden wurden. Die meisten der Fundstücke sind
nur handtellergross; Mammuts, Höhlenbären und weitere Tiere. In einer
der Höhlen wurde sogar eine Frauendarstellung entdeckt: die sogenannte
Venus vom Hohlefels. Aus diesen Höhlen kommen auch die ältesten
bekannten Flöten und eine besondere Schmuckform, die nur in dieser
Region vorkommt: die doppelt durchlochte Perle. Die Forscher wollen nun
durch kleine Sondierungsschnitte klären, ob sich in der Stadelhöhle
überhaupt noch Fundschichten befinden und aus welcher Zeit sie stammen.
Doch keine Löwenfrau
Im zweiten Jahr der Kampagne
stösst das Team um den Archäologen Claus-Joachim Kind völlig
überraschend auf weitere Teile des Löwenmenschen. Die neuen Funde
ermöglichen es, den genauen Ort festzulegen, wo die Figur gelegen hatte:
Nicht im Arbeits- und Wohnbereich der Höhle, sondern in einer Kammer,
in die kein Tageslicht mehr fiel. «Der Löwenmensch gehörte zur
religiösen Vorstellungswelt der Menschen damals», meint Kind auf der
Pressekonferenz zum Löwenmenschen. Mit den neu gefundenen Bruchstücken
liess sich auch die lange umstrittene Frage um das Geschlecht der
Statuette klären: Es ist ein Mann.
Die Sonderausstellung «Die
Rückkehr des Löwenmenschen» stellt den Fund in einen grösseren
Zusammenhang. Sie wird ab heute Freitag bis zum 9. Juni 2014 im Ulmer
Museum gezeigt und präsentiert das Innovationszentrum im Lone- und im
Achtal, visualisiert die Zusammenhänge mit Tier-Mensch-Darstellungen aus
anderen Regionen und erzählt, wie wichtig der Löwe für die Jäger der
Eiszeit gewesen ist: Er wurde nicht nur religiös verehrt, sondern auch
ganz profan gegessen.
www.loewenmensch.de
Nota.
Was ist am Geschlecht so interessant? Dies: bei den ältesten bisher bekannten Menschndarstellungen handelte es sich um winzige in Elfenbein geschnitzte Frauenfigürchen, wie die Venus von Willendorf und die vom Hohlefels und ihre Kolleginnen. Von da schien eine gerade Linie zu führen zum Kult der Großen Mutter in Catal Hüyük. Der Lösenmensch ist älter und sehr viel größer, und er ist ein Mann. Nur ob er wirklich einen Menschen oder nicht eher einen Löwen darstellt, das bleibt unklar.
JE
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