Gerhard Hermes / pixelio.de
aus NZZ, 12. 2. 2014
Wie Angst aufs Herz schlägt
Aktivität der Gene als Wegweiser
NvL. Traumatische Ereignisse beeinträchtigen häufig nicht nur die seelische Gesundheit, sondern auch die körperliche. Besonders anfällig für stressbedingte Schäden ist laut etlichen Beobachtungen das Herz. Schreckenserlebnisse, die nachhaltig unter die Haut gehen, sind jedenfalls mit einem deutlich erhöhten Risiko für Herzkrankheiten verbunden. Überzeugende Hinweise auf einen solchen Sachverhalt lieferten unlängst die Ergebnisse einer Erhebung bei 562 Zwillingsbrüdern, von denen jeweils nur einer an einer posttraumatischen Belastungsstörung litt und der andere nicht. Wie sich zeigte, erlitten die traumatisierten Zwillinge im Verlauf von 13 Jahren doppelt so oft eine teilweise schwere Herzattacke wie ihre unbelasteten Geschwister.¹ Über welche Mechanismen einschneidende Erlebnisse dem Kreislauforgan zusetzen, liess sich bisher gleichwohl nicht sagen.
Aktivität der Gene als Wegweiser
NvL. Traumatische Ereignisse beeinträchtigen häufig nicht nur die seelische Gesundheit, sondern auch die körperliche. Besonders anfällig für stressbedingte Schäden ist laut etlichen Beobachtungen das Herz. Schreckenserlebnisse, die nachhaltig unter die Haut gehen, sind jedenfalls mit einem deutlich erhöhten Risiko für Herzkrankheiten verbunden. Überzeugende Hinweise auf einen solchen Sachverhalt lieferten unlängst die Ergebnisse einer Erhebung bei 562 Zwillingsbrüdern, von denen jeweils nur einer an einer posttraumatischen Belastungsstörung litt und der andere nicht. Wie sich zeigte, erlitten die traumatisierten Zwillinge im Verlauf von 13 Jahren doppelt so oft eine teilweise schwere Herzattacke wie ihre unbelasteten Geschwister.¹ Über welche Mechanismen einschneidende Erlebnisse dem Kreislauforgan zusetzen, liess sich bisher gleichwohl nicht sagen.
Eine mögliche Erklärung für dieses
Phänomen präsentieren jetzt Forscher aus den USA, unter ihnen Ji-Hoon
Cho und Leroy Hood vom Institut für Systembiologie in Seattle,
Washington.² Starke Angst bringt im Herzgewebe demnach ausgeprägte
Entzündungsreaktionen in Gang. Das schliessen die Wissenschafter
jedenfalls aus den Ergebnissen ihrer Untersuchungen bei Mäusen. Darin
waren sie der Frage nachgegangen, ob furchteinflössende Erlebnisse die
Aktivität der Gene im Herzen verändern und falls ja, welche Erbanlagen
sie dabei an- oder auch ausschalten. Hierzu brachten sie ängstliche
Mäuse mit aggressiven Artgenossen zusammen und erlösten die furchtsamen
Nager frühestens nach einem Tag aus ihrer misslichen Lage.
Wie die Studienautoren berichten,
schlug die Angst den Tieren nachhaltig aufs Herz. So veränderte sie
darin die Aktivität von mehr als 700 Genen. In den meisten Fällen stieg
diese an, seltener nahm sie auch ab. Im nächsten Schritt ermittelten die
Forscher dann, um welche Art von Genen es sich dabei genau handelte und
zu welchem Zeitpunkt während und nach der Belastung die betreffenden
Erbanlagen mehr oder weniger produktiv waren. Solche
Genaktivitäts-Muster lassen nämlich Rückschlüsse darauf zu, wie der
Organismus auf zellulärer Ebene äusseren Reizen begegnet, das heisst,
welche Stoffwechselprozesse er dabei ankurbelt.
Die Ergebnisse der Gen-Analysen
zeichnen dabei folgendes Bild: Angsteinflössende Ereignisse führen
zunächst zu heftigen Entzündungsreaktionen im Herzen - möglicherweise,
weil die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen diesem Verletzungen
zufügt. Im Anschluss daran verwandeln sich bestimmte Herzzellen zu einer
Art Stammzellen, lösen sich aus dem Gewebeverband, vermehren sich und
wandern in umliegendes Herzgewebe ein, vermutlich mit dem Ziel,
abgestorbene Zellen zu ersetzen und somit die Wunden zu schliessen. Was
den zeitlichen Ablauf angeht, dauerten die Heilungsprozesse bei den
Mäusen rund zehn Tage. Danach kamen die überaktiven Gene wieder zur
Ruhe, und die abgeschalteten nahmen erneut Fahrt auf.
Ob erschütternde Erfahrungen im
menschlichen Herzen vergleichbare Reaktionen auslösen, ist noch offen.
Die amerikanischen Wissenschafter halten dies gleichwohl für sehr
wahrscheinlich. Wie sie mutmassen, heilen stressbedingte Herzwunden
wahrscheinlich auch beim Menschen ab, möglicherweise aber nicht
vollständig. Die dabei verbleibenden Restschäden könnten jedenfalls
erklären, weshalb seelisch traumatisierte Personen besonders anfällig
für Herzkrankheiten sind. Aber auch die bei vielen Betroffenen
vorkommenden unklaren Beschwerden in der Herzgegend seien möglicherweise
nicht allein psychosomatischer Natur, sondern hätten auch körperliche
Ursachen.
¹ Journal of the American College of Cardiology 62, 970-978 (2013), ² Proceedings of the National Academy of Sciences, Online-Publikation vom 11. 2. 2014.
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