Samstag, 23. Februar 2019

Wie die Elemente zur Welt gekommen sind.

Der planetarische Nebel M 57 ist mit chemischen Elementen angereichert, die einst in einem Stern durch kernphysikalische Prozesse entstanden sind. Gegen Ende seines Lebens blähte sich der Stern zu einem Roten Riesen auf und stiess seine äussere Hülle ab. Zurück blieb ein Weisser Zwerg im Zentrum des Nebels. Ähnlich wird auch die Sonne enden.
aus nzz.ch, 22.2.2019, 

Wie die chemischen Elemente auf die Welt kamen
Die chemische Vielfalt, der wir unsere Existenz verdanken, ist keine Selbstverständlichkeit. Ohne die Vorarbeit diverser Sterngenerationen wäre unser Universum eine ziemlich trostlose Angelegenheit.

von Christian Speicher

Für den Chemiker ist das Periodensystem auch nach 150 Jahren noch ein wichtiger Leitfaden. Es zeigt ihm auf einen Blick, welche chemischen Elemente ähnliche Eigenschaften haben und welche sich am besten miteinander kombinieren lassen. Die spannende Frage, woher die chemischen Elemente kommen, beant- wortet das Periodensystem aber nicht. Würde man die 118 Elemente nicht nach ihren chemischen Eigen- schaften sortieren, sondern nach ihrer Herkunft, so ergäbe sich ein ganz anderes Ordnungsschema. Genauso wenig kann das Periodensystem erklären, warum Elemente wie Sauerstoff, Silizium und Eisen häufig auf der Erde vorkommen, Gold, Platin und andere Edelmetalle hingegen äusserst selten sind. Um das zu ver- stehen, muss man weit ausholen und bis zu den Anfängen unseres Universums zurückgehen. 

Alles begann mit Wasserstoff 

Die Entstehung der chemischen Elemente beginnt mit der Synthese der ersten Atomkerne. Man bezeichnet diesen Prozess auch als Nukleosynthese. Diese setzte bereits wenige Augenblicke nach dem Urknall ein. Nach einer Hundertstelsekunde hatte sich das Universum so weit abgekühlt, dass aus der heissen Ursuppe Protonen und Neutronen (die Bausteine der Atomkerne) auskondensieren konnten. In der Folge verbanden sich die Neutronen und ein Teil der Protonen zu Helium- und sehr wenigen Lithiumatomkernen. Doch nach drei Minuten war Schluss. Die abnehmende Teilchendichte und die sinkende Temperatur im expandieren- den Universum verhinderten, dass durch Kernfusion schwerere Atomkerne entstehen konnten.

Wäre es dabei geblieben, wäre das Universum heute eine ziemlich eintönige Angelegenheit. Es bestünde vorwiegend aus Wasserstoff und Helium sowie Spuren von Lithium. Ein Planet wie die Erde hätte unter solchen Umständen nicht entstehen können – geschweige denn Leben. Doch mit der Geburt der ersten Sterne blühte das Universum auf.

Die ersten Sterne entstanden vermutlich 200 Millionen Jahre nach dem Urknall, als sich Wolken aus Wasserstoff und Helium unter dem Einfluss der Gravitationskraft zusammenballten. Vermutlich waren die Sterne der ersten Generation sehr massereich. In ihrem Inneren wurde die Materie so stark komprimiert und erhitzt, dass Wasserstoff- und Heliumatomkerne zu schwereren Atomkernen verschmelzen konnten. Als die Sterne am Ende ihres kurzen Lebens durch eine Supernovaexplosion in Stücke gerissen wurden, reicherte sich das bis dahin nur aus Wasserstoff und Helium bestehende Medium zwischen den Sternen mit relativ leichten Elementen wie Sauerstoff und Kohlenstoff und auch schon mit einigen schwereren Elementen an. Der erste Schritt zur chemischen Vielfalt war getan.

Cassiopeia A ist der Überrest eines massereichen Sterns, der vor 300 Jahren als Supernova explodierte. Dabei wurden auch jene Elemente ins All geschleudert, die der Stern zuvor erbrütet hatte
Die neu geschaffenen Elemente fanden Eingang in die Sterne der nächsten Generation, in denen dann durch Kernfusion weitere Elemente erbrütet wurden. Diese gelangten entweder durch eine Supernovaexplosion oder – bei masseärmeren Sternen – durch Sternwinde in den interstellaren Raum, und der nächste Sternzyklus begann. So wurde das Universum nach und nach mit immer mehr chemischen Elementen angereichert.

