aus scinexx
Gehirn verarbeitet Scheinbewegungen bestimmter Illusionen verzögert
Wahrnehmung auf Irrwegen: Warum sieht unser Gehirn mitunter
Bewegungen, wo keine sind? Offenbar ist ein neuronaler
Verzögerungseffekt verantwortlich dafür, wie Forscher nun am Beispiel
der sogenannten Pinna-Brelstaff-Illusion herausgefunden haben. Demnach
benötigen bestimmte Neuronen im visuellen Cortex für die Verarbeitung
von Scheinbewegungen länger als für reale. Dies führt dazu, dass die
Bewegung zunächst nicht als Illusion enttarnt werden kann.
Unsere visuelle Wahrnehmung
täuscht uns immer wieder Tatsachen vor, die nicht der Realität
entsprechen. Dies lässt sich anhand von optischen Illusionen
eindrücklich demonstrieren. Schauen wir uns zum Beispiel das oben
gezeigte statische Bild an: Fixieren wir den Punkt in der Mitte und
bewegen unseren Kopf langsam auf das Bild zu, scheinen die Kreise
plötzlich zu rotieren. Doch welche neuronalen Prozesse liegen diesem als
Pinna-Brelstaff-Illusion bekannten Täuschungsphänomen zugrunde?
Um dies herauszufinden, hat ein Forscherteam um Junxiang Luo von der
Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai nun Versuche mit
Makaken durchgeführt. Denn die Affen verfügen über ein ähnliches
visuelles Verarbeitungssystem wie wir. Für ihre Studie trainierten die
Wissenschaftler die Tiere zunächst darauf, ein Zeichen zu geben, wenn
sie Rotationen in sich tatsächlich bewegenden Bildern wahrnahmen.
Anschließend konfrontierten sie sie mit der Pinna-Brelstaff-Illusion –
und auch hier sahen die Affen offenbar Rotationsbewegungen.
Dieselben neuronalen Muster
Damit war klar: Auch bei Makaken funktioniert diese optische
Täuschung. Was aber passiert dabei in ihrem Gehirn? Dies konnten die
Forscher im Detail beobachten, weil sie den Affen Elektroden implantiert
hatten. Es zeigte sich: Genau jene Neuronen im visuellen Cortex, die
reale Fließbewegungen wie Rotationen repräsentieren, feuern auch bei der
Bewegungsillusion. Das heißt: Die Illusion wird im Gehirn zunächst wie
eine echte Bewegung dargestellt.
Schuld daran ist ein Verzögerungseffekt, wie Luos Team herausfand.
Bewegen wir unseren Kopf auf das Bild zu oder weg von ihm, nimmt unsere
Retina lokale Bewegungsreize wahr. Diese Informationen werden von
bestimmten Neuronen isoliert verarbeitet und an einen anderen
Hirnbereich weitergeleitet. Die Neuronen im Empfänger-Areal müssen erst
die einzelnen Bewegungssignale kombinieren, um schließlich das große
Ganze zu erkennen – zum Beispiel, dass sich das Bild selbst nicht
bewegt.
Verzögerte Verarbeitung
Dafür benötigen die Neuronen bei Scheinbewegungen jedoch deutlich
mehr Zeit als normalerweise – die Verarbeitung der Reize dauert in
diesem Fall rund 15 Millisekunden länger. Genau diese Verzögerung könnte
den Forschern zufolge dazu führen, dass das Gehirn die scheinbare
Bewegung des Bildes als reale Tatsache wahrnimmt und sie nicht als
Illusion enttarnt.
Warum es zu dieser Verzögerung kommt, ist zwar noch unklar. Mit der
Entschlüsselung dieses Effekts liefert Luos Team jedoch ein neues
Puzzleteil, um das Rätsel um unsere visuelle Wahrnehmung – und ihre
Schwächen – zu lösen. „Die Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Realität
zu erforschen, hilft uns, das visuelle Gehirn besser zu verstehen“,
schließen die Forscher. (Journal of Neuroscience, 2019; doi: 10.1523/JNEUROSCI.2112-18.2019)
Quelle: Society for Neuroscience
JE
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