Donnerstag, 25. April 2019

Der Grundgedanke der Relativitätstheorie.

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aus spektrum.de, 25. April 2019

Die Symmetrie der Bewegung 

Von Joachim Schulz

Eigentlich ist die spezielle Relativitätstheorie ziemlich langweilig. Sie ist die konsequente Fortführung eines alten Konzepts: der Relativität der Bewegung. Spannend ist jedoch, was alles aus einer einfachen Annahme folgen kann.

In einem alten Beitrag von 2008, meinem ersten zur Relativitätstheorie, habe ich es schon geschrieben:
Auf diesem Prinzip [dem Relativitätsprinzip von Galileo] aufbauend ist es möglich, die Relativitätstheorie einzuführen, ohne den Boden der klassischen Physik je zu verlassen. Blogartikel Einsteins Blinddarm
Invarianz bei Bewegungswechsel

Die spezielle Relativitätstheorie basiert auf demselben Prinzip, wie die klassische Mechanik: Dem Relativi- tätsprinzip. Dieses Prinzip besagt, dass alle Naturgesetze eine bestimmte Symmetrie aufweisen. Sie ändern sich nicht mit dem Bewegungszustand des Gesamtsystems.* Führen wir ein physikalisches Experiment in einem schnell, aber gleichmäßig bewegten Zugabteil durch, so erhalten wir dasselbe Ergebnis, wie in einem ortsfesten Labor.

Das ist bei weitem nicht selbstverständlich. Es ist eine Eigenschaft des Universums, in dem wir leben. Die Aufgabe der Physik ist es, solche Eigenschaften herauszuarbeiten. Eine zentrale Frage ist, unter welchen Bedingungen die Physik unverändert bleibt und wann nicht.

Solche Unveränderlichkeiten nennen wir in der Physik Symmetrien. Oft sind diese Symmetrien recht ab- strakt und auf dem ersten Blick nicht ersichtlich. Die Symmetrie bezüglich der Bewegung kann zwar expe- rimentell mit einigem Aufwand belegt werden, auf den ersten Blick ist sie aber nicht ersichtlich: Auf der Erde kommen alle Objekte irgendwann zur Ruhe. Bewegungslosigkeit relativ zur Erdoberfläche scheint bevorzugt zu sein.

Nicht zuletzt deshalb hat es bis ins 16. Jahrhundert gedauert, bis dieses Prinzip von Galileo Galilei heraus- gearbeitet wurde. Wir benötigen die mathematische Darstellung physikalischer Vorgänge, um komplexe Symmetrien darstellen zu können.

Was in der Speziellen Relativitätstheorie neu war

Die wesentliche Aussage der Speziellen Relativitätstheorie ist, dass die Naturgesetze bei Geschwindigkeits- änderungen eine etwas andere Symmetrie zeigen, als Galileo sie angenommen hat. Naturgesetze bleiben unverändert, wenn man von einem System in ein dazu gleichmäßig bewegtes übergeht. Aber nur wenn man es richtig macht.

In vielen Diskussionen wird es so dargestellt, als sei in der klassischen Physik nur die Galileo-Transforma- tion, in der Relativitätstheorie nur die Lorentztransformation gültig. Das ist so nicht richtig. Beide Transfor- mationen sind gültige Transformationen von Koordinaten. Solch eine Transformation muss eigentlich nur in beide Richtungen eindeutig sein: Jedem Punkt der alten Koordinaten müssen neue Koordinaten zugeord- net werden und jeder Punkt in neuen Koordinaten muss aus alten hervorgehen. Im Grunde ist das nur eine Umbenennung von Punkten. Dazu kommt, dass neue Koordinaten zu neuen Abstands-Definitionen führen können.

Es kann für die Physik nicht entscheidend sein, wie wir die Koordinaten benennen. Aber wir müssen na- türlich mit den Koordinaten die mathematische Formulierung der Naturgesetze entsprechend mittransfor- mieren. Dabei ergibt sich nun, dass diese bezüglich manchen Tranformationen invariant sind, anderen gegenüber nicht.

Was bleibt? Was ändert sich?

Es ist gut bekannt, dass die Physik nicht unverändert bleibt, wenn wir sie aus einem rotierenden System heraus beschreiben. Es ergeben sich Trägheitskräfte, wie die Centrifugal- und die Coriolis-Kraft.

Gehen wir aber von einem System in ein hierzu geradlinig, gleichmäßig bewegtes über, so bleiben die Naturgesetze gleich, wenn wir es richtig machen. Fast gleich bleiben sie, wenn wir Abstands- und Zeit- maßstab unverändert lassen und die Relativgeschwindigkeit zwischen den Bezugssystemen deutlich kleiner als Lichtgeschwindigkeit ist. Das ist die alte Galilei-Transformation.

Bei hohen Geschwindigkeiten muss die Galilei-Transformation zwangsläufig zu anderen Naturgesetzen führen, denn die Lichtausbreitung im Vakuum ist in dem Zielsystem nicht mehr unabhängig von der Rich- tung. Das Vakuum hat aber, nach allem was wir wissen, keine Vorzugsrichtungen. Wenn es also eine Geschwindigkeits-Transformation gibt, die alle Naturgesetze unverändert lässt, ist das nicht die Galilei-Transformation.

Wir müssen dazu die Lorentz-Transformation benutzen. Die Lorentz-Transformation unterscheidet sich von der Galilei-Transformation dadurch, dass sie die Zeitachse und die Ortsachse, auf der die Bewegung statt- findet, dehnt und zugleich die Definition von Gleichzeitigkeit ändert. Wenn wir solch eine Koordinaten- transformation durchführen, bleiben alle Naturgesetze gleich. Jedenfalls im Rahmen heutiger Messgenauig- keit.

Ich werde manchmal gefragt, warum es so wenige Versuche gibt, die klassischen Experimente zu Längen- kontraktion und Zeitdilatation mit besserer Genauigkeit zu wiederholen. Der Grund ist einfach: Die Physik interessiert sich für viel grundlegendere Fragen: Wie weit geht eigentlich die hier geschilderte Symmetrie. Wenn Sie an neue Experimente interessiert sind, suchen Sie mal nach test of lorentz invariance.

Anmerkung:
*) Unter einem System verstehe ich hier ausnahmsweise mal kein Koordinatensystem, sondern ein System miteinander wechselwirkender Objekte.


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