Dienstag, 4. März 2014

Erst denken, dann reden.

Dieter Schütz  / pixelio.de
aus scinexx

Erst denken, dann reden?
Warum unser Gehirn manchmal mit der Sprechplanung nicht hinterher kommt

Wenn wir sprechen, bevor wir zu Ende gedacht haben, kann das zu peinlichen Versprechern führen. Aber warum? Ein Grund dafür: Unser Gehirn hat den Satz nicht schon ausformuliert, wenn wir loslegen. Stattdessen findet die Sprechplanung größtenteils erst während des Sprechens statt, wie Forscher aus Nijmegen festgestellt haben. Und je komplexer der Inhalt, desto weiter hängt die Planung hinterher.

"Erst denken, dann reden!" Diesen wohlgemeinten Rat hören wir meist, wenn schon in ein Fettnäpfchen getreten sind oder ein sorgfältig gehütetes Geheimnis ausgeplaudert haben. Dabei ist das nicht verwunderlich: Schon seit längerem ist bekannt, dass sich Sprecher nur selten vorab genau überlegen, was sie sagen wollen. Stattdessen planen sie meistens nur den Anfang einer Äußerung, beginnen zu reden und planen weiter, während sie den Satzanfang aussprechen.


Dies funktioniert, weil die Auswahl der richtigen Wörter und ihre Anordnung im Satz schneller abläuft als die Aussprache selbst. So braucht man zum Beispiel mindestens 1,5 Sekunden, um die Worte „Das kleine Mädchen ...“ auszusprechen. Das gibt einem genügend Zeit, den nächsten Teil des Satzes, etwa „... schiebt den Jungen“, zu planen. Wenn die Planungszeit während der Aussprache eines Satzteils einmal nicht ausreicht, machen wir eine kurze Pause im Satz oder sagen vielleicht „äh“, um Zeit zu gewinnen.

Akteur oder gesamte Szene?

Wie das Sprechplanen aber genau abläuft ist noch unklar – und auch, warum es manchmal nicht klappt und wir peinliche Versprecher produzieren, wie etwa zu sagen: „Ich freue mich so, dass Ihr gegangen seid!“ statt „gekommen seid“. Dazu gibt es mehrere Hypothesen: Entweder wir legen nur ein sehr grobes Konzept fest und planen vielleicht das erste Wort. Wollen wir beispielsweise ein Bild beschreiben, indem ein Mädchen einen Jungen auf einem Schlitten anschiebt, dann beachten wir erst nur das Mädchen als die Handelnde, der Rest kommt später.

Eine andere Möglichkeit: Wir erfassen die komplette Szene mit ihren Handlungszusammenhängen und haben damit das Muster des Geschehens schon grob im Kopf. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass Sprechende weder die eine noch die andere Strategie konsistent anwenden, sondern dass ihre Sprechplanung von der Schwierigkeit der Aufgabe abhängt. Antje Meyer vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen und ihre Kollegen haben in einem Experiment untersucht, welche dieser Hypothesen zutrifft.

Wird es komplexer, hinkt das Gehirn hinterher

Im Experiment sollten die Probanden Szenen beschreiben, die sie an einem Monitor sahen. "Wir nehmen die Äußerungen auf und bestimmen, wann die Probanden anfangen zu sprechen und wann sie jedes weitere Wort aussprechen", erklärt Meyer. Während des Experiments tragen die Probanden eine Augenbewegungskamera, mit der auf genau bestimmt werden kann, wann und wie lange sie den Handelnden und den passiven Partner auf dem Bild ansehen. Aus diesen Daten können die Forscher ableiten, welche Strategie die Studienteilnehmer bei ihrer Sprechplanung nutzen.

Das Ergebnis: Waren die dargestellten Szenen einfach, kam die zweite Strategie zum Zuge: Die Probanden verschafften sich erst einen Überblick und legten dann los. Wenn die Handlung dagegen schwerer zu beschreiben war, beschränkten sich die Probanden auf den Handelnden und begannen direkt zu sprechen. Die Phase des allgemeinen Überblicks entfiel – weil dieser bei komplexeren Zusammenhängen nicht auf einmal zu erfassen ist. Deshalb erfassen wir den Rest später, während wir schon sprechen.

"Das zeigt, dass wir nicht starr eine Planungsstrategie verwenden, sondern – abhängig von der Situation – unterschiedlich planen", sagt Meyer. Wir planen unsere Äußerungen demnach unbewusst auf verschiedene Weise und denken dabei unterschiedlich weit voraus. Das hilft uns, uns schnell und angemessen auszudrücken – kann aber auch Fehler produzieren, wenn die Planung nicht hinterherkommt.

(Max-Planck-Gesellschaft, 25.02.2014 - NPO/MVI)

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