Biologie: Groß muss es sein, das Gehirn
In
einem breiten Vergleich von 36 Tierarten zeigt sich, dass Intelligenz
an der absoluten Gehirngröße hängt – und die an einer breiten
Futterpalette.
Alle Tiere wurden mit den gleichen zwei Aufgaben konfrontiert, darin liegt die Eleganz des Ansatzes, sie wird bezahlt mit einer engen Definition von Intelligenz: Selbstbeherrschung. Die braucht es in verschiedensten Lebensformen, in sozialen etwa empfiehlt es sich für subordinate Männchen nicht, sich an Weibchen des Alphamännchens heranzumachen; und ganz generell empfiehlt es sich, auf der Futtersuche nicht unbedacht zuzugreifen, sondern sich zuerst nach Raubtieren umzuschauen. Die gibt es in Labors und Gehegen nicht, dort wurde zum Test der Selbstbeherrschung Futter präsentiert, in zwei Durchgängen. Im ersten wurde es vor den Augen der Tiere in einem von zwei Behältern versteckt, drei Mal im gleichen, dann kam der Test: Wieder kam das Futter in den gleichen Behälter, dann wurde es herausgenommen, und in den anderen gesteckt, auch das vor den Augen der Tiere.
Im zweiten Test war das Futter erst in einem Rohr mit opaker Wand, die Tiere mussten den Weg hinein finden; dann kam es in ein Rohr mit transparenter Wand. Nun brauchten die Tiere Selbstbeherrschung, sie durften nicht einfach zum Futter hinspringen, die Wand war ja noch da; Selbstbeherrschung brauchten sie auch im Test davor, wo sie dem Reflex des gewohnten Wegs nicht nachgeben durften. Alle Tiere machten bereitwillig mit, sie vertraten 36 Arten, von solchen mit kleinen Gehirnen, Zebrafinken (Volumen: 0,44 Kubikzentimeter), über solche mit mittleren, Kapuzineraffen (66,63) oder Wölfe (127,06), bis zu Elefanten (4752,25). Den größten Anteil stellten Primaten (23), dann kamen Vögel (7), Caniden (3), Nager (2) und der Elefant.
Kortikale Reorganisation
Und ob man sie nun alle zusammen betrachtete oder jede Gruppe für sich: Die Selbstbeherrschung hing an der absoluten Größe des Gehirns (Pnas, 21. 4.). Das unterstützt die Hypothese von der kortikalen Reorganisation, die davon ausgeht, dass schiere Quantität in Qualität umschlägt, weil dann mehr Hirnzellen da sind und feiner miteinander kommunizieren können; und es nimmt der Gegen-Hypothese Gewicht, die die relative Gehirngröße für ausschlaggebend hält. Zugleich entscheidet das Experiment zwischen zwei anderen Hypothesen, der von der sozialen Intelligenz, die darauf setzt, dass die Probleme des Soziallebens generell leistungsfähigere Gehirne wachsen lassen, und der „foraging hypothesis“, die die Evolution der Intelligenz von der Nahrung abhängig sieht – breit muss die Palette sein, sodass immer etwas da ist. Letzteres wurde bestätigt, die soziale Intelligenz, die in letzter Zeit stark auf dem Vormarsch ist, fiel durch.
Ist das nun wirklich das letzte Wort? Die Studie hat Grenzen, nur Primaten waren in ausreichender Zahl vertreten, und die größten und leistungsfähigsten Gehirne gab es auch bei ihnen. Größer war nur das der Elefanten, aber die fielen aus, sie sind mit null Punkten in der Wertung. Alle anderen sind drin, ganz oben rangieren mit 97,5 und 97,2 – von hundert möglichen – die Bonobos (Hirnvolumen: 341,29) und die Gorillas (490,41), dicht gefolgt von Orang-Utans und Schimpansen, alle unsere näheren Verwandten, uns selbst (um die 1200 cm3) haben die Forscher leider nicht getestet. Aber bei den übrigen Primaten ist es eindeutig: Größe ist bzw. bringt Qualität. Ist das vielleicht nur bei den Primaten so? „Möglicherweise liegt es nicht an der Größe selbst, sondern an der Zahl der Neuronen“, erwägt MacLean gegenüber der „Presse“: „Primaten haben sehr viele Neuronen im Gehirn, relativ kleine, dicht gepackt. Andere Tiere haben eher große, weniger dicht gepackt. Wir brauchen für den Vergleich der Gehirne von Primaten mit denen anderer Tiere einfach mehr Informationen.“
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