Auch das kann allerdings noch nicht die ganze Geschichte gewesen sein. Sonst gäbe es heute im Universum keine schwereren Elemente als Nickel und Eisen. Von allen Atomkernen haben Nickel und Eisen nämlich die grösste Bindungsenergie. Aus energetischen Gründen ist es deshalb unmöglich, durch Kernfusion noch schwerere Atomkerne in Sternen zu erbrüten. 

Die Leiter zu schweren Elementen 

Doch die Kernphysik kennt noch weitere Möglichkeiten der Nukleosynthese. In Sternen, die ihren Wasserstoffvorrat verbraucht und sich zu einem roten Riesen aufgebläht haben, können Atomkerne einzelne Neutronen einfangen, die bei vorherigen Kernreaktionen freigesetzt wurden. In der Regel werden die Atomkerne dadurch instabil. Das eingefangene Neutron wandelt sich durch einen Betazerfall in ein Proton um, wodurch sich die Ordnungszahl des Atomkerns um 1 erhöht. Auf diese Weise kann man sich Sprosse für Sprosse zu schwereren Elementen emporhangeln. Etwa die Hälfte aller Elemente jenseits des Eisens (bis Blei und Wismut) gehen auf das Konto dieses sogenannten s-Prozesses (s steht für slow). Dieser findet hauptsächlich in massearmen Sternen statt.

Um Edelmetalle wie Silber und Gold sowie Uran oder Plutonium zu synthetisieren, müssen sich Atomkerne jedoch sehr schnell sehr viele Neutronen einverleiben, bevor sie zerfallen. Dieser r-Prozess (r steht für rapid) erfordert viel höhere Neutronendichten, als man sie in roten Riesen vorfindet. Auch heute ist noch nicht restlos geklärt, wo dieser eher seltene Prozess stattfindet.

Wenn zwei Neutronensterne miteinander verschmelzen, werden durch den sogenannten r-Prozess radioaktive Atomkerne erzeugt, die anschliessend zerfallen und zu einem Helligkeitsausbruch führen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Kilonova.
Friedrich-Karl Thielemann von der Universität Basel tippt aufgrund von eigenen Computersimulationen auf verschmelzende Neutronensterne. Bestätigt sieht er sich durch eine Beobachtung, die vor knapp zwei Jahren für Furore sorgte. Damals hatten Astronomen gleichzeitig die Gravitationswellen und die elektromagnetische Strahlung von zwei verschmelzenden Neutronensternen aufgefangen. Die Auswertung der Daten zeige, dass bei diesem Ereignis mehr als 50 Erdmassen Gold entstanden sein könnten, so Thielemann. Nicht ausschliessen möchte er, dass der r-Prozess auch noch in anderen astrophysikalischen Objekten abläuft. 

Ungerechte Verteilung 

Als sich vor 4,5 Milliarden Jahren aus einer interstellaren Gaswolke unser Sonnensystem zusammenballte, war die gesamte Palette der chemischen Elemente bereits vorhanden. Auch ihr Mengenverhältnis war durch die kernphysikalischen Prozesse vorgegeben. Allerdings wurden die Elemente nicht «gerecht» auf die Sonne und die Planeten verteilt. So haben die Gasplaneten sehr viel Wasserstoff und Helium abbekommen. Auf der Erde sind diese flüchtigen Elemente hingegen unterrepräsentiert. Dafür dominieren hier Elemente wie Sauerstoff und Silizium, die auf anderen Planeten rar sind.

Auch mit Gold und anderen Edelmetallen ist die Erdkruste nicht gesegnet. Hingegen weiss man von einigen Asteroiden, dass sie reich an Edelmetallen und Metallen der Seltenen Erden sind. Der Grund dafür sei, dass die schweren Metalle aus der heissen Schmelze in den Erdkern abgesunken seien, bevor sich die Erdkruste gebildet habe, erklärt die Geochemikerin Maria Schönbächler von der ETH Zürich. Mehr als 99 Prozent des ursprünglich vorhandenen Goldes befänden sich heute im Erdkern. In kleineren und weniger heissen Protoplaneten habe diese Trennung von Metallen und Gestein hingegen nicht stattgefunden.

Bricht ein solcher Kleinplanet nach einer Kollision auseinander, bleiben metallreiche Asteroiden zurück. In ihnen kann die Konzentration von Edelmetallen so hoch sein, dass sogar ein Abbau in Erwägung gezogen wird. Den wenigsten Schatzjägern dürfte bewusst sein, welche Vorgeschichte diese Edelmetalle haben.

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