Abel-Preis für Erforschung des Chaos
Hohe Auszeichnung für die Untersuchung dynamischer Systeme
von George Szpiro ⋅ Die norwegische Akademie für Wissenschaften hat den diesjährigen Abel-Preis, die höchste Auszeichnung, die Mathematiker für ihr Lebenswerk erhalten können, an den Russen Yakov G. Sinai vergeben, der sowohl an der Princeton University in New Jersey als auch an der Russischen Akademie der Wissenschaften lehrt. In der Laudatio werden Sinais «grundlegende Beiträge zu dynamischen Systemen, zur Ergodentheorie und zur mathematischen Physik» gewürdigt. Die Preissumme beträgt eine Million Dollar.
Der 78-jährige Sinai, Sohn zweier Mikrobiologen und Enkel des Mathematikers Benjamin Kagan, beendigte seine Studien 1963 an der so genannten «MechMath», der Abteilung für Mechanik und Mathematik an der Lomonossow-Universität, der staatlichen Universität in Moskau, an die er sich trotz der notorisch anti-semitischen Aufnahmepraxis einschreiben durfte. Sein Doktorvater war Andrei Kolmogorov, der Begründer der modernen Wahrscheinlichkeitstheorie. Sinai veröffentlichte über 250 wissenschaftliche Arbeiten sowie mehrere Bücher und betreute in seiner Karriere über fünfzig Doktoranden. Er gilt heute sowohl im Bereich der Mathematik als auch der Physik als einer der einflussreichsten Wissenschafter der Welt, und er hat zudem Brücken zwischen den beiden Disziplinen geschlagen.
Dynamische Systeme beschreiben mittels sogenannter Differenzialgleichungen, wie sich Körper, zum Beispiel Planeten oder Uhrpendel, im Raum bewegen, oder wie sich aus einer grossen Zahl von Partikeln bestehende Systeme entwickeln – zum Beispiel Moleküle, Viren, Bevölkerungen. Oft sind solche Systeme aber nicht deterministisch, und die Evolution vieler Naturereignisse, zum Beispiel von Epidemien oder Wetterphänomenen, kann nicht exakt, sondern bloss mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden. Was im Volksmund oft als «chaotisch» bezeichnet wird, ist aber mathematisch präzis definiert.
Eine von Sinais herausragenden Leistungen war es, die Zusammenhänge zwischen Ordnung und Chaos aufzuzeigen und zu analysieren. Ein anderes Forschungsresultat, das aus der Telekommunikation stammt, war Sinais Entwicklung eines Maßes für «Entropie», das besagt, wie stark Signale komprimiert werden können.
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