Raben durchschauen Raben-Beziehungen
Wiener Wissenschafter sprechen von geistigen Repräsentationen, wie man sie höchstens Menschenaffen zugetraut hätte
Wien - Kolkraben wissen nicht nur über die Beziehungen der verschiedenen Mitglieder ihrer eigenen Gruppe zueinander bescheid, sie kennen offenbar auch die Hierarchien in Nachbar-Gruppen, zu denen sie nachweislich lediglich Sicht- und Hörkontakt hatten. Darüber berichten Wiener Forscher in der Fachzeitschrift "Nature Communications". Bisher wurde diese Fähigkeit nur bei Menschenaffen angenommen.
Das Experiment ...
Kolkraben leben in unterschiedlichen sozialen Beziehungen: Neben Paarbildung und vewandtschaftlichen Beziehungen gibt es auch Freundschaftsbande sowie strikte Dominanzhierarchien. Um herauszufinden, ob die Tiere verstehen, wie die Beziehungen von Mitgliedern von Gruppen, denen sie selbst nicht angehören, gestaltet sind, spielten Wissenschafter vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien den Vögeln Tonaufnahmen anderer Raben vor.
Darauf waren Tiere zu hören, die in der Forschungsstation Haidlhof bei Bad Vöslau bereits über ein Jahr hinweg im jeweils angrenzenden Gehege in Hör- und Sichtweite untergebracht waren. Die Kognitionsbiologen um Jorg Massen und Thomas Bugnyar ließen die Vögel einerseits Aufnahmen anhören, in denen zwei ihrer Nachbarn entweder so miteinander interagieren, wie es aufgrund der Rangordnung in ihrer Gruppe zu erwarten wäre. Andererseits lauschten die Raben auch Unterhaltungen, in denen die hierarchischen Verhältnisse umgedreht waren, indem ein niederrangigeres plötzlich ein höherrangiges Tier dominierte.
... und seine Ergebnisse
Es zeigte sich, dass die Raben auf eine solche Rollenumkehrung mit verstärktem Erkundungs- und Stressverhalten reagierten. Die überraschten Tiere drehten ihre Köpfe öfters, schüttelten sich häufiger, was darauf schließen lasse, dass ihre Erwartung an die Dominanzverhältnisse erschüttert wurden, berichten die Forscher. Daraus folgern sie, dass Raben auf die Beziehungsstrukturen von Artgenossen rein auf der Basis von Beobachtungen schließen können.
Es handle sich hier um den ersten experimentellen Nachweis von tatsächlichen geistigen Repräsentationen von Beziehungen bei Tieren, erklärte Massen. Darunter versteht man, dass die Raben sich selbst und ihre eigenen Erfahrungen nicht als Referenz heranziehen können. Das Wissen über die Hierarchien unter ihren Nachbarn konnten sie nämlich nicht aus einer egozentrischen Perspektive heraus in jeder Situation neu ableiten. "Sie müssen wirklich eine Idee über die andere Gruppe und die Beziehungen in der Gruppe haben", so Massen.
Von Menschenaffen nehme man zwar an, dass sie dazu auch fähig sind, ein direkter experimenteller Nachweis sei allerdings schwierig und wurde auch noch nicht erbracht. "Was wir hier gemacht haben, war wirklich etwas Neues", so der Forscher.
APA/red,
Wien - Kolkraben wissen nicht nur über die Beziehungen der verschiedenen Mitglieder ihrer eigenen Gruppe zueinander bescheid, sie kennen offenbar auch die Hierarchien in Nachbar-Gruppen, zu denen sie nachweislich lediglich Sicht- und Hörkontakt hatten. Darüber berichten Wiener Forscher in der Fachzeitschrift "Nature Communications". Bisher wurde diese Fähigkeit nur bei Menschenaffen angenommen.
Das Experiment ...
