aus spektrum.de, 28.05.2019
Wie Affen auf Drohnen reagieren
Ein Hightech-Fluggerät verhilft einer deutschen Arbeitsgruppe zu Einsichten über die Evolution der Sprache.
von Lars Fischer
Westliche Grünmeerkatzen (Chlorocebus sabaeus)
entwickeln einen neuen Alarmruf, um vor Drohnen zu warnen. Das
berichten Franziska Wegdell, Kurt Hammerschmidt und Julia Fischer vom
Deutschen Primatenzentrum in Göttingen. Wie das Team in »Nature Ecology & Evolution« schreibt,
konfrontierte es für das Experiment eine Gruppe der Affen im Senegal
mit einer Drohne. Daraufhin nutzten die Affen fürderhin einen bei ihnen
neuen, ganz spezifischen Warnlaut für das technische Gerät; dieser aber
klang ganz ähnlich wie das Signal, mit dem eine verwandte Art vor Adlern
warnt.
Allerdings, so die Gruppe um Wegdell, handelt es sich keineswegs
um einen allgemeinen Warnruf gegen Luftfeinde: Die Tiere nutzten den
Alarm auch, wenn sie bloß eine Aufnahme des Drohnengeräusches hörten.
Aus den Befunden schließt die Gruppe, dass in der Evolution komplexer
Kommunikation das flexible Verstehen eines festen Repertoires von Lauten
wohl vor der Erweiterung der stimmlichen Fähigkeiten kam.
Viele Affenarten haben ein komplexes System von verschiedenen
Alarmrufen mit unterschiedlicher Bedeutung – so reagieren
Grünmeerkatzen auf das Warnsignal für Leoparden anders als auf jenes für
Schlangen. Die Westlichen Grünmeerkatzen nutzen solch ein System,
jedoch mit einer interessanten Lücke: In ihrem Lebensraum gibt es keine
Adler, also nutzen sie diese Alarmrufe nicht. Wegdell, Hammerschmidt und
Fischer untersuchten an dieser Besonderheit, ob und wie die Tiere die
Lücke bei Bedarf schließen.
Bei dem Experiment ließen die Fachleute eine
Drohne über eine Gruppe der Affen hinwegfliegen und scheuchten die
Tiere dadurch auf. Anschließend stellten sie fest, dass die Affen sich
das Geräusch der Drohne gemerkt hatten und suchend in die Luft schauten,
wenn die Arbeitsgruppe ihnen eine Aufnahme des Geräusches vorspielten.
Außerdem stießen die Grünmeerkatzen spezielle Warnrufe aus, die man von
ihnen bis dahin nicht gehört hatte – von einer verwandten Art aber sehr
wohl. Die Südlichen Grünmeer- katzen (Chlorocebus pygerythrus),
die an der Ostküste Afrikas zwischen Äthiopien und Südafrika ver- breitet
sind, warnen mit einem sehr ähnlichen Ruf vor Adlern.
Das zeige, so das
Team, dass die Rufe auch über Artgrenzen hinweg
samt ihrer grundlegenden Bedeutung fest angelegt sind – und dass die
Affen ihre »Sprache« nicht hören müssten, um sie zu lernen.
Nota. - Der Schluss ist ein Beispiel für die ärgerliche Neigung so vieler Forscher zur Hype. Das Experiment zeigt vorerst nur, dass Westliche und Südliche Grünmeerkatzen spontan dieselben Lautäußerungen entwik- klen konnten, aber für verschiedene Anlässe. Ihre Namen lassen mich eine Verwandtschaft zwischen ihnen vermuten. Nahe läge die Annahme, dass sie in einer gemeinsamen Vorgeschichte ein Lautrepertoire entwik- kelt hätten, von dem einiges außer Gebrauch geraten ist, aber bei Bedarf aktiviert werden kann.
Das wäre interessant, aber so fetzig wie die Mutmaßung, dass "die Affen" von Natur aus eine ganze vir- tuelle Sprache auf der Platte hätten, wär's natürlich nicht.
JE
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