aus Der Standard, Wien, 8.8.2014
Transformer mit Origami-Effekt US-Forscher stellen Roboter vor, der sich in wenigen Minuten selbstständig aus einer Lage Papier und Kunststoff zusammenfaltet und losläuft
Cambridge/Wien - Fällt der Begriff "Roboter", dann denken wir spontan immer noch in Bildern, die aus Filmen der 1950er-Jahre stammen könnten: Klobige Metallklötze, die ungelenk umherstolpern. Modernes Plastik statt Blech und menschenähnliche Gesichter statt blinkender Augenlämpchen ändern nichts daran, dass humanoide Roboter heute kaum über dieses Niveau hinausgekommen sind.
Die wahren Fortschritte in der Robotertechnologie spielen sich offensichtlich woanders ab: Ein Team von der University of Harvard in Cambridge (US-Staat Massachusetts) hat nun aus kaum mehr als einer Lage Papier und Kunststoff eine Art Origami-Roboter konstruiert, der sich selbst in eine komplexe Form faltet und ohne weiteres Zutun davonmarschiert.
Die Entwicklung demonstriert nach Meinung der Forscher die ungeheuren Möglichkeiten, die in billigen, selbstorganisierenden Maschinen stecken. "Hier haben wir ein komplettes elektromechanisches System entworfen, das in ein dünnes Blatt eingebettet wurde", erklärt Sam Felton, Erstautor der im Fachblatt "Science" veröffentlichten Studie.
Grundlage für den innovativen Roboter ist herkömmliches Papier und der Kunststoff Polystyrol, wie er auch für CD-Hüllen eingesetzt wird. In der Mitte des Gebildes sitzt ein elektronischer Schaltkreis, gleichsam das Gehirn der Maschine. Kommt das Signal zum Aufbau, erhitzt das System temperaturempfindliche Scharniere der Reihe nach auf rund 100 Grad Celsius, und der Roboter beginnt seine Faltung, bis er die gewünschte Form annimmt.
Aushärten und loslaufen
Vier Minuten später ist das Polystyrol ausgehärtet, dann kann der Roboter, angetrieben von zwei zentral montierten Motoren, mit einer Geschwindigkeit von bis zu 5,4 Zentimetern pro Sekunde loslaufen. Der gesamte Ablauf benötigt nicht mehr Strom, als eine handelsübliche AA-Batterie hergibt.
"Einen Roboter dazu zu bringen, sich autonom zusammenzubauen und eine Aufgabe zu erfüllen, stellt einen lang ersehnten Meilenstein dar", beschreibt Rob Wood aus Feltons Team den Erfolg. Und die Vorgehensweise eröffne Perspektiven für zahllose Anwendungen, sind die Forscher überzeugt.
Felton denkt etwa an Einsatzgebiete jenseits der Erde: "Stellen Sie sich einen Stapel Roboter-Satelliten vor, die zusammengepresst in den Weltraum geschickt werden, um sich dort selbst zusammenzusetzen." Auch Rettungsroboter wären denkbar, die etwa nach Erdbeben in Hohlräume geschickt werden, wo sie sich entfalten und Verschüttete ausfindig machen.
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