Kolkraben leben in unterschiedlichen sozialen Beziehungen: Neben Paarbildung und vewandtschaftlichen Beziehungen gibt es auch Freundschaftsbande sowie strikte Dominanzhierarchien. Um herauszufinden, ob die Tiere verstehen, wie die Beziehungen von Mitgliedern von Gruppen, denen sie selbst nicht angehören, gestaltet sind, spielten Wissenschafter vom Department für Kognitionsbiologie der Universität Wien den Vögeln Tonaufnahmen anderer Raben vor.
Darauf waren Tiere zu hören, die in der Forschungsstation Haidlhof bei Bad Vöslau bereits über ein Jahr hinweg im jeweils angrenzenden Gehege in Hör- und Sichtweite untergebracht waren. Die Kognitionsbiologen um Jorg Massen und Thomas Bugnyar ließen die Vögel einerseits Aufnahmen anhören, in denen zwei ihrer Nachbarn entweder so miteinander interagieren, wie es aufgrund der Rangordnung in ihrer Gruppe zu erwarten wäre. Andererseits lauschten die Raben auch Unterhaltungen, in denen die hierarchischen Verhältnisse umgedreht waren, indem ein niederrangigeres plötzlich ein höherrangiges Tier dominierte.
... und seine Ergebnisse
Es zeigte sich, dass die Raben auf eine solche Rollenumkehrung mit verstärktem Erkundungs- und Stressverhalten reagierten. Die überraschten Tiere drehten ihre Köpfe öfters, schüttelten sich häufiger, was darauf schließen lasse, dass ihre Erwartung an die Dominanzverhältnisse erschüttert wurden, berichten die Forscher. Daraus folgern sie, dass Raben auf die Beziehungsstrukturen von Artgenossen rein auf der Basis von Beobachtungen schließen können.
Es handle sich hier um den ersten experimentellen Nachweis von tatsächlichen geistigen Repräsentationen von Beziehungen bei Tieren, erklärte Massen. Darunter versteht man, dass die Raben sich selbst und ihre eigenen Erfahrungen nicht als Referenz heranziehen können. Das Wissen über die Hierarchien unter ihren Nachbarn konnten sie nämlich nicht aus einer egozentrischen Perspektive heraus in jeder Situation neu ableiten. "Sie müssen wirklich eine Idee über die andere Gruppe und die Beziehungen in der Gruppe haben", so Massen.
Von Menschenaffen nehme man zwar an, dass sie dazu auch fähig sind, ein direkter experimenteller Nachweis sei allerdings schwierig und wurde auch noch nicht erbracht. "Was wir hier gemacht haben, war wirklich etwas Neues", so der Forscher.
APA/red,
aus DiePresse.com, 23.04.2014 | 17:14
Wer sozial lebt, tut gut daran, sich in der eigenen Gruppe auszukennen und vor allem über die aktuellen Machtverhältnisse Bescheid zu wissen, das ist bei Menschen so, das ist bei anderen Primaten so, man kennt es auch bei Hyänen. Und wie ist es bei den Geflügelten, die in sozialen Dingen auch höchst kompetent sind, bei den Rabenvögeln? Von denen weiß man schon, dass sie sich auf der Futtersuche zusammentun, aber dann, wenn einer etwas gefunden hat, die Gefahren des Sozialen mit List abwehren: Hat ein Häher Futter, das er gerade nicht verzehren kann, lagert er es ein, er versteckt es irgendwo.
Aber vorher schaut er sich um, ob ihn ein anderer Häher beobachtet. Bemerkt er einen, versteckt er ganz auffällig etwas ganz anderes, einen Stein etwa, und im nächsten unbeobachteten Moment bringt er seine echte Beute in Sicherheit. Er kann sich also in den anderen hineinversetzen und dessen Züge durchkreuzen. Kann er sich auch so in ihn hineinversetzen, dass er den Rang eines jeden in der Gruppe im Bewusstsein hat? Jorg Massen Kognitionsbiologie Uni Wien) hat es getestet, in Playback-Experimenten, in denen anderen Rabenvögeln – Raben (Corvus corax) – aus versteckten Lautsprechern etwas vorgespielt wurde, die Stimmen von Mitraben.
