Donnerstag, 13. Februar 2014

Die Angst im Herzen.

Gerhard Hermes  / pixelio.de
aus NZZ, 12. 2. 2014

Wie Angst aufs Herz schlägt
Aktivität der Gene als Wegweiser 


NvL. Traumatische Ereignisse beeinträchtigen häufig nicht nur die seelische Gesundheit, sondern auch die körperliche. Besonders anfällig für stressbedingte Schäden ist laut etlichen Beobachtungen das Herz. Schreckenserlebnisse, die nachhaltig unter die Haut gehen, sind jedenfalls mit einem deutlich erhöhten Risiko für Herzkrankheiten verbunden. Überzeugende Hinweise auf einen solchen Sachverhalt lieferten unlängst die Ergebnisse einer Erhebung bei 562 Zwillingsbrüdern, von denen jeweils nur einer an einer posttraumatischen Belastungsstörung litt und der andere nicht. Wie sich zeigte, erlitten die traumatisierten Zwillinge im Verlauf von 13 Jahren doppelt so oft eine teilweise schwere Herzattacke wie ihre unbelasteten Geschwister.¹ Über welche Mechanismen einschneidende Erlebnisse dem Kreislauforgan zusetzen, liess sich bisher gleichwohl nicht sagen.

Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen präsentieren jetzt Forscher aus den USA, unter ihnen Ji-Hoon Cho und Leroy Hood vom Institut für Systembiologie in Seattle, Washington.² Starke Angst bringt im Herzgewebe demnach ausgeprägte Entzündungsreaktionen in Gang. Das schliessen die Wissenschafter jedenfalls aus den Ergebnissen ihrer Untersuchungen bei Mäusen. Darin waren sie der Frage nachgegangen, ob furchteinflössende Erlebnisse die Aktivität der Gene im Herzen verändern und falls ja, welche Erbanlagen sie dabei an- oder auch ausschalten. Hierzu brachten sie ängstliche Mäuse mit aggressiven Artgenossen zusammen und erlösten die furchtsamen Nager frühestens nach einem Tag aus ihrer misslichen Lage.

Wie die Studienautoren berichten, schlug die Angst den Tieren nachhaltig aufs Herz. So veränderte sie darin die Aktivität von mehr als 700 Genen. In den meisten Fällen stieg diese an, seltener nahm sie auch ab. Im nächsten Schritt ermittelten die Forscher dann, um welche Art von Genen es sich dabei genau handelte und zu welchem Zeitpunkt während und nach der Belastung die betreffenden Erbanlagen mehr oder weniger produktiv waren. Solche Genaktivitäts-Muster lassen nämlich Rückschlüsse darauf zu, wie der Organismus auf zellulärer Ebene äusseren Reizen begegnet, das heisst, welche Stoffwechselprozesse er dabei ankurbelt.

Die Ergebnisse der Gen-Analysen zeichnen dabei folgendes Bild: Angsteinflössende Ereignisse führen zunächst zu heftigen Entzündungsreaktionen im Herzen - möglicherweise, weil die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen diesem Verletzungen zufügt. Im Anschluss daran verwandeln sich bestimmte Herzzellen zu einer Art Stammzellen, lösen sich aus dem Gewebeverband, vermehren sich und wandern in umliegendes Herzgewebe ein, vermutlich mit dem Ziel, abgestorbene Zellen zu ersetzen und somit die Wunden zu schliessen. Was den zeitlichen Ablauf angeht, dauerten die Heilungsprozesse bei den Mäusen rund zehn Tage. Danach kamen die überaktiven Gene wieder zur Ruhe, und die abgeschalteten nahmen erneut Fahrt auf.

Ob erschütternde Erfahrungen im menschlichen Herzen vergleichbare Reaktionen auslösen, ist noch offen. Die amerikanischen Wissenschafter halten dies gleichwohl für sehr wahrscheinlich. Wie sie mutmassen, heilen stressbedingte Herzwunden wahrscheinlich auch beim Menschen ab, möglicherweise aber nicht vollständig. Die dabei verbleibenden Restschäden könnten jedenfalls erklären, weshalb seelisch traumatisierte Personen besonders anfällig für Herzkrankheiten sind. Aber auch die bei vielen Betroffenen vorkommenden unklaren Beschwerden in der Herzgegend seien möglicherweise nicht allein psychosomatischer Natur, sondern hätten auch körperliche Ursachen.

¹ Journal of the American College of Cardiology 62, 970-978 (2013), ² Proceedings of the National Academy of Sciences, Online-Publikation vom 11. 2. 2014.

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