aus scinexx Kasimir Malevitch 1924
Schwarzes Loch mit Wiederkehr?
Stephen Hawking widerspricht gängiger Theorie zum Ereignishorizont von Schwarzen Löchern
Bisher war die Sache klar: Einem Schwarzen Loch entkommt nichts,
nicht einmal das Licht. Jetzt aber erklärt der Kosmologe Stephen
Hawking, dass es den Ereignishorizont vielleicht gar nicht gibt, die
magische Grenze ohne Wiederkehr. Stattdessen sorgt ein scheinbarer
Horizont dafür, dass Licht und Materie zwar festgehalten werden, die
Information darüber aber in sehr veränderter Form sehr wohl wieder
entkommen kann.
Schwarze
Löcher sind nach geltender Lehrmeinung Singularitäten – Orte
unendlicher Dichte, in deren Zentrum die Gesetze der Allgemeinen
Relativitätstheorie nicht mehr gelten. Die gewaltige Schwerkraft dieser
Singularitäten sorgt dafür, dass Materie und selbst Licht angezogen wird
und nicht mehr entkommen kann – jedenfalls sobald sie den
Ereignishorizont überschreiten. Er markiert quasi die Grenze zum Bereich
ohne Wiederkehr.
Unmerkliche Grenze oder Feuerwand?
Der Einstein'schen Theorie nach würde ein Astronaut, der den
Ereignishorizont versehentlich passiert, dies aber zunächst nicht
bemerken. Denn dieser ist unsichtbar und unterscheidet sich rein
äußerlich in Nichts von dem umgebenden Raum. Die Quantenmechanik aber
sieht dies anders: Ihren Grundätzen nach müsste der Ereignishorizont
mehr einer Feuerwand ähneln, einer extrem energiereichen Region. Ein sie
passierender Astronaut würde nach dieser Theorie sofort zu Asche
verbrennen. Beide Sichtweisen standen bisher unvereinbar nebeneinander.
Der Kosmologe Stephen Hawking während eines Vortrags bei der NASA
Jetzt aber präsentiert der britische Physiker Stephen Hawking eine
dritte Lösung, die sowohl Einsteins Gesetze als auch die Quantentheorie
zufriedenstellen würde: In seinem Artikel "Informationserhaltung und
Wetterbericht für ein Schwarzes Loch" postuliert er, dass es gar keinen
Ereignishorizont gibt. Denn das Raum-Zeit-Gefüge in der Umgebung des
Schwarzen Lochs fluktuiert viel zu stark, um eine klare Grenze bilden zu
können, so der Forscher.
Doch kein endgültiges Aus für Materie?
"Die Abwesenheit eines Ereignishorizonts aber bedeutet, dass es auch
keine Schwarzen Löcher gibt – zumindest im Sinne von Orten, denen das
Licht niemals entfliehen kann", erklärt Hawking. "Es gibt aber
scheinbare Horizonte, die für eine bestimmte Zeitperiode bestehen."
Hinter diesen halten die Schwarzen Löcher Materie nur zeitweilig fest.
Nach Hawkings Ansicht sollten Schwarze Löcher daher "als metastabile
Grenzzustände des Gravitationsfelds betrachtet werden."
Das aber bedeutet, dass die Information über die gefangene Materie nicht
gänzlich verloren geht, wie es gängige Theorien besagen. Sie wird nur
extrem stark verändert und verzerrt und dann letztlich als die
sogenannte Hawking Strahlung wieder abgestrahlt. Diese bereits 1975 von
Hawking postulierte Strahlung entsteht, wenn sich Materieteilchen dem
Schwarzen Loch nähern. Dabei bilden sich kurzzeitig virtuelle Paare aus
diesen Teilchen und ihren Antiteilchen. Stürzt dann nur eines der beiden
ins Schwarze Loch, wird die Energie des übrigbleibenden als Strahlung
abgegeben.
Hawking-Strahlung als Überrest
Diese Strahlung ist umso stärker, je kleiner und masseärmer das Schwarze
Loch ist. Bei mikroskopisch kleinen Löchern sorgt diese Strahlung sogar
dafür, dass sie im Laufe der Zeit schrumpfen und sich dann quasi
komplett in Strahlung auflösen. Die massereichen Schwarzen Löcher, die
aus Sternexplosionen entstehen oder im Herzen von Galaxien sitzen,
strahlen dagegen nur wenig davon aus.
Jetzt hat Hawking seine Theorie dahin erweitert, dass diese
Hawking-Strahlung noch immer Informationen darüber enthalten könnte, was
einst ins Schwarze Loch fiel. Damit widerspricht dies dem Konzept des
Ereignishorizonts, der alles zurückhält. Denn die Informationen über die
eingesaugte Materie würden in einer extrem verwandelten Form wieder
abgegeben. Diese Informationen auszulesen, wäre allerdings nahezu
unmöglich. Hawking vergleicht es mit dem Versuch, Wetter langfristig
akkurat vorherzusagen: Das ist zwar in der Theorie machbar, in der
Realität aber nahezu unmöglich, zumindest bisher.
Reaktionen skeptisch bis vorsichtig
Ob Hawking mit seinem neuesten Wurf Recht hat, bleibt abzuwarten. Das
Echo unter seinen Physikerkollegen ist bisher geteilt bis vorsichtig.
Einige halten es für durchaus möglich, dass es Schwarze Löcher ohne
Ereignishorizont geben könnte. Andere sind eher skeptisch, denn die
Raumzeit-Fluktuationen, die den Ereignishorizont aufheben sollen, wurden
bisher zumindest bei den Schwarzen Löchern in unserer Umgebung nicht
nachgewiesen.
Und auch Raphael Bousso von der University of California in Berkeley,
ein ehemaliger Hawking-Schüler, äußerst sich in "Nature News" eher
vorsichtig: "Die Idee, dass es bei einem Schwarzen Loch gar keinen Punkt
mehr gibt, von dem es keine Wiederkehr gibt, ist noch radikaler und
problematischer als die Existenz des Ereignishorizonts als Feuerwand",
so der Physiker. (High Energy Physics – Theory, 2014; arXiv:1401.5761 )
Video: Stephen Hawking erklärt seine Theorie bei einem Vortrag in Cambridge
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