aus scinexx
Weißbüscheläffchen erkennen strukturelle Abhängigkeiten in Melodien
Haben Affen einen Sinn für Musik?
Erbe unserer Vorfahren: Schon die gemeinsamen Vorfahren von
Mensch und Affe könnten einen Sinn für Musik besessen haben. Denn
Experimente mit Weißbüscheläffchen zeigen, dass diese strukturelle
Abhängigkeiten in Melodien erkennen. Fehlen Töne in einer Melodie,
stutzen sie ähnlich wie wir Menschen auch. Bemerkenswert ist diese Fähigkeit
auch deshalb, weil sie für die Entwicklung der menschlichen Sprache eine
wichtige Rolle spielte.
Die Musik ist tief in unserer Natur verankert: Schon Ungeborene im Mutterleib reagieren auf Melodien und auch unsere Vorfahren nutzten offenbar schon Musik bei Ritualen und Festen, wie steinzeitliche Musikinstrumente
belegen. Doch wann begannen unsere Ahnen ein Verständnis für Musik zu
entwickeln oder sogar zu singen? Erbten sie diese Fähig- keiten womöglich
schon von ihren äffischen Vorfahren? Immerhin erzeugen alle Affenarten
eine Vielzahl an Lauten, doch wie musikalisch die Tiere sind, ist bisher
umstritten.
Tonfolgen mit innerer Logik
Auf die musikalische Probe gestellt haben Forscher um Stephan Reber
von der Universität Wien nun Weißbüscheläffchen – eine Neuweltaffen-Art,
die sich vor über 30 Millionen Jahren von den Altweltaffen und Menschen
abgespalten hat. Die Forscher wollten herausfinden, ob diese Affen eine
Sensibilität für strukturelle Abhängigkeiten besitzen. Sie ist
beispielsweise nötig, um zu erkennen, dass eine Melodie aus aufeinander
abgestimmten Tönen besteht – und gilt daher als Vorstufe des
Musikverständnisses.
In ihrem Experiment spielten die Wissenschaftler den Äffchen
Sequenzen aus Pieptönen vor, die mit einem tiefen Ton begannen und
endeten. Dazwischen fand sich eine variable Anzahl von hohen Tönen. Die
tiefen Töne bildeten damit den strukturellen Rahmen dieser einfachen
„Melodie“. Nachdem die Weißbüscheläff- chen hunderte dieser Sequenzen
gehört hatten, wurden zwei neuartige Playbacks vorgespielt: Sequenzen
mit dem gleichen Aufbau wie zuvor und Sequenzen bei denen der erste oder
der letzte tiefe Ton fehlte.
Blicke als Zeichen des Erkennens
Würden die Affen bemerken, dass bei diesen beschnittenen Melodien
etwas nicht stimmte? Wäre das das Fall, spräche dies dafür, dass auch
diese Neuweltaffen schon ein rudimentäres Verständnis für musikalische
Regeln besitzen. Um das herauszufinden, zeichneten die Forscher auf, wie
oft und lange die Äffchen beim Abspielen der Tonfolgen zum Lautsprecher
schauten.
Das Ergebnis: Die Äffchen unterschieden tatsächlich zwischen den
Playbacks. Sie drehten sich häufiger zum Lautsprecher um, wenn sie
vollständige Sequenzen und damit intakte melodische Abhängigkeiten
hörten. „Eine solche Präferenz für vertraute Sequenzen wird häufig in
Studien an Kleinkindern beobachtet“, erklärt Rebers Kollegin Vedrana
Šlipogor.
Nach Ansicht der Forscher deutet diese Reaktion der Affen darauf hin,
dass auch sie schon eine Sensibilität für strukturelle Abhängigkeiten
besitzen. Dieser wichtige Aspekt von Musik und Sprache könnte demnach
schon im gemeinsamen Vorfahren von Alt- und Neuweltaffen und damit auch
von Affe und Mensch existiert haben. (Evolution and Human Behavior,
2018; doi: 10.1016/j.evolhumbehav.2018.11.006)
Quelle: Universität Wien
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