Freitag, 22. November 2013

Unsere Abstammung - statt einfacher nun doch komplizierter?

aus derStandard.at, 19.11.2013

Kopulation mit unbekannter Population
In London präsentierte Gensequenzen von Neandertaler und Denisova deuten darauf hin, dass es vor 30.000 Jahren in Asien eine unbekannte Menschenart gegeben haben dürfte

"Wir haben nicht die geringste Idee", sagt einer, der es eigentlich wissen müsste, nämlich der britische Paläoanthropologe Chris Stringer. Die Rede ist von einer neuen Hominidenpopulation, die vor rund 30.000 Jahren in Asien gelebt haben muss, von der aber praktisch jeder Hinweis fehlt. Dass es sie gegeben haben muss, schließen führende Paläogenetiker allein aus den bisher genauesten Analysen der DNA von Neandertaler und Denisova-Mensch, die am Montag bei einer Konferenz der Royal Society in London präsentiert wurden.

Lagen bisher nur vorläufige Genomdaten des vor rund 30.000 Jahren ausgestorbenen Neandertalers und des rätselhaften, erst 2010 entdeckten Denisova-Menschen vor, der Sibirien vor mehr als 30.000 Jahren unsicher machte, so hat ein Expertenteam um Svante Pääbo (MPI für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig) und David Reich (Harvard) diese Lücken geschlossen. Die neuen Daten bergen einige kleinere Überraschungen und eine besonders große.


Bekannt war bereits, dass alle heute lebenden Menschen, deren unmittelbare Vorfahren nicht aus Afrika stammen, zwei Prozent ihrer DNA den Neandertalern verdanken. Und vier Prozent der DNA von Bewohnern Ozeaniens und Papua-Neuguineas gehen wiederum auf Kreuzungen zwischen dem modernen Menschen und dem Denisova-Menschen zurück. Doch das ist noch nicht alles: Die neuen Daten legen nahe, dass die Denisovas auch mit den Neandertalern Sex hatten und mit den Vorfahren jener Populationen, die heute in Ostasien leben.

 

Vierte, bisher unbekannte Menschenart


Die große Sensation aber ist, dass laut den Analysen vor rund 30.000 in Asien noch eine vierte, völlig unbekannte Menschenart existiert haben muss, die sich vor rund 30.000 Jahren an den Kreuzungen beteiligte. Es scheint so, also ob die Welt in dieser Zeit ein bisschen was vom "Herrn der Ringe" hatte, wird der Genetiker Mark Thomas vom Wissenschaftsmagazin "Nature" zitiert ­- also eine Welt mit mehreren Menschenarten, die sich untereinander paarten.

Der eingangs zitierte Chris Stringer vom London Natural History Museum, der an der Studie nicht beteiligt war, wartete immerhin mit einigen Spekulationen auf: Womöglich war diese Menschenpopulation mit Homo heidelbergensis verwandt, einer Menschenart, die vor mehr als 500.000 Jahren Afrika verließ und aus der sich die Neandertaler entwickelten. Und womöglich lebte sie auch noch nach den Kreuzungen vor rund 30.000 Jahren noch einige Jahrtausende in Asien weiter. (tasch)
 

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