Sind Raben empathisch?
Vögel lassen sich von den Emotionen missgelaunter Artgenossen anstecken
Emotionale Übertragung: Auch Raben lassen sich offenbar von den Emotionen anderer anstecken. Wie Experimente zeigen, schätzen die Vögel eine Situation pessimistischer ein, wenn sie zuvor einen frustrierten Artgenossen beobachtet haben. Dies könnte ein Beleg für emotionale Ansteckung bei den Tieren sein – eine wichtige Voraussetzung für die Fähigkeit zur Empathie.
Raben sind äußerst intelligente Vögel: Sie können zählen, Werkzeuge nutzen und sogar vorausschauend planen. Noch ausgeprägter aber ist ihre soziale Intelligenz. Die in komplexen, sich ständig verändernden Verbänden lebenden Vögel wissen sehr genau, wer welchen sozialen Rang bekleidet und mit wem sich eine Teamarbeit lohnt. Doch sind die Tiere auch zur Empathie fähig?
Als eine grundlegende Voraussetzung für die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, gilt die emotionale Ansteckung. Dieser Mechanismus führt zum Beispiel dazu, dass wir uns von dem Lächeln eines Mitmenschen unwillkürlich anstecken lassen und unsere Stimmung dadurch steigt. Diese eigentlich als typisch menschlich geltende Eigenschaft ist in Ansätzen bereits bei Tieren wie Orang-Utans nachgewiesen worden.
Zwischen Freude und Frust
Ob sich Raben ebenfalls von den Gefühlen ihrer Artgenossen anstecken lassen, haben nun Jessie Adriaense von der Universität Wien und ihre Kollegen untersucht. Im Experiment ließen sie zahme Raben zunächst durch ein Guckloch spähen und entweder eine sehr beliebte oder wenig begehrte Futterbelohnung erblicken. Je nach dem, was der Vogel sah, zeigte er erwartungsvolle Vorfreude – oder wandte sich frustriert ab.
Das Entscheidende dabei: Ein zweiter Rabe beobachtete diese Situation und bekam folglich mit, wie sein Artgenosse reagierte. Anschließend wurde der Beobachter-Vogel selbst einem Test unterzogen. Er wurde mit Behältern konfrontiert, deren Inhalt er zunächst nicht sehen konnte. Wie würde er sich verhalten?
Pessimistische Vögel
Die Idee dahinter: Angetrieben von der Zuversicht auf ein Leckerli werden sich optimistisch gestimmte Vögel sehr rasch und motiviert den Behältern nähern. Erwarten sie keine oder eine unattraktive Belohnung, lassen sie sich dagegen wahrscheinlich mehr Zeit und agieren zurückhaltender. Die Wissenschaftler verglichen das Verhalten der Tiere dabei mit Kontrollwerten aus Testdurchgängen, bei denen diese vorher keinen Kontakt zu Artgenossen gehabt hatten.
Die Auswertungen zeigten, dass die Raben im Schnitt langsamer und bedachter auf die Becher zugingen, wenn sie zuvor einen sichtlich frustrierten Kollegen beobachtet hatten. Sie waren offenbar pessimistisch gestimmt. Diese Ergebnisse lassen nach Ansicht des Forscherteams darauf schließen, dass sich Raben von den negativen Emotionen eines Artgenossen anstecken lassen können.
Erstmals nachgewiesen
Anders als die negative Stimmung übertrug sich die positive Emotion im Experiment zwar nicht so deutlich. Zumindest im Negativen scheint es jedoch tatsächlich eine Art emotionale Übertragung bei den Raben zu geben, wie die Wissenschaftler betonen. Ihnen zufolge ist es das erste Mal, dass diese Grundvoraussetzung für Empathie bei Vögeln nachgewiesen wurde. Dies werfe nun auch ein neues Licht auf die Evolutionsgeschichte dieser emotionalen Fähigkeit, so das Fazit des Teams. (PNAS, 2019; doi: 10.1073/pnas.1817066116)
Quelle: Universität Wien/ PNAS
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