Munch
aus derStandard.at, 7. Dezember 2018
Wo die Angst im Kopf
sitzt
Forscher identifizierten einen neuronalen Kreislauf im Gehirn, der eine
wichtige Rolle bei Angstzuständen spielt
Wien/Erlangen – Angststörungen können mit einer Reihe von Psychopharmaka
behandelt werden, darunter auch Benzodiazepine (BZDs), die seit etwa 50
Jahren im Einsatz sind. Ihre Wirkungsweise auf molekularer und
zellulärer Ebene ist gut erforscht. Allerdings wissen Ärzte und
Neurowissenschafter noch wenig über die Wechselwirkungen zwischen den
neuronalen Schaltkreisen, durch die Benzodiazepine ihre angstlösen- de
Wirkung entfalten.
Ein Forscherteam um Wulf Haubensak vom Wiener Forschungsinstitut für
Molekulare Pathologie (IMP) und der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg (FAU) fand nun heraus, dass BZD die Weiter- leitung
aversiver Signale durch die Amygdala, dem Mandelkern, stören. Zusätzlich
konnten sie die die betroffenen Schaltkreise im Gehirn identifizieren.
Demnach sind mehrere neuronale Schaltkreise beteiligt, die das Gefühl
der Angst verursachen. "Angst entsteht aus dem Zusammenspiel mehrerer
Kreisläufe im Gehirn. In diesem Netzwerk haben wir einen entscheidenden
biomedizinischen ‚Hot-Spot‘ identifiziert, welcher der angstlösenden
Therapie zugrunde liegt ", sagt Haubensak.
Hot-Spot im Gehirn entdeckt
"Diesem Hotspot auf die Spur zu kommen, war nur möglich, indem
Erkenntnisse über die Verbindungen von Neuronen im Gehirn, dem
Konnektom, mit genetischen Techniken kombiniert wurden, die die
funkti- onale Visualisierung und Manipulation bestimmter
Neuronenpopulationen im Tiermodell ermöglichen", ergänzt der Experte.
Die Wissenschaftler verglichen ihre an Mäusen gewonnenen Erkenntnisse
mit funktionellen menschlichen Gehirnscans und fanden Hinweise darauf,
dass die gleichen Mechanismen auch beim Menschen wirksam sind. Dies
öffnet neue Perspektiven für die Entwicklung von Medikamenten. "Da wir
nun die exakten Netzwerke von Neuronen kennen, die den angstlösenden
Effekt von BZD vermitteln, können wir jetzt versuchen, sie gezielt zu
erreichen. Dies könnte die Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung
von Angstzuständen ermöglichen, ohne die Nebenwirkungen, die bei
derzeitigen Anxiolytika üblich sind", hofft Johannes Griessner,
Erstautor der Studie. (red,)
Originalstudie:
Central amygdala circuit dynamics underlying the benzodiazepine anxiolytic effect
Nota. - Sie "sitzt" überhaupt nicht so, als gäbe es da eine Nische, in der sie lauert, um bei gegebener Gelegenheit herauszuspringen. Sondern Angst entsteht jedesmal durch das Ineinandergreifen mehrer Schaltkreise. Es handelt sich im Gehirn niemals um lineare Kausalketten, sondern um systemische Vorgänge. Das wusste man schon generell. Für die Angst weiß man es nun im Detail.
JE
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