aus scinexx
Zwischenablage im Gehirn spart Zeit
Dank Vorrat an DNA-Kopien lernen wir schneller
Schlau vorgearbeitet: Um schneller auf neue
Reize reagieren zu können, legen Neuronen einen Vorrat an DNA-Kopien in
ihrem Zellkern an. Damit nehmen sie einen langwierigen Schritt des
Anpassungsprozesses vorweg. Denn die bevorrateten Moleküle müssen bei
Bedarf nur noch geringfügig modifiziert werden, bevor sie den Bauplan
für neue Proteine bilden. Die Folge: Bis eine Nervenzelle im Gehirn mit
einer neuen Funktion aufwarten kann, vergehen nur wenige Minuten -
anstatt mehrere Stunden.
Die Welt um uns herum ist komplex und verändert sich fortwährend -
ständig sind wir mit Neuem konfrontiert. Eine der faszinierendsten
Leistungen unseres Gehirns
ist es, dieses Chaos zu ordnen und sich immer wieder auf Veränderungen
einzustellen. Nur weil sich einzelne Nervenzellen, Synapsen und ganze
Hirnareale flexibel anpassen können, sind wir lernfähig.
Doch warum sind die Nervenzellen des Gehirns überhaupt dazu in der Lage,
sich bei Lernprozessen so rasch zu verändern? Das war Wissenschaftlern
bislang ein Rätsel. Denn damit ein Neuron eine neue Funktion erwerben
kann, müssen die dafür wichtigen Proteine zunächst durch einen
ausgefeilten Kopiervorgang hergestellt werden. Dabei entsteht aus den
Basisinformationen der DNA die sogenannte RNA. Diese Moleküle werden
anschließend so modifiziert, dass daraus ein präziser Bauplan für die
Produktion eines bestimmten Proteins entsteht - ein langwieriger
Prozess.
RNA-Moleküle im Vorrat
Bis es durch einen neuronalen Reiz zur Neuproduktionen von Proteinen
kommt, müssten demnach eigentlich mehrere Stunden vergehen. In der
Realität verändern sich Neurone aber oft viel schneller. Wissenschaftler
um Oriane Mauger von der Universität Basel haben nun das Geheimnis
hinter der verblüffend raschen Anpassung gelüftet.
Das
Team stellte fest, dass die Nervenzellen im Gehirn mit einem Trick
arbeiten, um Zeit zu sparen: Sie produzieren bestimmte RNA-Moleküle
einfach vor und beginnen sogar schon, diese teilweise zu zerschneiden.
Die halbfertigen Moleküle landen dann im Zellkern und warten in einer
Art Zwischenablage darauf, dass sie tatsächlich gebraucht werden.
Fünf Minuten statt zwanzig Stunden
"Das Kopieren der DNA, der sogenannte Transkriptionsprozess, wird von
den Nervenzellen also bereits im Vorfeld erledigt", sagt Mauger. Trifft
ein neuronaler Reiz auf die Nervenzelle, müssen die abgelegten
RNA-Moleküle nur noch fertig gestellt werden. Das bedeutet eine immense
Zeitersparnis. Denn die Transkription ist der mit Abstand
zeitaufwendigste Schritt bei der Produktion neuer Proteine.
Für große Gene würde der Prozess vom Signal bis zur Fertigstellung eines
Proteins normalerweise zehn bis zwanzig Stunden in Anspruch nehmen.
"Dadurch, dass die RNA-Moleküle bereits in einer Rohform vorliegen, die
nur noch vervollständigt werden muss, verkürzt sich das Ganze auf fünf
Minuten", erläutert Mauger.
"Völlig neuer Regulationsmechanismus"
Erst diese Zwischenablage macht es möglich, dass Nervenzellen ihre
Funktionen so rasch anpassen können. "Für uns hat diese Studie einen
völlig neuen Regulationsmechanismus offenbart", sagt Mitautor Peter
Scheiffele. "Die Ergebnisse liefern uns eine weitere Erklärung dafür,
wie Nervenzellen insbesondere schnelle plastische Veränderungen steuern
können." (Neuron, 2016; doi: 10.1016/j.neuron.2016.11.032)
(Universität Basel, 22.12.2016 - DAL)
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