Sonntag, 21. September 2014

Wissenschaft ist auch dann öffentliches Wissen, wenn es keiner braucht.

aus Süddeutsche.de

Ig-Nobelpreise für skurrile Forschung
Warum ist Jesus auf dem Toastbrot?
Hunde pinkeln Richtung Nordpol, Psychopathen bleiben gern lange wach und auf Toastbroten sind Gesichter versteckt: An der US-Universität Harvard sind die Anti-Nobelpreise verliehen worden. Das ist durchaus eine ernste Sache.
 
Von Christoph Behrens

Menschen, die Jesus auf Toastbroten sehen, können aufatmen. Denn nach Ansicht von Neuroforschern ist das völlig normal. Das Gehirn sei so verkabelt, dass es stets nach bekannten Mustern sucht, schrieb ein Team um Kang Lee von der Universität Toronto kürzlich im Journal Cortex. Als sie Versuchspersonen vorgaukelten, auf einem diffusen Bild seien Gesichter oder Zahlen versteckt, entstand im Gehirn der Probanden häufig genau dieser Eindruck. 

Die Arbeit hat den kanadischen und chinesischen Wissenschaftlern nun den "Ig-Nobelpreis für unwahrscheinliche Forschung" eingebracht. In einer schrillen Gala an der US-Universität Harvard zeichnete die Organisation "Improbable Research" mit diesem Anti-Nobelpreis zehn Forschungsarbeiten aus, die "erst zum Lachen und dann zum Denken anregen".

Dazu zählte für die Jury auch ein Experiment deutscher und tschechischer Forscher. Schon allein für ihren Fleiß hätten die Biologen um Vlastimil Hart von der Tschechischen Agraruniversität Prag, ČZU, einen Preis verdient, denn sie begleiteten 70 Hunde insgesamt 1893 mal beim Stuhlgang und 5582 mal beim Urinieren. Die sorgfältigen Messungen erlaubten am Ende nur einen Schluss: Wenn Hunde ihr Geschäft verrichten, orientieren sie sich dabei am Erdmagnetfeld. Die Tiere pinkeln also mit hoher Wahrscheinlichkeit in Richtung des Nord- oder Südpols. Warum das so ist, wissen die Biologen nicht, doch der erstmalige Nachweis eines Magnetsinnes bei Hunden könne gravierende Folgen haben: Das Phänomen "zwingt Biologen und Ärzte dazu, die Auswirkungen magnetischer Stürme auf Organismen neu zu hinterfragen", erklärt Harts Team im Fachmagazin Frontiers in Zoology.

Wissenschaftler, die sich als Eisbären verkleiden

Mit Schmerzempfindungen beschäftigte sich Marina de Tommaso von der italienischen Aldo-Mori-Universität Bari. Die Neurologin beschoss die Hände ihrer Probanden mit einem Laserstrahl, als diese entweder ein schönes oder ein hässliches Gemälde betrachteten. Ergebnis: Die als ästhetisch empfundenen Werke milderten den Schmerz des Laserstrahls deutlich, schlechte Kunst ließ die Versuchspersonen dagegen besonders leiden - klarer Sieger in der Kategorie Kunst.

Zu einem verstörenden Ergebnis kamen Psychologen der Liverpool Hope University und der University of Western Sydney. Sie entdeckten, dass notorische Spätaufbleiber im Durchschnitt häufiger narzisstische, machiavellistische und psychopathische Züge zeigen. Psychologen bezeichnen diese Eigenschaften als "Dunkle Triade". Nachteulen vereinen dieses Trio wohl besonders häufig in ihrer Persönlichkeit, so die Psychologen. Der Titel ihrer preiswürdigen Forschungsarbeit lautet folgerichtig: Kreaturen der Nacht.

Auch wenn viele der mit dem Ig-Nobelpreis gewürdigten Arbeiten zunächst schmunzeln lassen, haben sie doch häufig einen großen Wert für die Wissenschaft. Der Preis solle das Ungewöhnliche feiern und die Vorstellungskraft anregen, erklärten die Veranstalter. Die Verleihung, die häufig durch echte Nobelpreisträger erfolgt, ist für die Forscher eine Würdigung besonderer Kreativität. Diese zeigten etwa zwei Forscher aus Oslo, die sich selbst als Eisbären verkleideten und Rentiere auf Spitzbergen erschreckten. Auf Eisbär-Kostüme reagierten die Tiere deutlich früher und panischer, als auf die Annäherung von Wanderern. Den Forschern geht es mit den Experimenten um die Auswirkungen des Klimawandels: "Da die Eisbärpopulation auf Spitzbergen wächst, und die Eisbedeckung in der Arktis im Sommer zurückgeht, wird es wohl künftig häufiger zu solchen Begegnungen kommen", schreiben Eigil Reimers und Sindre Eftestøl in einem Fachmagazin.

Zum Lachen ist eher der Ig-Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Er ging an die italienische Regierung und ihre Statistikbehörde. Die Mathematiker hatten stolz die Einkünfte der Italiener aus Prostitution, Drogenhandel, Schmuggel und Schwarzmarktgeschäften in ihre ökonomischen Berechnungen einfließen lassen, und so das Wirtschaftswachstum Italiens auf dem Papier erhöht.

Doch auch der Ernährungspreis sollte nicht vergessen werden. Eine spanische Forschungsarbeit hatte zum Thema: "Charakterisierung von Milchsäurebakterien isoliert aus Säuglingsfäkalien als potenzielle probiotische Starterkulturen für fermentierte Würste".



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