Ohren lauschen geschlechtsspezifisch
Diese klangen entweder wie gewohnt – das Tier mit dem höheren Rang hatte das Sagen –, oder sie bargen eine verwirrende Überraschung: Das höherrangige Tier war plötzlich in der Rolle des niederrangigen. Die Überraschung kam an, vor allem die weiblichen Raben zeigten sie – sie haben generell einen niederen Rang – gegenüber Mitgliedern der eigenen Gruppe, und je älter sie wurden, desto hellhöriger reagierten sie. Und die Weibchen reagierten vor allem auf andere Weibchen, bei den Männchen war es ähnlich, die reagierten auf Männchen, nur nicht so stark.
Raben haben ihre Mitraben gut im Blick
Die Vögel beobachten den Rang anderer sowohl in der eigenen Gruppe wie auch bei Nachbarn.
Wer sozial lebt, tut gut daran, sich in der eigenen Gruppe auszukennen und vor allem über die aktuellen Machtverhältnisse Bescheid zu wissen, das ist bei Menschen so, das ist bei anderen Primaten so, man kennt es auch bei Hyänen. Und wie ist es bei den Geflügelten, die in sozialen Dingen auch höchst kompetent sind, bei den Rabenvögeln? Von denen weiß man schon, dass sie sich auf der Futtersuche zusammentun, aber dann, wenn einer etwas gefunden hat, die Gefahren des Sozialen mit List abwehren: Hat ein Häher Futter, das er gerade nicht verzehren kann, lagert er es ein, er versteckt es irgendwo.
Aber vorher schaut er sich um, ob ihn ein anderer Häher beobachtet. Bemerkt er einen, versteckt er ganz auffällig etwas ganz anderes, einen Stein etwa, und im nächsten unbeobachteten Moment bringt er seine echte Beute in Sicherheit. Er kann sich also in den anderen hineinversetzen und dessen Züge durchkreuzen. Kann er sich auch so in ihn hineinversetzen, dass er den Rang eines jeden in der Gruppe im Bewusstsein hat? Jorg Massen Kognitionsbiologie Uni Wien) hat es getestet, in Playback-Experimenten, in denen anderen Rabenvögeln – Raben (Corvus corax) – aus versteckten Lautsprechern etwas vorgespielt wurde, die Stimmen von Mitraben.
Ohren lauschen geschlechtsspezifisch
Diese klangen entweder wie gewohnt – das Tier mit dem höheren Rang hatte das Sagen –, oder sie bargen eine verwirrende Überraschung: Das höherrangige Tier war plötzlich in der Rolle des niederrangigen. Die Überraschung kam an, vor allem die weiblichen Raben zeigten sie – sie haben generell einen niederen Rang – gegenüber Mitgliedern der eigenen Gruppe, und je älter sie wurden, desto hellhöriger reagierten sie. Und die Weibchen reagierten vor allem auf andere Weibchen, bei den Männchen war es ähnlich, die reagierten auf Männchen, nur nicht so stark.
Und sie reagierten nicht nur auf die Männchen der eigenen Gruppe, sondern auch auf die im Nachbargehege, mit denen sie überhaupt nichts zu tun hatten – außer dass sie sie beobachten konnten. Das taten sie auch, sie waren über die Rangordnung der anderen bestens informiert Nature Communications, 22. 4.. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Raben geistige Repräsentationen über andere bilden“, schließt Massen. Das ist eine hohe Leistung, sie legt nahe, dass Raben viel Intelligenz für das haben, was sie brauchen, das Soziale. Bei der Selbstbeherrschung hingegen, über die nebenan berichtet wird, schnitten Rabenvögel – in diesem Fall Häher, sie erbringen ihre Leistungen mit einem kleinen Gehirn von 2,85 cm3 – eher mittelmäßig ab. jl
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